Sportmediziner Matthias Marquardt erklärt, warum es gefährlich ist, nach einem langen Lauf – wie einem Halbmarathon oder Marathon – gleich wieder ein neues Rennen zu laufen, und warum man schneller ist, wenn man sich schont.
Du denkst: Man kann vielleicht in der Vorbereitung und während eines Rennens sehr viel falsch machen, danach aber nicht mehr? Weit gefehlt. Viele Sportler*innen handeln gerade nach einem Marathon falsch. Der schwerwiegendste Fehler ist zweifelsohne: Sich schnell zum nächsten Rennen anzumelden.
Viele Läufer*innen überschätzen sich
Niemand überschätzt sein Regenerationsvermögen mehr als hoch motivierte Marathon-Einsteiger*innen, die voller Vorfreude ihr erstes Rennen absolviert haben und mehr wollen.
Nachdem der erste Lauf gut geklappt hat, soll nun eine gute Zeit her. Und die soll natürlich lieber in zwei Wochen erreicht werden als in vier: Wenn man unter 4:30 Stunden laufen kann, dann muss doch auch die Vier-Stunden-Grenze machbar sein! Möglichst bald – versteht sich.
Vorbilder für die Mammutmarathon-Serie gibt es genug: In jedem Lauftreff sind irgendwelche Läufer*innen, die seit mindestens zehn Jahren 30 Marathonrennen pro Saison absolvieren. Aber taugen diese Läufer*innen als Vorbild? Kommt man so gesund zu guten Resultaten?
Schlappschritt statt Bestzeiten
Tatsächlich gibt es für die Leistungsentwicklung nichts Schlimmeres als eine permanente Belastung ohne ausreichend Entlastung. Ein erfolgreiches Training bedarf immer auch einen wirksamen Reiz. Der allerdings ist nicht mehr gegeben, wenn man jedes Wochenende einen Marathon läuft.
Ganz abgesehen davon, dass diese Läufer*innen ein immenses Verletzungsrisiko haben und es den wenigsten vergönnt sein dürfte, solche Extremumfänge gesund zu absolvieren.
Und was das Tempo angeht: So muss man feststellen, dass die pausenlosen Wettkämpfer*innen meist nur noch sehr geringe Steigerungen in ihrem Trainings- und Wettkampftempo aufweisen. Statt Bestzeiten regiert der Schlappschritt.
Regeneration nach dem Marathon
Ein Marathon fügt dem Körper Schäden zu
Also bei allem Verständnis für deinen Bestzeitwunsch: Bitte schone deinen Bewegungsapparat und halte deinen Körper gesund und belastbar. Das setzt voraus, dass nach der Belastungs- eine Entlastungsphase folgt.
Nur so vermeidest du Knieschmerzen, Ermüdungsbrüche, Übertrainingssyndrome mit Leistungseinbruch, Schlafstörungen, Unausgeglichenheit und zahlreiche andere Probleme.
Selbst wenn der Muskelkater nach dem Rennen verschwunden ist, so sind noch lange nicht alle Reparaturprozesse an Muskeln und Bindegewebe abgeschlossen. Diese dauern bis zu sechs Wochen länger. Um es einmal deutlich zu sagen: Ein Marathon fügt deinem Körper Schäden zu. Pflege ihn deshalb gut nach einem Rennen!
Wie machen es die Profis?
Wie machen es denn eigentlich die Profis? Laufen die auch dutzende Marathons im Jahr? Schließlich verdienen die ihr Geld damit. Sie werden vermutlich verwundert feststellen, dass im Profisport meist zwei Höhepunkte pro Saison gesetzt werden: einer im Frühjahr und einer im Herbst.
Eine zweistellige Anzahl von Marathonrennen für wirkliche Profis gibt es nicht. Viele konzentrieren sich auf nur zwei wichtige Rennen. Wenn du jetzt noch bedenkst, dass du dich mit Profis nur bedingt vergleichen kannst, da Profis wesentlich schneller laufen, und folglich auch schneller regenerieren, dann erscheint der Versuch, drei Rennen in sechs Wochen zu absolvieren, doch etwas tollkühn.
Pro Rennkilometer einen Ruhetag
Eine Faustregel besagt, dass man pro absolviertem Rennkilometer einen Ruhetag einlegen sollte. Bei einem als Hauptwettkampf gelaufenen Halbmarathon empfehlen sich folglich drei Entlastungswochen. Nach einem Marathon sollte man sechs Wochen entlasten.
Entlasten heißt nicht, dass du überhaupt nicht trainieren darfst und nur auf dem Sofa sitzen musst – auch wenn das in den ersten Tagen nach einem Marathon wahrlich nicht verkehrt ist.
Denk daran: Einen Muskelkater kannst du durch Laufen nur verschlimmern, nicht heilen. Nach ein paar Erholungstagen kannst du wieder ein leichtes Training aufnehmen. Die wettkampffreie Entlastungszeit wird je nach Trainingszustand und Saisonplan wieder in den nächsten Belastungszyklus übergehen.
Zum Autor: Dr. med. Matthias Marquardt, Arzt, Triathlet und Marathonläufer, beschäftigte sich nach schweren Verletzungen ausführlich mit der Frage nach der besten Lauftechnik. Das von ihm entwickelte Konzept des Marquardt Runnings gibt der Spezialist für eine Bewegungsanalyse inzwischen an zahlreiche Sportler*innen weiter. Unter Läufer*innen ist Marquardt vor allem durch seine Bücher Die Laufbibel und 77 Dinge, die ein Läufer wissen muss bekannt.