Der perfekte Laufschuh ist ein Schuh, der unser Verletzungsrisiko beim Laufen senkt und uns gleichzeitig schneller macht. Die Laufschuhtechnologien haben in den letzten Jahren riesige Sprünge gemacht – aber ist wirklich alles besser geworden? Halten die Hersteller wirklich, was sie in puncto Performance und Prävention versprechen? Mittlerweile liefert uns die Wissenschaft dazu handfeste Ergebnisse…und die dürften einige überraschen. Laufschuhexperte Prof. Dr. Gert-Peter Brüggemann war in unserer neuen Podcastfolge, um uns aufzuklären.
Die Entwicklung der Laufschuhe
Die Auswahl an Laufschuhen ist riesig. Doch was bringen all diese Technologien wirklich? ? Wir haben mit einem Experten gesprochen, der sich seit Jahrzehnten mit Laufschuhen beschäftigt und Licht ins Dunkel bringt. Ursprünglich war das Hauptziel eines Laufschuhs, den Läufer vor Verletzungen zu schützen. Die ersten technischen Entwicklungen sollten die Belastungen auf Gelenke und Muskulatur reduzieren, das natürliche Abrollen unterstützen und so das Verletzungsrisiko minimieren. Jahrzehntelang wurden neutrale, gestützte und sogar minimalistische Schuhe mit der Hoffnung entwickelt, dass sie dazu beitragen, typische Läuferverletzungen zu verringern. Doch als nach rund 40 Jahren klar wurde, dass die Verletzungsraten unverändert blieben, begann ein Umdenken in der Branche. Statt sich auf Prävention zu konzentrieren, rückte die Performance stärker in den Fokus. Neue Materialien und Sohlenkonstruktionen versprachen nicht mehr nur Schutz, sondern eine messbare Leistungssteigerung.
Heute lassen sich vier große Kategorien von Laufschuhen unterscheiden. Neutrale Schuhe setzen auf klassische Dämpfung, ohne gezielte Unterstützung oder Korrektur der Fußstellung. Gestützte Modelle hingegen enthalten festere Materialien auf der Innenseite, um eine übermäßige Pronation zu verhindern. Performance-Schuhe gehen noch einen Schritt weiter und kombinieren hochenergetische Dämpfung mit Carbonplatten, um die Laufökonomie zu verbessern. Eine neue Entwicklung sind die biomechanische Schuhe, die durch ihre spezielle Bauweise Kipp- und Drehmomente minimieren und so den natürlichen Bewegungsablauf unterstützen. Doch wie viel bringen diese Technologien wirklich?
Laufschuhe zur Verletzungsprävention?
Doch wie viel Einfluss hat der richtige Schuh tatsächlich auf die Verletzungsprävention? Aktuelle Studien liefern ein ernüchterndes Bild: Weder neutrale noch gestützte oder minimalistische Schuhe konnten eine Reduktion der Verletzungen nachweisen. Knieverletzungen sind nach wie vor die häufigsten Probleme – unabhängig vom gewählten Schuhmodell. Besonders Performance-Schuhe, die auf maximale Energierückgabe ausgelegt sind, können das Verletzungsrisiko sogar erhöhen. Durch ihre Konstruktion mit hohen Sohlen und steifen Carbonplatten verändert sich die Hebelwirkung am Bein. Dies führt dazu, dass die Achillessehne stärker belastet wird, während gleichzeitig die Kräfte am Kniegelenk zunehmen. Auch bei Plantarfasziitis kann die Schuhwahl eine Rolle spielen: Modelle mit hoher Sprengung oder sehr steifen Sohlen können den Druck auf das Fußgewölbe erhöhen und damit das Risiko für Beschwerden steigern.
Bedeutet das also, dass der Schuh gar keinen Einfluss auf die Verletzungsprävention hat oder gar Verletzungen begünstigt? So einfach ist es nicht. Entscheidend ist, dass der Schuh individuell zum Laufstil passt. Ein Modell, das für eine:n Läufer:in ideal funktioniert, kann für andere völlig ungeeignet sein. Statt sich auf allgemeine Empfehlungen oder Marketingversprechen zu verlassen, sollten Läufer:innen darauf achten, wie sich ein Schuh tatsächlich am Fuß anfühlt. Wer sich von Beginn an wohlfühlt, weniger muskulär gegenarbeiten muss und ein natürliches Laufgefühl verspürt, hat gute Chancen, einen passenden Schuh gefunden zu haben.
Bessere Leistung durch den perfekten Schuh?
Neben der Verletzungsprävention spielt die Leistungssteigerung eine große Rolle bei der Entwicklung neuer Laufschuhe. Und hier gibt es tatsächlich Hinweise darauf, dass moderne Schuhe die Laufökonomie verbessern können. Studien haben gezeigt, dass bestimmte Modelle den Sauerstoffverbrauch beim Laufen um bis zu vier Prozent reduzieren – was sich besonders auf längeren Distanzen positiv auswirken kann. Ein entscheidender Faktor für die Performance ist die Dämpfung. Während frühere Laufschuhe oft mit relativ dünnen Mittelsohlen ausgestattet waren, nutzen moderne Modelle Schaumarten, die nicht nur Aufprallkräfte absorbieren, sondern auch einen Teil der Energie zurückgeben. Dadurch wird die Muskulatur entlastet und die Ermüdung verzögert.
Ein weiteres Element sind Rocker-Sohlen, die das Abrollen erleichtern. Je nach Platzierung wird entweder das Knie oder die Achillessehne stärker beansprucht, sodass nicht jeder Läufer gleichermaßen profitiert. Carbonplatten versteifen die Sohle und verteilen die Last besser, doch ihr Einfluss auf die Leistung wird oft überschätzt. Wichtiger für die Laufökonomie ist der Schaum, während Carbonplatten eher die Belastung der Achillessehne erhöhen und das Verletzungsrisiko steigern können. Das Gewicht eines Schuhs spielt eine geringere Rolle als oft angenommen – Stabilität, Dämpfung und Passform sind entscheidender. Eine neue biomechanische Technologie setzt auf eine Art „Trampolin-Effekt“, bei dem der Fuß nicht von unten, sondern seitlich und hinten gestützt wird. Dies könnte die nächste große Entwicklung sein, da es sowohl die Performance verbessert als auch das Verletzungsrisiko senkt. Letztlich bleibt die Wahl des perfekten Laufschuhs individuell – Performance sollte nicht auf Kosten der Gesundheit gehen.
Wie viel der Laufstil wirklich aussagt, welche Rolle die Schrittfrequenz bei der Schuhauswahl spielt und wie die Zukunft der Laufschuhe aussieht – das alles erfahrt ihr in der neuen Podcastfolge. Diese findet ihr auf Apple Podcasts, Spotify oder auch auf YouTube im Videoformat mit Veranschaulichungen von Peter.