Wer sich gesund ernähren möchte, braucht hochwertige Zutaten – und Zeit. Das sagt die US-amerikanische Ernährungsberaterin Stepfanie Romine. Die Buchautorin übers kreative Kochen, das generelle Misstrauen zu Gemüse und vegane Sportler*innennahrung.
Achilles Running: Frau Romine, Sie sagen, man sollte lieber ohne Rezept kochen – aber Sie haben ein Kochbuch herausgebracht. Wie passt das zusammen?
Romine: Ich erhoffe mir, dass die Menschen nicht nur ein Gericht nachkochen, sondern sich trauen, es zu verändern. Wir stellen in unserem Kochbuch viele Basisrezepte vor, die einfach zuzubereiten sind und die man dann nach Belieben aufpeppen kann und soll. Viele Zutaten, die sich geschmacklich ähneln, sind austauschbar, Birnen und Äpfel zum Beispiel oder Brokkoli und Blumenkohl.
Ändern nicht ohnehin die meisten Menschen Rezepte ab?
Ja, aber viele trauen sich nicht, richtig kreativ zu werden, weil sie meinen, dass ihnen das Wissen dazu fehle. Kochbücher sind wunderbar, aber wichtiger ist, dass Menschen lernen, ihren eigenen Fähigkeiten in der Küche zu vertrauen.
“Ich habe nicht das Gefühl, auf etwas zu verzichten”
Sie kochen ausschließlich pflanzenbasiert. Das klingt für viele nicht nach Genuss, sondern eher nach Verzicht.
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich auf etwas verzichte – im Gegenteil. Ich finde es logisch, dass wir Pflanzen, Früchte und Gemüse als Basis unserer Ernährung ansehen – und dem, falls gewollt, Dinge hinzufügen. Und nicht umgekehrt.
Wie stellen Sie sich das genau vor?
Ein Beispiel: Früher gab es bei uns zu Weihnachten immer nur ein oder zwei vegetarische Beilagen. Alles andere war mit Fleisch. Als Veganerin muss ich in so einer Situation immer wieder sagen: “Das kann ich nicht essen.” Und das ist manchmal unangenehm. Man könnte das Ganze auch so angehen: Alles ist erstmal vegetarisch oder sogar vegan. Und dann kann man Käse und Fleisch dazu stellen. So muss keiner auf irgendetwas verzichten.
Was mache ich, wenn ich kein Gemüse mag?
Klar, nicht jeder mag jede Gemüsesorte. Aber es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Eltern ihren Kindern neues Essen öfter als drei- oder fünfmal anbieten sollten, damit diese es probieren und vielleicht auch mögen. Erwachsene sollten sich die gleiche Chance geben.
Ich zum Beispiel mochte nie Sauerkraut. Ich kannte immer nur das eine Gericht: Sauerkraut mit Fleisch und fand, dass es komisch roch. Aber jetzt fermentiere ich selber und liebe Sauerkraut. Man sollte Essen eine zweite, dritte, zwölfte Chance geben. Vor allem, wenn es einen gesundheitlichen Mehrwert hat.
“Wichtig, in Ruhe zu essen”
Aber ich muss mich doch nicht zwingen, etwas zu mögen, was nicht nach meinem Geschmack ist.
Natürlich nicht. Das generelle Misstrauen zu Gemüse und Pflanzen hat ja auch einen evolutionären Hintergrund. Viele Pflanzen tragen Bitterstoffe in sich und bitter bedeutete, dass etwas giftig ist. Aber heute können wir uns umgewöhnen und zum Beispiel den speziellen Geschmack einer grünen Paprikaschote schätzen lernen.
Haben Sie immer Zeit, ausgiebig zu kochen?
Nicht immer. Ich arbeite viel von Zuhause. Manchmal passiert es mir auch, dass ich den ganzen Tag nur snacke oder so lange warte, bis ich super hungrig bin und dann irgendwas zu mir nehme. So sollte es nicht sein. Gut zu essen bedeutet Planung – und etwas Zeit.
Es ist so wichtig, sich für einen kurzen Moment in Ruhe hinzusetzen, weg vom Rechner oder Handy, um eine Mahlzeit mit Freunden oder Kollegen zu genießen. Essen ist mehr als Kalorienzählen oder Treibstoff.
Welches Gemüse ist aus Ihrer Sicht unterschätzt?
Ich bin ein großer Fan von Kohl, der in den USA nicht sehr ernst genommen wird. In Südkorea, wo ich ein Jahr gelebt habe, ist er überall enthalten, in Kim-Chi zum Beispiel*. Weiß- oder Rotkohl ist günstig, leicht zu verarbeiten und hält sich im Kühlschrank für Monate.
Echte Lebensmittel statt abgepackte Nahrung
Ihr Kochbuch ist für Sportler. Müssen Läufer anders essen als Menschen, die Yoga machen?
Nicht unbedingt. Ausdauersportler müssen mehr essen, aber nicht drastisch anders. Langstreckensportler brauchen schnelle oder einfache Kohlenhydrate, also zucker- oder stärkehaltige Speisen, die der Körper leicht verwerten kann. Mein Mann zum Beispiel fährt täglich vier bis acht Stunden Rennrad.Wir essen abends dasselbe, nur er isst dann eben zwei Portionen mit extra Getreide oder Brot. Wenn man pflanzenbasiert isst, kann der Körper die komplexen Kalorien schneller verdauen.
Was ist Ihrer Meinung nach der größte Ernährungsirrtum unter Sportlern?
Es gibt zwei: Erstens, dass viele denken, dass man unendlich viele Proteine zu sich nehmen muss, um ein guter Athlet zu sein. Wir brauchen zwar Proteine, aber sich damit vollzuladen ist nicht der richtige Weg.
Und der zweite Irrtum?
Ich verstehe nicht, warum so viele Sportler, die ihren Trainingsalltag perfekt planen, beim Training oft abgepackte Nahrung wie teure Proteinriegel oder Sportsdrinks zu sich nehmen. Das ist oft pure Chemie. Man kann sie sehr einfach durch echte Lebensmittel tauschen. Datteln etwa ersetzen Gels und Riegel. Reiskekse, Sushi mit Früchten, Hülsenfrüchte, Nüsse – es gibt so viele einfache Alternativen.
Zur Person: Stepfanie Romine ist eine US-amerikanische Ernährungsberaterin, Autorin und Yogalehrerin. Mit dem Ultraläufer Matt Frazier hat sie “No Meat Athlete – das Kochbuch” (Unimedica) geschrieben.