Smoothies sollen ja so gesund sein. Aber Achim Achilles tut sich schwer mit roter Bete, Kohlrabi und Rettich – vor allem zum Frühstück. Seine Frau Mona schwört auf zentrifugiertes Grünzeug. Achim aber bekommt nur schlechte Laune.
Heute morgen gab es Apfel, Paprika, Sellerie. Was halt nach einem veganen Wochenende im Kühlschrank schrumpelt. Der bittere Geschmack auf der Zunge hielt bis zum Mittag. Danach war mir schlecht. Seit wir diese Höllenmaschine haben, muss ich dicke Säfte frühstücken – unsere neueste Ernährungsreligion. Ich leide an Honigbrötchen-Entzug.
Aber Mona sagt, diese Smoothies seien gesund, weil Pflanzen gespeichertes Sonnenlicht seien. Kartoffeln auch? Die wachsen doch im Boden. Oder Schwarzwurzeln oder Spargel? Null Sonne gespeichert. Was bewirkt die gespeicherte Langeweile von Brandenburgs Sandboden wohl in meinem Stoffwechsel?
Jedenfalls verlängern sich die Trainingszeiten deutlich, weil so ein Saftfrühstück auf nüchternen Magen ein paar ungeplante Stopps in der Botanik erzwingt, womit immerhin das Wettkampfgewicht optimiert wird. Ja, jede Zelle meines Körpers ist total glücklich. Seit Jahresbeginn habe ich mehrere Lastwagen Grünzeug weggeschreddert.
Erster Warnhinweis: Achtung Monster-Diarrhöe
Rote Bete eignet sich nur bedingt zum Erpressen. Die Knollen sollen ja viel Eisen in sich tragen, aber drumherum klebt leider auch eine feste Schmodderkruste. Schälen? Niemals. Die roten Flossen kriegt man doch frühestens beim nächsten Schwimmtraining wieder sauber.
Im blinden Vertrauen auf die Schleudertechnik unseres Wundergeräts habe ich die Beete natürlich in Gänze in den Stutzen gedrückt. Die gute Nachricht: Schon nach zwei Tagen war die spontane Monster-Diarrhöe wieder verschwunden. Die schlechte: Dieser torfige Pelz klebt bis heute unter der Zunge.
Merkwürdig. Angeblich soll alles Gute – Vitamine, Mineralstoffe und Faserzeug – direkt an oder unter der Schale sitzen. Schäle ich das Häckselgut vorher, fliegt also jener Nährwert in den Mülleimer. Lasse ich die Maschine arbeiten, landet alles außer dem Saft im großvolumigen Auffangbehälter. Kann es also sein, dass vieles von dem, was Obst und Gemüse so wertvoll macht, in Wirklichkeit in der Biotonne und nicht in der stützstrumpffarbenen Flüssigkeit landet?
Aber was schmeckt dann so muffig? Vielleicht die Pestizide, die die Maschine fein säuberlich von der Schale abgehobelt hat? Oder die Koli-Bakterien von dem Menschen, der das Gemüse breitflächig angehustet hat, zwei Minuten bevor ich den Laden betrat? Ich werde die Restbestände keltern. Wenn der Russe aus Kartoffeln Schnaps hinkriegt, werde ich aus biologischem Edelgemüse ja wohl allemal einen spitzenmäßigen Öko-Trester gebrannt bekommen, Marke “Kompost Cuvée”.
Zweiter Warnhinweis: Was nicht geht
Nichts schreddern, was auch sonst nicht schmeckt. Aus Fenchel oder gar Aubergine macht selbst die beste Saftpresse keine Leckerei. Widerliches Gemüse bleibt auch zentrifugiert widerliches Gemüse. Selbst der ölpestfeste Schaum obenauf ist kein positives Aromasignal. Statt Zucchini-Zadder lieber eine Ovo-Lakto-Latte anrühren. Die schmeckt auch nicht.
Um dem Aroma aufzuhelfen, stattdessen Serviervorschlag eins befolgen: immer einen ordentlichen Zapfen Ingwer mit hinein. Ingwer ist das Maggi der “Generation Ente kross” und zaubert an jedes Gericht diesen unverwechselbaren Meta-Geschmack, der alle anderen Aromen niedertritt.
Warnhinweis drei: Auf Ästhetik achten
Unbedingt blickdichte Trinkgefäße verwenden. Was sich bei Damenstrümpfen bewährt hat, kann für den Drink aus Heimarbeit nicht verkehrt sein. Die Wolken und Schlieren im Pressgut mögen ja wissenschaftlich hochinteressant sein, ästhetisch sind sie ein Graus. Der größte Reinfall bisher war ein Kohlrabi-Rettich-Spinatblatt-Blend, den ich “Spätherbst der Verwesung” getauft habe.
Annas selbsterfundenes Smoothie-Rezept
Zahnarzttöchter mit Pilates-Hintergrund
Warum muss unsere Gesellschaft heute eigentlich alles selber machen? Zahnarzttöchter mit Pilates-Hintergrund stricken auf einmal Überzieher für Straßenpoller, die Nachbar*innen links bauen Tomaten auf dem Balkon an, die Nachbar*innen rechts backen ihr eigenes Brot.
Das Ergebnis des Selbermach-Wahns ist überall dasselbe: Es dauert ewig, es kostet ein Vermögen, es schmeckt nicht und sieht meist eklig aus. Dafür kriegt man pausenlos von dem Zeug geschenkt und muss sich freuen, wegen der Individualität. Nie schenkt mir jemand Burger-Gutscheine.
Letzter Warnhinweis: Die Gemüseschleuder sofort nach Gebrauch reinigen, was ich neulich in der Eile des Morgens leider vergessen hatte. Geht ja eigentlich ratzfatz, wenn man der Bedienungsanleitung glaubt und schon mal mit verbundenen Augen ein Atomkraftwerk demontiert hat.
Ein Ideechen Ingwer
Belässt man den Öko-Auswurf dagegen im Gerät, fangen die Mikroorganismen spätestens am dritten Tag an, die Schleuder wegzutragen. “Sporen!”, schreit Mona. Na und? Wir wären froh gewesen, wenn wir wenigstens Erreger gehabt hätten, damals.
Fazit: Am liebsten mag Mona morgens geschleuderte Äpfel, mit einem Ideechen Ingwer. Dafür stehe ich doch gern eine halbe Stunde früher auf, auch wenn mir Fachleute neulich im Vertrauen berichtet haben, dass man Äpfel jetzt tatsächlich auch fertig gepresst kaufen kann, sogar in Flaschen.
Das Zeug heißt angeblich Apfelsaft, kostet einen Bruchteil, ist schneller im Glas und würde sogar nach Ingwer schmecken, riebe ich zärtlich einen Hauch der scharfen Wurzel hinein. “Nichts da”, befiehlt Mona, “wir machen unseren Saft selber.” Natürlich Schatz. Und nächste Woche fange ich mit dem Gewächshaus im Keller an.