Viele Menstruierende freuen sich nicht gerade auf ihre Periode und würden sie am liebsten verbannen. Doch was, wenn sie tatsächlich einfach ausbleibt? Ein Phänomen, das viele Läufer*innen kennen. Es passiert häufig bei enormer sportlicher Belastung – wie im Marathontraining. Ist doch gar nicht schlecht? Von wegen!
Das Problem schlich sich langsam in Insa Schniedermeiers Leben. Vier Jahre ist es her, da merkte sie: Mit mir stimmt etwas nicht. Die damals 28-jährige Läuferin war topfit, ernährte sich gesund, trainierte hart, war superschlank und noch dazu erfolgreich im Job. Eine Macherin auf allen Ebenen.
Aber ihr Körper – der sendete ihr plötzlich eine Warnung: Ihre Periode blieb aus. „Ich habe zehn Jahre mit der Pille verhütet und dann mit dem Nuva-Ring“, erzählt Insa. „Irgendwann wurde meine Abbruchblutung immer schwächer. Und dann war sie ganz weg.“ Insa ging zur Frauenärztin.
„Das kann schon vorkommen bei schlanken Frauen in Ihrem Alter“ – so lautete das Fazit. Aber als sich sechs Monate später immer noch nichts tat, wurde Insa nervös. „Klar ist die Regelblutung nicht super angenehm“, sagt die heute 32-Jährige. „Aber ohne sie fühlte ich mich komisch. Intuitiv wusste ich, dass das Ausbleiben nicht ok war.“
Dünne Frauen* und Sportler*innen sind häufig vom Ausbleiben der Periode betroffen
Insa fing an, selbst zu recherchieren. Was konnte dahinterstecken? Sie fand die Antwort: Hypothalamische Amenorrhoe. Ein komplizierter Begriff für einen eigentlich einfachen Vorgang: Die Periode bleibt aus, weil der hormonelle Regelkreislauf, der die Eierstockfunktion steuert, eingeschränkt ist.
Privatdozent Dr. Thomas Hildebrandt von der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen erklärt: „Der Hypothalamus und die Hypophyse im Hirn beeinflussen die Eierstockfunktion. Dafür braucht der Hypothalamus den Stoff Leptin, der im Fettgewebe produziert wird.“ Da Läufer*innen – genauso wie extrem dünne Menschen – häufig wenig Fettgewebe hätten, könne das Leptin nicht ausreichend produziert werden. Die Folge: Es reifen keine Eizellen heran. Bis zu 30 Prozent aller Frauen*, die sehr regelmäßig und belastend Sport treiben, leiden unter Hypothalamischer Amenorrhoe.
Für Insa Schniedermeier war das kein Zustand. „Ich hatte zwar keinen akuten Kinderwunsch, aber es versetzte mir trotzdem jedes Mal einen Stich, wenn ich schwangere Frauen gesehen habe oder von Freundinnen nach einem Tampon gefragt wurde“, erinnert sie sich. „Es fühlte sich an wie ein existenzieller Schmerz, der für mich auch ein Stück weit mein Frausein in Frage stellte.“
Risiko für Osteoporose steigt
Insa las alles, was sie zum Thema Amenorrhoe finden konnte und begann, auf ihrem Blog “www.prettyprettywell.com” darüber zu schreiben. Zu ihrer Erleichterung stand bald fest: Die Hypothalamische Amenorrhoe ist behandelbar – und dabei spielte vor allem sie selbst eine Rolle.
Schnell wurde ihr klar: Sie brauchte eine Veränderung in ihrem Leben – und zwar vor allem auch eine sportliche. „Ich war immer schon ein ehrgeiziger Typ und liebte hartes Training“, sagt die Wahl-Berlinerin. HIIT-Training und Laufen standen mehrmals die Woche auf dem Programm. Auch achtete sie strikt auf ihre Ernährung. „Mein Body-Maß-Index lag zu der Zeit mit 19 in einem grenzwertig niedrigen Bereich“, erinnert sie sich. Die Hypothalamische Amenorrhoe hatte es also leicht bei Insa Schniedermeier, sie war die klassische Patientin. Aber – ist das Ausbleiben der Periode tatsächlich ein Problem? „Langfristig ja“, sagt Gynäkologe Thomas Hildebrandt. Eine anhaltende Hypothalamische Amenorrhoe steigere das Risiko für Osteoporose – eine Stoffwechselerkrankung der Knochen, auch Knochenschwund genannt.
