Ist Hochintensives Intervalltraining (HIIT) wirklich sinnvoll? Und woher kommen die tonnenschweren Oberschenkel beim Laufen? Die DOSB-Sportphysiotherapeutin Katharina Hubert und Muskelexperte Torsten Danneberg beantworten die interessantesten User-Fragen zum Themenblock “Muskeln”.
Unsere Expert*innen
Katharina Hubert (B.Sc. Phyiotherapie) ist ehemalige Leistungsschwimmern, ambitionierte Triathletin und arbeitet als Sport-Physiotherapeutin am Olympiastützpunkt Hamburg/ Schleswig-Holstein mit den Beachvolleyball-Olympiasiegerinnen Laura Ludwig/ Kira Walkenhorst Rio2016 sowie den Olympiateilnehmern Böckermann/ Flüggen.
Torsten Danneberg, studierter Elektroingenieur, eröffnete 1992 seinen ersten Fitness-Club. Er bildete sich stetig fort und erfuhr so vom elektrischen Muskelstimulations-Training (EMS).
1. Welche Risiken nehme ich in Kauf, wenn ich auf Stabis verzichte?
(Bei einer Laufleistung von circa zehn bis 15 Kilometer pro Woche, Tendenz steigend und vor Wettkämpfen mehr)
Torsten Danneberg: Das lässt sich pauschal nicht sagen, da die Lauftechnik, Geschwindigkeit und das Körpergewicht weitere Faktoren sind, die auf das Verletzungsrisiko Einfluss nehmen. Jedoch werden alle Gelenke muskulär stabilisiert.
Die Durchführung eines regelmäßigen Stabilisationstrainings, beispielsweise mittels funktionsgymnastischer Übungen oder elektrischer Muskelstimulation, begünstigt somit eine physiologisch angemessene Gelenkbelastung und beugt den gängigen Laufverletzungen vor.
2. Meine Oberschenkelmuskeln werden immer so schwer beim Laufen. Was kann ich da tun?
Katharina Hubert: Für dieses verbreitete Phänomen gibt es verschiedene Ursachen:
- Abends fühlen sich die Beine schwerer an als am Morgen. Das hängt mit der fortgeschrittenen Ermüdung zusammen und der Ansammlung von Wasser in den Beinen im Laufe des Tages. Günstiger ist es daher, morgens zu laufen.
- Flüssigkeitsmangel kann ein weiterer Grund sein. Vorher und auch auf längeren Laufstrecken genug trinken.
- Ein Mangel an Mikronährstoffen (in Obst und Gemüse, besonders in Beeren enthalten) kann die Symptome verstärken. Gesundes Essen hilft also.
- Auch verkürzte Muskeln und ein “Kaltstart” ohne ausreichendes Warm-Up verursachen das Gefühl von schweren Beinen. Dehnübungen, Ausfallschritte und Kniebeugen vorm Start regen die Durchblutung an und bereiten die Muskulatur vor.
3. Wie kriegt man den Gluteus Maximus schnell wieder locker, wenn man ihn mal verrenkt hat?
Katharina Hubert: Sollte beim Laufen ein plötzlicher Schmerz im Gesäßmuskel auftreten, dann handelt es sich sehr wahrscheinlich um einen Muskelkrampf. Zur schnellen Behandlung gibt es mehrere Möglichkeiten: Auf den Rücken legen und die Beine überkreuzen entspannt den Muskel, ebenso die Yoga-Übung “Taube”.
Bei ungemütlichem Wetter kann man im Stehen den Fuß, auf dessen Seite der Krampf schmerzt, auf den anderen Oberschenkel legen und vorsichtig in die Hocke gehen. Auch eine Massage mit Tennisball an der Wand hilft. Sollte der Schmerz trotz Wärmebehandlung und Entspannung nicht von allein verschwinden, ab zum Arzt oder zur Ärztin – sonst kann es Haltungsschäden im Becken geben!
4. Mehr Gewicht, weniger Wiederholungen oder weniger Gewicht und mehr Wiederholungen? Erst Kraft und dann Ausdauer?
Katharina Hubert: Wer mit dem Krafttraining beginnt, sollte zuerst die Ausdauer trainieren und dann die Kraft. Wie es weitergeht, hängt von der individuellen Zielsetzung ab. Möchte man Sixpack und Maximalkraft trainieren, so besteht der Hauptteil des Trainings aus mehr Gewicht und weniger Wiederholungen.
Anfänger*innen aufgepasst: Es besteht Überlastungs- und somit Verletzungsgefahr! Trainiert man eher die Kraftausdauer, so benutzt man weniger Gewicht bei mehr Wiederholungen.
