Wagnis Wüstenrennen: Ute Grüner lief durch die algerische Sahara. Dabei erlebte sie nicht nur eine Menge, sondern half auch einem vergessenen Volk in Not. Ein Rückblick auf einen Extremlauf der besonderen Art.
Ute Grüner läuft durch ein Meer aus Sand. Weit und breit kein Mensch, kein Baum, kein Strauch. Die Sonne knallt. Es ist der 23. Februar, Ute Grüners 63. Geburtstag. Zu Hause in Bonn ist noch tiefer Winter.
Grüner hat sich ein ganz besonderes Geschenk gemacht: Einen Halbmarathon, gemeinsam mit ihrer Tochter Nicola Reis. Nicht irgendeinen, sondern den Sahara-Marathon, ein brutales Rennen durch die westalgerische Wüste.
Die beiden Frauen sind zwei von rund 400 Läufer*innen, darunter 16 Deutsche, die das Wagnis auf sich nehmen: “Ein Wahnsinns-Erlebnis”, sagt Grüner.
Der Sahara-Marathon
Für Nicola ist es der erste Wettkampf überhaupt, Ute ist eine erfahrene Läuferin. Seit über 30 Jahren läuft sie jeden Tag mindestens eine halbe Stunde. Ein spezielles Vorbereitungstraining hat sie für den Sahara-Marathon nicht absolviert. Wohlwissend, dass ein Lauf durch die Wüste nicht mit dem Training im Rheinland vergleichbar ist. “Ich war bereits auf Skiern am Nordpol. Und ich habe 2001 am bisher einzigen Marathon am Südpol teilgenommen”, sagt sie.
Das Klima in der Wüste ist hart. Zwar macht ein milder Wind die 25 Grad einigermaßen erträglich, doch nur auf den ersten Kilometern. “Plötzlich liefen wir in der Mittagshitze”, sagt Grüner. Weiße Pfähle weisen den Weg von Düne zu Düne. Alle drei Kilometer gibt es Verpflegungsstationen, Bananen, Wasser, Kekse, Datteln. “Mancher professionellere Läufer ist sehr verschwenderisch mit dem Wasser umgegangen”, erinnert sich Grüner. “Das hat mich geärgert.” Wasser in der Wüste, ein knappes Gut.
Hauptsache nicht als Letzte
Ziel von Mutter und Tochter ist es, nicht als Letzte durchs Ziel zu kommen. Was auch klappt: Nach 2:48 Stunden laufen die beiden Hand in Hand über die Zielmarke. Die einheimischen Wüstenbewohner*innen, die Saharauis, bejubeln die Frauen. “Es herrschte Volksfeststimmung”, sagt Grüner.
Nach dem Rennen wird mit Cola und Espresso auf den Geburtstag angestoßen. Wer duschen will, kippt sich eine Flasche Wasser über den staubigen Körper. Erst auf dem Rückweg, in Spanien, gibt es wieder fließendes Wasser aus der Brause. Erst dort werden die Läufer*innen den Wüstensand los, der sich überall festsetzt. “Während des Laufes habe ich mir Strümpfe über die Schuhe gezogen, um mich vor dem Sand zu schützen”, sagt Grüner. Trotz aller Strapazen: Der Lauf hat ihr viel Spaß gemacht.
Doch das schönste Erlebnis, sagt sie, war die Begegnung mit den saharauischen Kindern. 300 liefen ein drei-Kilometer-Rennen, die meisten barfuß. “Der Lauf der Kinder war sehr schön anzusehen”, sagt Grüner, die es fasziniert, wie sehr sich die Kinder über den Besuch freuten.
Eine Woche leben die Läufer*innen bei den Saharauis. Ihre Unterkunft: Lehmhütten, die sie mit der Gastfamilie und anderen Läufer*innen teilen. Alle schlafen in einem Raum, auf Teppichen oder einfachen Matratzen. Eine besondere Erfahrung, sagt Grüner.
Zum Frühstück gibt es Fladenbrot mit Margarine. Linsen, Bohnen und Spaghetti mit roter Soße komplettieren das Speiseangebot. Was die Gastfamilie wundert: Ute Grüner lehnt einen Leckerbissen ab, Kamelfleisch. Bei früheren Sahara-Marathons hatten andere Läufer*innen schlechte Erfahrungen damit gemacht.
Laufen für einen guten Zweck
Mit den Menschen zusammen in Hütten zu leben, ihren Alltag im Flüchtlingslager und ihre Misere kennenzulernen, das sei das eigentliche Erlebnis der Reise, sagt Dieter Kappe von der “UNO-Flüchtlingshilfe”, die den Sahara-Marathon unterstützt. “Den meisten Teilnehmern ging es um die Begegnungen mit dem außergewöhnlichen Volk der Saharauis, das jetzt seit über 30 Jahren im Exil in der algerischen Geröllwüste ausharrt.”
Außerdem tun die Läufer*innen durch ihren Start bei dem Rennen auch etwas Gutes: 150 Euro des Reisepreises kommt Hilfsaktionen für die Saharauis zugute, zum Beispiel Schulprojekten oder Sportanlagen.
Ute Grüner wird im nächsten Jahr allerdings nicht nochmal durch die Wüste rennen. Nicht wegen des Kamelfleisches. Sie läuft grundsätzlich jeden Wettkampf nur einmal.