Frauen können nicht alleine laufen. Nicht mit Kopfhörern. Besonders nicht im Dunkeln. Nie ohne Handy. Zumindest nicht, ohne die Frage der Sicherheit mitzudenken. Das sollte so nicht sein. Wir sagen euch, wie Männer helfen können, damit sich Frauen beim Laufen wohler fühlen.
Wenn man diversen Listen glaubt, ist der beste Tipp für mehr Sicherheit für Frauen: Entweder: nicht alleine zu laufen, sich zu bewaffnen (“Pfefferspray”) oder es einfach ganz zu lassen.
Viele Frauen kennen diese Listen schon seit ihrer Kindheit in und auswendig. Als Frau aufzuwachsen bedeutet, sich immer dessen bewusst zu sein, das man Opfer sexualisierter Gewalt werden kann.
Jede zweite Frau wurde schon belästigt
Aber woher kommt eigentlich die Vorstellung, dass Frauen beim Laufen besonders bedroht sind? Immerhin ist statistisch gesehen die größte Gefahr für Frauen in Deutschland immer noch häusliche Gewalt. Also nicht der unbekannte Vergewaltiger, der im Gebüsch lauert.
Trotzdem wird medial immer wieder suggeriert, dass Frauen besonders beim Laufen bedroht sind. Geschichten von vergewaltigten und getöteten Jogger*innen sind mit einer erschreckenden Regelmäßigkeit deutschlandweit zu lesen. So etwas beeinflusst Wahrnehmung. So etwas macht Angst. Hinzu kommt, dass fast die Hälfte der in Deutschland lebenden Frauen schon einmal sexuell bedrängt oder belästigt wurde. Das ist jede zweite Frau!
Ein großes Problem: Nicht jedem Menschen ist bewusst, wo sexuelle Belästigung anfängt. Aber erschreckend viele Frauen berichten von unangenehmen Situationen, die von mindestens störend oder nervig bis unangemessen oder gar kriminell reichen.
Wer sich um die eigene Sicherheit sorgt, hat weniger Spaß am Laufen
Vor diesem Hintergrund können ungewollte Komplimente und Annäherungsversuche gerade für Frauen bedrohlich wirken. Sie sind wie ständig hoch ploppende Notifications, die uns andauernd daran erinnern, dass wir in erster Linie als Objekte in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Sie bestimmen, welche Routen für den nächsten Long-Run gewählt werden, zu welcher Uhrzeit alleine laufen noch möglich ist. Sie schränken ein, ändern unser Verhalten.
Natürlich wird nicht jede Läuferin bei jedem Lauf mit ungewollter männlicher Aufmerksamkeit überschüttet oder sexuell belästigt. Und natürlich hat nicht jede Läuferin Angst davor, bei ihrem nächsten Lauf vergewaltigt und ermordet zu werden. Trotzdem prägen solche Erfahrungen und die mediale Obsession mit weiblichen Opfern das Verhalten von Läuferinnen. Außerdem beeinträchtigen sie das Lauferlebnis. Gerade wenn man alleine unterwegs ist.
Die Art der Tiefenentspannung, die viele Laufende suchen, ist schwer zu erreichen, wenn man sich ständig um die eigene Sicherheit sorgt. Es ist zum Beispiel anstrengend, ständig die Straßenseite zu wechseln, um die ungewollten Annäherungsversuche und sinnlosen Kommentare von Männern zu meiden. So kann der abendliche Run in der Nachbarschaft schnell zum ungewollten Hindernislauf werden. Unter diesen Vorzeichen ist es schwierig abzuschalten und einen Rhythmus zu finden. Das ist frustrierend und kann sogar den Spaß am Laufen nehmen.
Frauen haben also schon genug damit zu tun sich, um die eigene Sicherheit zu kümmern. Deshalb haben wir keine weitere Liste für sie erstellt. Wir wollen zur Abwechslung mal die Herren der Schöpfung in die Verantwortung nehmen und zeigen, was sie tun können, um es Frauen etwas leichter zu machen. Bevor ihr jetzt pauschal alles ablehnt, lest gerne bis zum Ende. Kostet auch nichts. Versprochen.
Wie ihr Frauen unterstützen könnt, sich beim Laufen wohler zu fühlen – eine unvollständige Liste
1. Höre zu! Zeige Verständnis
Einfach zuhören. Nein, Frauen brauchen nicht deinen ungefragten Input und wollen deine Meinung zum Thema Flirtverhalten beim Sport hören. Sie brauchen auch keine Erörterung unter den Headlines „Sei nicht so empfindlich“ oder “So schlimm war das doch nicht”. Deine Meinung ist hier fehl am Platz, da du als Mann nicht wissen kannst, wie sich das anfühlt.
