Laufen ist für starke Raucher fast ein Ding der Unmöglichkeit. Die Puste bleibt weg, das Herz pumpt wie wild und lästiger Husten setzt ein. Aufhören müsste man können. Lungenarzt Dr. Christian Grah erklärt, wie man durch Ausdauersport die Lust auf Rauchen verliert.
Achilles Running: Herr Grah, kann man sich durch Laufen das Rauchen abgewöhnen?
Christian Grah: Ja, das ist sogar eine gute Methode, weil man sich einen anderen Lebensinhalt gibt, der auch Erfolg und ein gutes Gefühl wie beim Rauchen nach sich zieht. Denn eine Zigarette verschafft auch erst mal Entspannung und ein gutes Gefühl.
Aber das gute Gefühl hält nicht an.
Genau. Das ist bei jeder Droge so: Sie erzeugt einen positiven Effekt ? aber eben nur kurzfristig, auf Kosten einer langfristigen Schädigung. Um dieser Spirale zu entkommen, hilft es, wenn man sich Alternativen schafft ? wie das Laufen.
Ist Laufen dann eine Art Ersatzdroge?
Nein, genau das ist es nicht. Nach dem Laufen empfinden Sie ein Wohlbefinden. Sie fühlen sich körperlich und psychisch besser und haben was geleistet. Aber im Unterschied zum Rauchen schädigen Sie ihren Körper nicht langfristig. Im Gegenteil: Sie stabilisieren Ihre Gesundheit. Laufen ist gesund. Es sei denn, Sie machen groben Unfug und übertreiben es. Aber es ist ja alles eine Frage des Maßes. Sie können sich wahrscheinlich selbst mit Vollkornmüsli umbringen.
Kann Laufen die negativen Effekte des Rauchens vollständig kompensieren?
Nein. Das kann es definitiv nicht, weil es unterschiedliche Prozesse sind. Das Gesunde, was im Laufen liegt, kann dem Kränkenden des Rauchens zwar etwas entgegensetzen, aber nicht vollständig kompensieren.
Rauchen verursacht einige ernsthafte gesundheitliche Probleme, das ist allen bekannt. Aber warum müssen Raucher bei Anstrengung ständig husten?
Das Rauchen führt in der Lunge zu Entzündungsprozessen, engt die Atemwege ein und zerstört das Lungengewebe. Es kommt zu Löchern in der Lunge. Und die verhindern, dass Sauerstoff ins Blut weitergeleitet werden kann. Wenn das Gewebe zerstört ist, verkleinert sich auch die Fläche, die für die Atmung da ist. Zudem lähmt das Rauchen die Flimmerhärchen, die die Aufgabe haben, die eingeatmete Luft zu filtern. Wenn man nur eine Zigarette raucht, funktioniert der Reinigungsprozess für etwa sechs Stunden nicht mehr. Das äußert sich dann in Husten. Klar: Die Lunge ist verstopft.
Das kann auch chronisch werden.
Dann sprechen wir von COPD, der Chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung. Die Krankheit ist in der Bevölkerung kaum bekannt, gehört aber zu der vierthäufigsten Todesursache auf der Welt. Und sie wird zu 90 Prozent durchs Rauchen ausgelöst.
Weniger als 100 Zigaretten = Nichtraucher
Ab wie viel Zigaretten pro Tag gilt man denn medizinisch gesehen als “Raucher*in”?
Da gibt es verschiedene Versuche, sich anzunähern. Wir sprechen von einem “Nie-Raucher”, wenn er weniger als 100 Zigaretten in seinem Leben geraucht hat. Ein deutlich erhöhtes gesundheitliches Risiko haben vor allem Raucher, die mehr als zehn “Packungsjahre” geraucht haben. Das heißt: In zehn Jahren jeden Tag eine Packung.
Das sind mehr als 70.000 Zigaretten.
Ja, das kann man natürlich auch in fünf Jahren schaffen, wenn man täglich zwei Packungen raucht. Man kann aber nicht den Umkehrschluss ziehen und sagen: Ich habe nur fünf Packungsjahre und bin deshalb vor Krankheiten geschützt.
Starke Raucher haben meist das Problem, dass ihnen schon beim Treppensteigen die Puste wegbleibt. Können die gleich losjoggen?
Generell kann man sagen: Egal, auf welchem Leistungsstand man ist, man sollte die Anstrengung nur langsam steigern. Man muss sich als Anfänger sozusagen ans Laufen heranschleichen. Die Knochen, Muskeln, Sehnen und Gelenke wurden lange zu wenig belastet und müssen sich erst an die neuen Umstände gewöhnen.
Und wie oft sollte man trainieren?
Wir wissen ja heute, dass Bewegung dann die Gesundheit stärkt, wenn man sich zwei Mal pro Woche mehr als 30 Minuten anstrengt. Egal auf welchem Niveau und mit welcher Geschwindigkeit. Hauptsache man hält die halbe Stunde durch.
Sinkt mit gesteigertem Training auch die Lust auf eine Zigarette?
Nein, nicht unbedingt. Das hängt mehr von der jeweiligen Lebenssituation zusammen. Direkt nach dem Training haben Sie vielleicht keine Lust zu rauchen, aber zwei Stunden später in der Kneipe sieht es schon wieder anders aus. Es gibt aber viele Raucher, die durch das Laufen diesen Suchtdruck nicht mehr verspüren, weil sie ihn anders abarbeiten können.
Zur Person: Dr. Christian Grah, 50, ist Facharzt für innere Medizin und Lungenkrankheiten. Im Gemeinschafts-krankenhaus Havelhöhe, Berlin, bietet er Entwöhnungs-programme für Raucher an. Der 50-Jährige hat als Student selbst viel geraucht, aber erfolgreich aufgehört. Er läuft mehrmals die Woche und hat bereits neun Marathons absolviert. Seine Bestzeit liegt bei 3:23.