Die kleine Kobra, der herabschauende Hund – oder doch eher das gestrandete Walross? Yoga ist bei Schwangeren beliebt. Auch Achilles Running – Redakteurin Ellen-Jane will sich so fit halten und im anstrengenden Schwangerenalltag Ruhe und Kraft tanken. Doch die Angst lässt sie nicht los.
Es riecht nach Räucherstäbchen, im Hintergrund läuft sphärige Entspannungsmusik – und mir tropft der Angstschweiß auf die Yogamatte.
Schwangerschafts-Yoga ist eine herrliche, wenn auch teils grausame Erfindung. Ein Haufen Frauen mit Bauchrundungen verschiedenster Ausbeulungsstufen trifft sich regelmäßig, um die Übungen einer meist gertenschlanken Yoga-Lehrerin nachzuturnen; möglichst ohne umzufallen. Stichwort: veränderte Körperschwerpunkt.
Doch wie schlau ist es wirklich, so viele Verdauungsprobleme in einem Raum zu ballen? Zu Beginn der Schwangerschaft bringen Hormone die Gedärme in Aufruhr und später ist schlichtweg kein Platz mehr im Bauch für die ungestörte Verarbeitung von Speiseresten. Ein Rezept für gasige Katastrophen.
Aber das muss für das größere Wohl ignoriert werden. Yoga soll schließlich all das bewirken, was der schwangere Körper braucht: kräftigen, dehnen, entspannen und auf die Geburt vorbereiten.
“Durch die yogische Atmung und das Dehnen der Muskeln erlangt die schwangere Frau mehr Körperbewusstsein und Kontrolle über ihre Muskeln, auf die sie in der Geburt zurückgreifen kann. Viele der Haltungen im Yoga ähneln denen, die Schwangere in den Wehen instinktiv einnehmen, vor allem beim Loslassen und Öffnen im Becken.” So der Arbeitskreis Sport und Schwangerschaft der Deutschen Sporthochschule Köln auf seiner Website.
Sonst bin ich eher Typ Läuferin, aber das klappt in der Schwangerschaft bei mir nicht ganz so gut. Um nicht zu sagen: gar nicht. Als sportliche Alternative kam mir Yoga in den Sinn. Und ich war ganz heiß darauf, zu sehen, mit welchen Übungen ich meine inneren weiblichen Urkräfte wecken kann – hoffentlich ohne all zu esoterisches Schali-Schala und dreistimmigen Kehlkopfgesang.
Schwangerschafts-Yoga ist herausfordernd, vor allem für den Kopf
Dass Schwangerschafts-Yoga herausfordernd ist, vor allem für den Kopf, lernte ich schon in der ersten Stunde. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, einen verdammt flachen Bauch zu haben.
Und es war nicht ansatzweise so cool, wie ich es mir gewünscht hätte. Im Gegenteil. Statt mich meiner vergleichsweise schlanken Taille zu erfreuen, fühlte ich mich schäbig und unwürdig – wie eine Betrügerin.
Kugeln, Kugeln überall wo ich auch hinsah – das reinste Bällebad. Beim Gang zur letzten freien Matte drückte ich mich ins Hohlkreuz und schob die Plauze raus, so weit es ging. Keine Chance: Mein Bauch war mit Abstand der kleinste. Wie das Mädchen in der 9. Klasse, dem als letztes Oberweite wuchs, setze ich mich verschämt auf meinen Platz.
Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal ein Sofakissen unter dem Top verstecken.
Kleiner Tipp am Rande: Einer Schwangeren zu sagen: “Man sieht ja noch gar nichts” ist eine unglaublich dämliche Idee. Lasst es einfach. Die Frühschwangerschaft ist bei den meisten Frauen nicht nur geprägt von Übelkeit, sondern auch von Unsicherheit.
Von Brechreiz, Verstopfung und anderen unschönen Begleiterscheinungen abgesehen, fühlen wir nichts von dem Wesen in uns.
Wäre da nicht dieses Gummibärchen auf dem Ultraschall-Ausdruck, könnten wir genauso gut nicht schwanger sein. Oder was ist, wenn das Gummibärchen aufgehört hat, sich zu entwickeln? Und der Bauch deshalb erst so kümmerlich rundet?
Auch später: Einfach den Kommentar verkneifen. Nicht jede Schwangere sieht im siebten Monat so aus, als habe sie einen Basketball verschluckt. Sprüche wie ?Bist du sicher, dass du schwanger bist und nicht einfach zu viel Torte gefressen hast?? sind wenig erbaulich.
(Dass gegensätzliche Anmerkungen wie “Du platzt ja gleich” oder “Das müssen doch mindestens drei sein?” ebenso wenig erwünscht sind, versteht sich.)
“Arschmalerei” lockert die Wirbelsäule
In der zweiten Stunde habe ich mich ein wenig an mein bauchloses Schicksal gewöhnt und versuche mich frei von Schwangerschafts-Hochstapler-Gefühlen dem Flow hinzugeben.
Im Vierfüßlerstand, also auf den Knien und Händen, sollen wir unsere Hüften intuitiv kreisen lassen. Die Hilfestellung der Trainerin: “Stellt euch vor, ihr hättet am Steißbein einen Pinsel und würdet damit Kreise in die Luft zeichnen”.
Klingt komisch, tatsächlich hilft diese “Arschmalerei” wie eine Kursteilnehmerin die Übung umtaufte, herrlich, die Wirbelsäule zu lockern und entspannen. Was sich noch nicht recht entspannen will, ist mein Kopf.
Die Füße und Hände am Boden, den Hintern in die Höhe gereckt und die imaginäre Mini-Kugel am Oberschenkeln angedockt, verharre ich im herabschauenden Hund. Meine Gedanken wandern zur netten Dame hinter mir.
Ich hoffe, sie unterhält sich auch ?danach? noch mit mir über Wetter und das Klavierspiel der Nachbarn über dem Studio. Denn es wird passieren. Unaufhaltsam windet sich das übelriechende Unheil durch meinen Darm – der Pups kommt gewiss. Die Frage ist nur: Wann?
Doch das Wunder geschieht: Die Pose wird aufgelöst und die Yoga-Lehrerin weist uns an, einen rückenschonenden Kissenberg für Shavasana, die Schlussentspannung, aufzubauen. Ich nutzte die Unterbrechung der Bewegungsflüsse, um aufzuspringen und zur Toilette zu sprinten. Nicht alleine.
An der Türe pralle ich in meiner blinden Hast mit zwei anderen Kursteilnehmerinnen zusammen. Plötzlich donnert es durch den Raum. Er ist raus. Nicht nur meiner. Es ist eine regelrechte Pups-Symphonie. Betretene Stille ? gefolgt von atemlosen, glucksenden Gelächter. Ich fühle mich endlich frei ? und entspannt. Herrlich dieses Yoga.
Und was habe ich daraus gelernt? Für alles gibt es eine Zeit. Für den wachsenden Bauch, für die langersehnte Entspannung – ohne Druck, etwas darstellen zu müssen. Und auch eine Zeit ohne Druck im Darm. Also für dich, lieber Pups.