Vielen Menschen fällt das Laufen nicht leicht. Und regelmäßig zu laufen ist noch um ein Vielfaches schwerer! Unsere Redakteurin Anna schreibt über den Aufbau eine Laufroutine.
Laufen ist wie Zähneputzen. Zumindest für waschechte Läufer*innen. Die Frage, ob man es tun sollte, stellt sich ihnen nicht mehr. Es gehört für sie zum Leben, wie Schlafen, Essen und Atmen. Gerne flüstern diese Leuchtgestalten sich Sätze wie „es fühlt sich an als ob ich nie nicht gelaufen bin“ zu.
Als absoluter Lauf-Rookie kann man sich kaum vorstellen, dass diese Lauf-Veteran*innen einmal hier gestanden haben: am Anfang. Aber auch sie haben sich vor langer Zeit das erste Mal die Schuhe – wahrscheinlich zu eng – geschnürt und sind unbeholfen in die Freiheit gestolpert. Und das immer und immer wieder. Bis sie nicht mehr darüber nachdenken mussten, es einfach getan haben. Automatisieren, nennt man das.
Aber genau das fällt vielen schwer. Dranbleiben, obwohl es gerade am Anfang mühselig und nicht besonders befriedigend ist, sich bei dem ganzen alltäglichen Stress auch noch eine weitere Sache aufzubürden. Besonders eine, bei der man sich selbst quälen muss, im Zweifelsfall aufgeriebene Nippel und Versen davonträgt und viel zu viel Geld für das neueste Paar Cabronplatten-Treter ausgibt, die angeblich 4% schneller machen.
Doch es lohnt sich! Wirklich. Besonders für die Gesundheit. Sogar die Wissenschaft sagt, dass Laufen jünger macht. Da drehe ich doch lieber eine Runde, als mir überteuerte Hyalyronsäure-haltige Cremes rituell am Abend ins Gesicht zu schmieren.
Alles was ich brauche: Motivation und Geduld. Aber reicht das? Nein! Es braucht eine Routine – eine LAUFroutine!
Mit Post-It’s zu regelmäßigen Kilometern?
Doch wie schafft man den Sprung von der gelegentlichen Runde zur Routine? Das ist nicht leicht. Ich spreche da aus Erfahrung. Immerhin bin ich schon fünf bis hundertfünfzig Mal kläglich daran gescheitert. Für meinen neuesten Versuch habe ich deshalb keine Kosten und Mühen gescheut und sogar meine Wand zuhause mit drei Post-It’s tapeziert. Jetzt leuchten mir die Worte Auslöser, Gewohnheit und Belohnung auf knalligem Gelb entgegen, wenn ich auf der Toilette sitze. Ist das mein Rezept zur Routine?
Die Macht der Gewohnheit
Ja! Zumindest wenn man Charles Duhiggs Buch „Die Macht der Gewohnheit“ (2013) glaubt. Der Pulitzerpreis Gewinner Duhigg fasst darin wissenschaftliche Erkenntnisse zusammen und beschreibt eine Schleife der Gewohnheit, die aus „Auslöser – Gewohnheit – Belohnung“ besteht.
Ein Auslöser für eine regelmäßige Handlung kann ein bestimmter Ort, eine bestimmte Zeit, ein bestimmtes Ereignis etc. sein. Der Kaffee um 14.30 Uhr, den man sich Mitte des Tages regelmäßig gönnt, ist so eine Gewohnheit. Sie wird durch Uhrzeit und Ort ausgelöst. Die Belohnung ist natürlich das Kaffee-Hoch, mit dem man anschließend durch das Büro schwebt.
Kann man den inneren Schweinehund umprogrammieren?