Wenn dir eine Freundin erzählt, dass ihr jemand „Geiler Arsch“ hinterher gerufen hat oder auf eine andere Weise übergriffig wurde, höre zu, zeig Verständnis, frage sie, wie du ihr am besten helfen kannst. Ungefragte Tipps sind an dieser Stelle übrigens auch fehl am Platz. Bis dahin hat sie sich garantiert schon lebhaft ausgemalt, wie sie das nächste Mal reagieren will. Sie braucht also auch keine Empfehlung eines Selbstverteidigungskurses bei dir um die Ecke. Was sie braucht ist Trost, Verständnis und Zuwendung – einfach eine Person, die zuhört, ohne gleich zu bewerten.
2. Kommentiere das Aussehen von Frauen beim Laufen nicht
Mache Frauen keine „Komplimente“ oder rufe ihnen etwas hinterher, wenn sie laufen sind – nein, auch nicht, wenn du meinst, es sei Liebe auf den ersten Blick.
Ja, es ist schwer. Ja, wir hören das hallende „Was darf man denn eigentlich noch sagen?“ oder die genauso uncharmante Variation “Darf man nicht mehr nett sein und Komplimente machen?”. Und nein, es ist immer noch nicht in Ordnung. Vor die Türe zu gehen oder eine Lauftight zu tragen ist noch lange keine Anmeldung bei Tinder.
3. Biete deine Hilfe an
Wenn du siehst, dass eine Frau von einem oder mehreren Männer ungewollt angemacht wird, steh ihr zur Seite. Frage sie, ob sie Hilfe braucht und biete deine Hilfe an. Sag, den Typen dass das nicht in Ordnung ist.
Nicht nur, damit sie darüber nachdenken. Frauen wird gesellschaftlich ständig suggeriert, dass sie dieses Verhalten einfach hinnehmen müssen. Es ist hilfreich, von einer außenstehenden Person zu hören, dass solche Annäherungsversuche nicht akzeptabel sind.
4. Setze dich für Frauen ein, auch wenn keine anwesend sind
Sei mutig und sag auch deinen Buddies, wenn ihr unter euch seid, dass frauenfeindliche Witze zum Beispiel nicht in Ordnung sind. Das ist nicht leicht. Gruppenzwang ist ein echtes Problem und am Ende dankt es dir oft niemand, weil es keine Zeug*innen deiner guten Tat gibt. Vielleicht musst du dir auch den ein oder anderen Spruch deiner männlichen – machmal sogar deiner weiblichen – Kolleg*innen anhören.
Trotzdem ist es wichtig, dass du genau in solchen Momenten den Mund aufmachst und dich für Frauen einsetzt. Denn “Locker Room Talk” – also frauenfeindliches Verhalten und Gespräche unter Männern – sind ein echtes Problem. Solche Gespräche schaffen einen unterschwelligen gesellschaftlichen Konsens, der vorgibt, dass es grundsätzlich in Ordnung ist, schlecht über Frauen zu sprechen und festigen ihre gesellschaftliche Wahrnehmung als Objekte. Das wiederum kann übergriffiges Verhalten zur Folge haben.
Also sei genau in solchen Situationen der Feminist, den du gerne auf Instagram mimst. Und wenn du von deinen Buddies gedisst wirst, denk dran: Not all Heroes wear Capes.
5. Überhole Frauen, die alleine laufen
Wenn eine Frau alleine läuft und du das Gefühl kriegen könntest, dass sie dich als Bedrohung wahrnehmen könnte, überhole sie lieber oder wechsle die Straßenseite. Laufe auf keinen Fall nah in ihrem Windschatten. Das kann bedrohlich auf sie wirken. Wenn du rasch und mit Abstand an ihr vorbeiläufst, fühlt sie sich sicherer und nicht verfolgt.
6. Zieh ein T-Shirt an
Wahrscheinlich der kontroverseste Punkt auf dieser Liste. Zuerst solltet ihr aus Solidarität darauf verzichten, oben ohne zu laufen. Leider sind weibliche Brüste immer noch so sexualisiert, dass topless Running, also Laufen ohne Oberteil, selbst für die Frauen unmöglich ist, die das gerne tun würden. Fun-Fact: Auf der Fusion gilt schon seit einigen Jahren das Motto “No Shirt, No Service”. In vielen Fitness-Studios verbietet der Dress-Code sogar ärmellose Shirts.
Außerdem können Männer, die oben ohne unterwegs sind, schnell bedrohlich wirken. Für viele, übrigens nicht nur für Frauen, ist das unangenehm und die Allgemeinheit verzichtet gerne auf den Anblick deines Astralkörpers.
There, I said it.
Mehr zum Thema sexuelle Belästigung im ACHILLES RUNNING Podcast
Du möchtest dennoch mehr über Selbstverteidigung hören – beim Sport und im Alltag. Dann höre den Podcast von ACHILLES RUNNING.
In unserer aktuellen ACHILLES RUNNING Shorts Podcastfolge sprechen wir über die Sicherheit von Frauen beim Laufen. Jedoch soll es hierbei nicht um die Frauenperspektive, sondern darum gehen, wie ihr Männer uns Frauen beim Laufen unterstützen könnt. Denn nur gemeinsam können wir sexuelle Belästigung beenden!
Den Podcast gibt es natürlich auch bei Apple Podcast und Spotify. Mehr Podcast gibt es hier.