Um die Symptome der Amenorrhoe in den Griff zu bekommen, verschreiben Ärzt*innen häufig die Anti-Baby-Pille. Thomas Hildebrandt: „Sie führt in den meisten Fällen eine Abbruchblutung herbei und gibt den Frauen das Gefühl, einen geregelten Zyklus zu haben.“
Die Ursache der Hypothalamischen Amenorrhoe bekämpfe die Pille allerdings nicht. „Wenn das Ausbleiben der Blutung länger als sechs Monate besteht, sollte man handeln“, empfiehlt Hildebrandt. Der wichtigste Schritt sei dabei, den Stress aus dem Alltag zu nehmen, Sport zu reduzieren und auf eine ausreichende Kalorienaufnahme zu achten.
Läufe tracken, über die Grenzen gehen? Damit war erstmal Schluss
Auch Insa Schniedermeier zog die Reißleine. Sie reduzierte den Sport auf ein Minimum. „Das war eine Herausforderung für mich“, erzählt sie. „Ich war es immer gewöhnt, mich regelmäßig auszupowern und an meine Grenzen zu gehen, habe meine Laufzeiten getrackt und bin pro Trainingseinheit selten unter zehn Kilometer gelaufen.“
Damit war erstmal Schluss. Der Tracker kam weg, das HIIT-Training strich sie ganz von ihrem Plan. „Ich lief nur noch aus Spaß an der Bewegung und ohne Leistungsdruck im Kopf“, sagt Insa. Vom HIIT-Training wechselte sie zu Yoga – und auch beruflich wagte sie einen großen Schritt.
„Ich kündigte meine Führungsposition, die mich viel Energie gekostet hatte und suchte mir einen neuen Job, der mir mehr Raum für meine kreative Entfaltung ließ. Ich wollte meiner Gesundheit einfach die oberste Priorität geben.“ Auch ihre Ernährung hinterfragte Insa Schniedermeier. „Ich aß damals sehr viel Rohkost und kalte Mahlzeiten und fing an, wieder häufiger warme Mahlzeiten einzuführen. Das tat mir unheimlich gut.“
„Mir hat das Weiche und Weibliche gefehlt“
Durch die Veränderungen ihres Sportprogrammes, ihrer Ernährung und ihrer Lebenssituation bekam Insa Schniedermeier bereits nach wenigen Monaten ihre Regelblutung wieder. Doch nicht alle Veränderungen gefielen Insa: „Ich nahm fast sechs Kilo zu, nachdem ich den Sport reduziert hatte“, erinnert sie sich. „Und obwohl das natürlich geplant war, musste ich mich daran erst gewöhnen. Aber ich merkte auch, dass mir das Weiche und Weibliche, das etwas Passivere und Sanftere gefehlt hat und mir guttat. Denn auch das ist ein Teil von mir.“
Mittlerweile treibt Insa Schniedermeier wieder regelmäßig Sport und bringt als Yoga-Lehrerin anderen einen bewussteren Umgang mit ihrem Körper bei. „Ich drehe langsam wieder auf, sowohl im Sport als auch beruflich“, sagt sie. „Nur jetzt weiß ich einfach, wo ich Grenzen setzen muss. Ich überfordere mich nicht mehr und sehe das Laufen jetzt mit anderen Augen. Für mich ist es weniger Wettkampf und mehr Freiheit.“
Zur Person: Ihren Amenorrhoe-Heilungsweg hat Insa Schniedermeier in einem E-Book dokumentiert: „Happy Periods. Zurück zum Zyklus in 10 Schritten“, mit dem sie mittlerweile auch vielen anderen Betroffenen auf dem Weg zu einem regelmäßigen, gesunden Zyklus helfen konnte. Auf ihrem Blog “www.prettyprettywell.com” teilt sie weiterhin ihre Gedanken und Erkenntnisse zum Thema Selbstfindung, Ernährung, Hormonbalance und Amenorrhö.