Mein Plan: Duhiggs Erkenntnisse nutzen, um eine Laufroutine aufzubauen. Heißt, mein Ziel ist es eine zeitliche und räumliche Umgebung zu schaffen, mit der ich meinen inneren Schweinehund hacken kann und ihn so umprogrammiere, dass er mich nicht mehr am Laufen hindert. Sozusagen meinen Körper auf Autopiloten schalten. Das nennt sich – na wer errät es? – richtig! Laufroutine. Um diese aufzubauen folge ich diesen Schritten:
Step 1: Lauftage definieren
Als erstes definiere ich meine Lauftage. Die sollen mein „Auslöser“ werden. Ja, ihr habt richtig gelesen. Ich lege fest, dass ich, wie damals in der Schulzeit, als mein Leben aus einem rigiden Plan aus Schule und Hobbies bestand und mehr oder weniger freiwillig von meinen Eltern geregelt wurde, ich ab sofort am Dienstag und Freitag ins „Training“ gehe werde. Nicht nur das. Ich lege außerdem fest, dass dieses Training um 18.30 Uhr stattfindet. Keine Kompromisse – außer die Berliner Öffis streiken mal wieder.
So stelle ich mich auf meine Runde nach der Arbeit ein, und auch meine Kolleg*innen wissen ab sofort – auch wenn sie den Grund nicht glauben können – dass ich dienstags und freitags spätestens um 17.30 Uhr das Office verlasse. Außerdem weiß ich an diesen Tagen, dass ich ein besonders kohlenhydratreiches Lunch brauche – Energie bekommt man ja nicht von alleine.
Die fünf Minuten vor der Schlafenszeit am Montag- und Donnerstagabend sind seitdem reserviert, um alles vorzubereiten. Zum Beispiel um zu checken, ob die Laufuhr geladen ist oder um meine Playlist aufzufrischen. Ein bisschen Wumms soll schon auf die Ohren. Für die Motivation versteht sich.
Step 2: Laufen gehen – ja, wirklich!
Tja, selbst der ausgeklügeltste Plan, der – sind wir ehrlich – eigentlich auch nur eine Form der Prokrastination darstellt, rettet mich nicht davor das zu tun, wovor ich mich fürchte: zu laufen. Die meisten rollen wahrscheinlich schon mit den Augen. ABER, so banal es klingt, wer eine Laufroutine will, muss laufen. Nicht einmal. Nicht zweimal. Nein! Regelmäßig. Monatelang.
Mein Schlachtplan dabei: langsam anfangen. Mich nicht von der Anfangseuphorie sabotieren lassen. Den Fehler habe ich das letzte Mal gemacht und mir den Muskelkater meines Lebens eingefangen. Schuhe binden war drei Tage unmöglich, die Wadenkrämpfe unerträglich. Nein! Diesmal wird die Handbremse zumindest in den ersten zwei bis vier Wochen angezogen. Das größte Ziel in dieser Zeit ist, mich an die Belastung zu gewöhnen, mich weder zu verletzen und noch krank zu werden.
Step 3: Belohnungen sind der Schlüssel zur Laufroutine
Ich bin gelaufen. Habe mich gequält. Nach der Arbeit. Im Regen. In der Kälte. Das gehört gewürdigt. Her mit der Belohnung. Am besten direkt nach jedem Lauf. Für mich persönlich ist das eine warme Dusche, nach der ich mich in meine Lieblingsdecke einwickele und auf der Couch zu Abend esse. Danach ein Buch oder eine großartige Serie wie Sex Education auf Netflix schauen. Ja, Belohnung muss nicht unbedingt teuer sein.
Wer doch etwas Geld ausgeben will, kann sich eine Zielkilometerzahl setzen, bei der man, wenn sie erreicht ist, sich zum Beispiel ein neues Paar Laufschuhe, Lauf-Tights oder ähnliches gönnt. Meine goldene Zahl sind 200 Kilometer. Dann gibt’s ein neues Paar Tights. Die, die so schön im Dunkeln funkeln.
Step 4: Beharrlich bleiben
Der letzte und wohl härteste Schritt. REPEAT. Einfach immer und immer wiederholen. So lange, bis ich nicht mehr darüber nachdenke, die Laufschuhe wie ferngesteuert schnüre und auch nicht mehr auf die Uhr schaue.
Voilà. Hier ist die Laufroutine. Jetzt muss ich sie nur noch umsetzen *hust*.