5. Ist CrossFit ein guter Ersatz für klassische Stabis?
Katharina Hubert: Ganz eindeutig nicht! CrossFit macht großen Spaß, da es meist in der Gruppe mit viel Power und Wettkampfcharakter durchgeführt wird. Es ist auf jeden Fall eine hervorragende Ergänzung fürs Krafttraining. Allerdings ist es nicht individuell auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt, und durch die hohe Intensität kann es zu Verletzungen kommen.
Klassische Stabis, die vor allem die tiefe Rumpfmuskulatur stärken und eine gute Dehnung beinhalten, sind daher eine wichtige Voraussetzung für das CrossFit.
6. Ich mache ein- bis zweimal pro Woche je 45 Minuten Pilates bei etwa 50 Laufkilometern – ähnlicher Effekt, oder?
Katharina Hubert: Nicht wirklich. Beim Pilates geht es vornehmlich um die tiefere Rumpfmuskulatur. Die ist für den Halteapparat wichtig, optimiert aber nicht das Laufen. Dafür muss die spezielle Laufmuskulatur gut trainiert sein.
Der Effekt ist, dass sich die Lauftechnik verbessert, die Laufgeschwindigkeit höher wird und die Verletzungsanfälligkeit sinkt. Also: Lieber ein paar Kilometer weniger pro Woche, dafür die Laufmuskulatur regelmäßig mit Aufstiegen auf Kästen oder Parkbänke, dazu Kniebeugen und Ausfallschritten trainieren – schon wird das Laufen einfacher und gesünder!
7. Wie sinnvoll ist HIIT wirklich für die Muskeln?
Katharina Hubert: Beim HIIT wechseln sich hochintensive Belastungen mit aktiven Pausen ab, wodurch vermehrt Fett im Körper verbrannt werden soll. Diese Methode ist tatsächlich wirkungsvoll, sie setzt zudem einen neuen Reiz und macht viel Spaß – für den Trainingseffekt ganz wichtig!
Aber aufgepasst: Trainierende sollten über eine gute Grundathletik verfügen, um Überbelastungen und Verletzungen zu vermeiden. Außerdem muss bei der Schnelligkeit der Bewegungen auf die korrekte Ausführung geachtet werden, sonst drohen Haltungsschäden. HIIT ist für Krafttrainings-Anfänger*innen daher nicht geeignet.
8. Ab welchem Alter ist spezielles Krafttraining sinnvoll, um Leistung im Sprint oder Sprung zu generieren?
Katharina Hubert: Grundsätzlich kann man Kraft und Muskeln schon im Grundschulalter trainieren, allerdings bis nach der Pubertät ohne zusätzliche Gewichte, da Knochen und Muskulatur noch nicht ausgewachsen sind.
Übungen wie Hocksprünge, Seilspringen sowie “Koordinationsleitern” trainieren Laufschnelligkeit, Lauftechnik und Koordination. Letztere ist übrigens für Kinder und auch für Kraftsport-Anfänger*innen von großer Bedeutung und sollte immer mittrainiert werden.
Video: Koordinationsleiter
9. Kann Krafttraining vermeiden, dass Marathon-Läufer*innen spätestens ab Ü40 aussehen wie verwitterte Lederhandtaschen?
Torsten Danneberg: Ja, denn ab dem 30. Lebensjahr nimmt der altersbedingte Muskelabbau Jahr um Jahr zu. Mittels eines gezielten Krafttrainings förderst du das Dickenwachstum deiner Muskulatur. Die damit einhergehende Zunahme des Muskelquerschnitts hat einen positiven Effekt auf die Körperformung und das Hautbild.
10. Ich mache regelmäßig Stabis, bin bemerkenswert beweglich, habe eine tolle Haltemuskulatur und einen hohen Muskeltonus. Aber: Ich bekomme regelmäßig Hexenschuss. Kann ich dem vorbeugen und wie?
Katharina Hubert: Ist die Haltemuskulatur optimal trainiert, besonders auf die tiefe Rumpfmuskulatur kommt es an, sollte es eigentlich nicht zu einem Hexenschuss kommen. Wichtig ist – besonders wenn man im Winter in der Kälte laufen geht – das Warm-Up vorweg. Also Muskeln warm machen.
Sollte es trotzdem immer wieder passieren, ist es sinnvoll, den individuellen Trainingszustand mit dem*der Trainer*in zu überprüfen. Falsch durchgeführte Kraftübungen beispielsweise können langfristig zum Hexenschuss führen.
Wenn beim Training alles korrekt ist und die Beschwerden bleiben, bedarf es einer weiteren ärztlichen oder physiotherapeutischen Abklärung und Diagnostik, um mögliche Folgeschäden auszuschließen.