Langsam laufen, um seine Leistung zu verbessern? Klingt paradox, aber funktioniert. Anna Achilles erklärt, warum man die Grundlagenausdauer trainieren sollte und wie Läufer*innen ihr optimales Tempo bestimmen.
Langsam laufen ist anstrengend. Nicht, weil ich trotzdem schwitze und außer Puste komme. Sondern, weil es mir peinlich ist. Bei niedrigem Puls laufe ich einen Kilometer in sieben Minuten und 30 Sekunden.
Das entspricht umgerechnet 8 km/h. Keine Zeit, auf die ich stolz bin. Keine Zeit, mit der ich in meiner Laufgruppe angeben könnte.
Nordic Walker sind fast genauso schnell wie ich. Ich hasse die mitleidsvollen Blicke von Spaziergängern, die glauben, dass ich nicht mehr kann und deshalb so schleiche.
Natürlich könnte ich schneller laufen. Aber um meine Ausdauer zu verbessern, muss ich langsam laufen. Mein Puls darf nicht zu hoch steigen.
Die ganze Zeit über habe ich falsch trainiert. Ich bin für meine Verhältnisse zu schnell gelaufen. Mit dem Ergebnis: Ständig hatte ich Wehwehchen im Knie und war unmotiviert.
Von wegen “Quäl dich, du Sau”. Natürlich soll man seinen Körper fordern, aber halt nur in Maßen. Wer bei jedem Lauf volle Pulle gibt, riskiert sich zu verletzen, und der Trainingseffekt ist auch gleich Null.
Was heißt überhaupt “langsames” Laufen?
Wie langsam man laufen sollte, hängt vom Trainingszustand ab: Ein Anfänger läuft in einem anderen Tempo “langsam” als ein Marathonläufer.
Entscheidend ist, dass sich der Körper in der aeroben Stoffwechsellage befindet. Das heißt: Die Belastung ist nur so hoch, dass der Körper ausreichend Sauerstoff aufnehmen kann, um die Muskeln zu versorgen.
Weil bei dieser Art der Energiegewinnung nur wenig Laktat abfällt, bleibt der Läufer länger leistungsstark.
Warum ist das Training im aeroben Bereich so wichtig?
Laufexperten bezeichnen diese Form als Grundlagenausdauer-Training (GA1-Training): Die Belastung ist moderat, der Puls niedrig. Dieses Training ist die Basis für alle anderen Trainingsformen.
Zum Vergleich: Ein Auto mit viel PS fährt nur dann schnell, wenn der Motor das richtige Benzin bekommt. Genauso verhält es sich mit dem Laufen. Nur wenn der Körper gelernt hat, die Muskeln entsprechend mit Sauerstoff zu versorgen, kann ein Läufer langfristig seine Leistung verbessern.
Weitere Pluspunkte des GA1-Trainings: Da der Körper in diesem Modus besonders viel Fett verbrennt, spricht man auch von Fettstoffwechselläufen. Außerdem verbessert sich die Blutzirkulation, das Immunsystem wird gestärkt und Stress wird abgebaut.
Wie bestimmt man sein optimales Tempo?
Der Puls bestimmt das richtige Trainingstempo. Die Faustformel nach Laufbibel-Autor Matthias Marquardt lautet: Bei einem Pulswert von 65 bis 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz, trainiert man die Grundlagenausdauer.
Konkret heißt das: Bei einem Maximalpuls von 200 sollte man mit einem Puls zwischen 130 und 140 laufen. Um seine maximale Herzfrequenz auszurechnen, gibt es verschiedene Wege. Am genauesten ist eine Leistungsdiagnostik.
Ansonsten sollte man beim Laufen einfach auf sein Gefühl hören, schreibt Marquardt. Wer sich wohl fühle und in der Lage sei, zusammenhängende Sätze zu sprechen, mache alles richtig.
Schwere Beine, starkes Schwitzen und Atemnot dagegen seien Anzeichen für zu schnelles Laufen.
Warum fällt langsam laufen so schwer?
Langsam zu laufen ist schwierig, gerade am Anfang: Man ist hochmotiviert, stolz auf seine Fortschritte und will mit den schnelleren Läufern mithalten. Die Gefahr ist groß, den Körper zu überlasten.
Was man nicht vergessen darf: Das Herz-Kreis-Laufsystem entwickelt sich schnell. Aber Knorpel, Sehnen und Bänder brauchen viel länger bis sie sich an die neue Belastung gewöhnt haben. Langsames laufen beugt also auch Verletzungen vor.
Unbedingt einzuhalten sind außerdem Ruhetage. Denn die Leistung verbessert sich nicht während des Trainings, sondern in den Pausen.
Langsam laufen ist keine Schande!
Der ehemalige Langstreckenläufer Jeff Galloway legt noch eins oben drauf: Mit der Run-Walk-Run-Laufmethode rät er Läufern aller Leistungsniveaus regelmäßige Gehpausen beim Marathon zu machen. So würde man die Erschöpfung der Muskeln hinauszuzögern und sich mehr Kraft fürs Ende aufsparen.
Ein 3:30-Marathonläufer sollte demnach alle 1,5 Kilometer eine 30-Sekündige-Gehpause einlegen. Das Problem: Die meisten Läufer empfinden es als eine Schande zu gehen.
Sollten sie aber nicht. Denn manchmal ist weniger einfach mehr.