Laufen macht nicht nur Spaß, sondern ist auch eine der gesündesten Aktivitäten. Viele Menschen in der Lauf-Community können sich ein Leben ohne ihre Laufroutine kaum mehr vorstellen. Doch ab wann wird das Verlangen zu laufen zu einer Krankheit – und schlägt in eine Sportsucht um? Was macht eine Sucht überhaupt aus? Darüber sprechen wir mit Sportpsychologin Dr. Chloé Chermette.
Sucht – Definition
Sucht ist eine unkontrollierbare Abhängigkeit, sei es von einer Substanz wie Alkohol oder von einem Verhalten wie dem Zocken. Um etwas als Sucht einstufen zu können, gibt es bestimmte Klassifikationssysteme. Die Hauptmerkmale einer Sucht umfassen den Verlust der Kontrolle über das Verhalten sowie eine steigende Toleranz. Diese Merkmale sind eng mit tiefgreifenden Veränderungen im Gehirn eines Süchtigen verbunden. Durch wiederholten Konsum oder bestimmte Verhaltensweisen kommt es zu Umbauprozessen im Gehirn, wodurch es weniger stark auf die Substanz oder das Verhalten reagiert. Das bedeutet, dass der Körper sich an die Substanz gewöhnt und immer größere Mengen benötigt, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Ein weiteres Merkmal ist der Rückzug der Betroffenen aus ihrem Umfeld und Alltag, um der Sucht nachgehen zu können.
Die Entstehung von Suchterkrankungen ist komplex und von vielen Faktoren abhängig. Hierbei spielt die Genetik eine bedeutende Rolle, insbesondere wenn in der Familie bereits Suchterkrankungen vorliegen. Ebenso wichtig ist die Persönlichkeit: Wie gut kann jemand seine Impulse kontrollieren? Oder hat er möglicherweise Schwierigkeiten, mit Stress umzugehen? – erklärt Chloé. Zusätzlich ist auch das soziale Umfeld entscheidend. Wenn Freunde und Familie häufig Alkohol trinken oder andere süchtigmachende Verhaltensweisen zeigen, steigt das Risiko, selbst süchtig zu werden.
Sportsucht
Obwohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Sportsucht bislang nicht als offiziell anerkannte Krankheit einstuft, tritt dieses Phänomen immer häufiger in unserer Gesellschaft auf. Dabei lassen sich drei Haupttypen der Sportsucht unterscheiden: Der Ausdauersport, der oft in Verbindung mit Essstörungen auftritt, der ästhetische Sport wie Fitness und Bodybuilding sowie der Erlebnistyp, der risikoreiche Sportarten bevorzugt.
Doch wie erkennt man eine Sportsucht? Menschen, die davon betroffen sind, kennen oft keine Grenzen und vernachlässigen andere wichtige Aktivitäten und Menschen in ihrem Leben. Der Sport dominiert ihr Dasein und lässt kaum Raum für andere Interessen. Um eine Sportsucht zu behandeln, ist es essenziell, den Körper zu genießen, ohne ständig Höchstleistungen zu fordern. Entspannende Aktivitäten wie Spaziergänge oder Yoga können dabei helfen, ein gesünderes Verhältnis zum Sport zu entwickeln, sagt Chloé. Trainingspläne sind zwar hilfreich für ambitionierte Läufer:innen, jedoch ist es noch wichtiger auf seinen Körper zu hören und auch mal den Trainingsplan ignorieren, wenn der Körper nach Erholung verlangt.
Suchtbekämpfung
Sport kann nicht nur süchtig machen, sondern auch bei der Bekämpfung von anderen Abhängigkeiten helfen. Körperliche Aktivität hat generell positive Effekte. Durch Sport wird das Verlangen nach süchtig machenden Substanzen gemindert, und die Symptome des Entzugs, wie Zittern oder Schlafstörungen, können gelindert werden. Zudem lenkt Sport ab und hilft dabei, neue Wege zur Gefühlsbewältigung zu finden. Daher wird in der Rehabilitation oft auf sportliche Aktivitäten gesetzt, um den Genesungsprozess zu unterstützen. Wenn Sport als Therapie genutzt werden soll, ist eine ärztliche Absprache unerlässlich. Gerade bei bestimmten Abhängigkeiten kann es gefährlich sein, ohne ärztliche Aufsicht zu entgiften. Ein weiterer wichtiger Punkt beim Einsatz von Sport zur Suchtbehandlung ist, dass die gewählte Sportart den Patienten Freude bereitet. Nur so kann die Motivation der Betroffenen aufrechterhalten werden. Neben all dem spielt bei der Suchtbekämpfung die Unterstützung durch Freunde und Familie auch eine wesentliche Rolle. Positives Feedback und Unterstützung können einen bedeutenden Einfluss auf den Genesungsprozess haben und die Betroffenen weiter motivieren, ihren Weg zu gehen und sich von der Sucht zu befreien.
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