Carola Fekter alias “Aerial Spartan” hat zwölf Marathons in zwölf Monaten absolviert. Einige davon schwanger. Wie das lief, was sie anderen Schwangeren raten würde und weshalb das Bauchgefühl so wichtig ist.
Während früher davon abgeraten wurde, sich in der Schwangerschaft körperlich anzustrengen, weiß man heute, dass moderater Sport in der Schwangerschaft sehr positive Auswirkungen auf Mutter und Kind haben kann.
Laut dem American College of Obstetricians and Gynecologists reduziert sportliche Aktivität in der Schwangerschaft das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes, Präeklampsie (“Schwangerschaftsvergiftung”) mit Bluthochdruck und Wassereinlagerungen und Kaiserschnittgeburten. Eine Studie aus Europa hat gezeigt, dass Sport während der Schwangerschaft im Schnitt auch zu einer kürzeren Geburtsdauer führt.
Aerial Spartan im Achilles Running Podcast
Wenn man vor der Schwangerschaft regelmäßig gelaufen ist, kann man oft auch während der Schwangerschaft noch eine Zeit lang laufen, auch wenn man die Umfänge und Geschwindigkeiten reduzieren muss – aber das merkt man selbst schnell.
Viele von uns ambitionierteren Hobby-Sportlerinnen fragen sich, wie es mit Wettkämpfen aussieht.
Wir werden ja auch nicht unbedingt gleich schwanger, wenn wir anfangen an der Baby-Produktion zu arbeiten – während dieser Zeit vorsichtshalber auf alle Wettkämpfe verzichten, ist doch doof.
Oder die Läuferin wird schneller schwanger als geplant, und der Wettkampf steht schon vor der Tür. Was dann?
Ein Wettkampf mit blindem Passagier
So war es auch bei mir, als ich in 2018 zwölf Marathons in zwölf Monaten gelaufen bin. Ich hatte nicht damit gerechnet, schwanger zu werden. Und doch habe ich eine Woche nach Marathon Nummer Zehn in Berlin feststellen müssen, dass ich diesen nicht alleine, sondern schon mit einem kleinen blinden Passagier im Bauch gelaufen bin.
Meine ersten Gefühle auf diese Neuigkeit waren durchaus gemischt. Einerseits war da die Freude über das Wunschkind. Aber auch die Angst, dass ich mein Herzensprojekt der zwölf Marathons in einem Jahr nicht würde abschließen können.
Denn die eine große Fragen hatte ich mir noch nie gestellt: Kann ich schwanger einen Marathon laufen?
Klar, habe ich sofort recherchiert. Es stellte sich heraus, dass es einige Frauen gab, die einen Wettkampf schwanger absolviert hatten. Der bekannteste Fall ist wahrscheinlich Serena Williams, die 2017 die Australian Open gewann, als sie in der achten Wochen schwanger war (und das erst zwei Tage vor dem Turnier herausgefunden hatte).
Aber ich war und bin keine Spitzensportlerin, und da jede Schwangerschaft individuell ist, musste ich das Thema mit mir persönlich klären. Ich kam auf die folgenden Fragen, um herauszufinden, ob ich einen Marathon in der Schwangerschaft laufen kann:
Was sagt mein Frauenarzt zum Laufen in der Schwangerschaft?
Auch wenn man mittlerweile Sport in der Schwangerschaft durchaus empfehlen kann, gibt es doch einige Gründe, warum der Arzt ein Sportverbot erteilen kann. Beispielsweise eine tief liegende Plazenta (Placenta previa) oder ein sich vorzeitig öffnender Muttermund.
Auch wenn man an starker Übelkeit mit schwerem Erbrechen leidet, sollte man auf einen anstrengenden Wettkampf verzichten. Das Risiko für Dehydrierung ist einfach zu groß.
Mein Arzt versicherte mir aber auch, dass Sport am Anfang der Schwangerschaft keineswegs generell zu einem höheren Fehlgeburtsrisiko führt. Wenn man allerdings schon mehrere Fehlgeburten und Risikoschwangerschaften hatte, erteilt der Arzt auch hier ein Laufverbot, um auf der sicheren Seite zu bleiben.
Ich hatte Glück, bei mir gab es keine Einwände.
Wann ist der Wettkampf?
Der Zeitpunkt des Wettkampf ist wahrscheinlich der wichtigste Einflussfaktor, ob man ihn laufen kann. Je später, desto größer ist die Unsicherheit, was alles noch passieren kann, und ob man sich dann auch noch gut fühlt. Allerdings kann auch ein ganz früher Wettkampf nicht ideal sein.
Im ersten Trimester: Übelkeit und Müdigkeit
Gerade die ersten Wochen der Schwangerschaft sind oft die schwierigsten. Einerseits ist das Risiko für Fehlgeburten relativ hoch, andererseits leiden viele Frauen an Übelkeit und Müdigkeit. Aber mit jeder Woche sinkt das Fehlgeburtsrisiko (speziell ab dem Zeitpunkt, wo der Herzschlag des Kindes auf dem Ultraschallbild sichtbar ist), und bei vielen Schwangeren nehmen die anderen Symptome auch schrittweise ab.
In dieser Phase der Schwangerschaft einen (Halb-)Marathon zu laufen, mag für einige Frauen absolut unmöglich sein, da bei ihnen alleine der Gedanke an Gel und Elektrolytgetränke Übelkeit auslöst, und sie sich vor lauter Müdigkeit kaum aus dem Bett bewegen können. Andere wiederum haben fast gar keine negativen Symptome und können ganz normal weiterlaufen wie bisher.
Im zweiten Trimester: Energie und Pinkelpausen
Im zweiten Schwangerschaftsdrittel kommt in der Regel die Energie zurück, und oftmals läuft es mit dem Sport auch besser als vorher. Ein weiterer Pluspunkt ist natürlich, dass man noch nicht so viel an Gewicht zugenommen hat, und sich noch gut bewegen kann.
Allerdings kann das Training auch immer schwerer fallen, da man das Ziehen der Mutterbänder im Unterleib spürt. Und wahrscheinlich muss man die Läufe öfter unterbrechen, um kurz hinter einem Busch eine Pinkelpause zu machen.
Im dritten Trimester: Zusatzgewicht und Senkwehen
Im letzten Drittel der Schwangerschaft einen (Halb-) Marathon zu laufen ist auch nicht gerade einfach. Das Tempo wird langsamer, die Trainingsläufe kürzer. Die Gelenke und Sehen schmerzen immer mehr, da sich das zusätzliche Gewicht bemerkbar macht und sich der Körperschwerpunkt verändert. Der Körper schüttet Hormone aus, um alles für die Geburt „weicher“ zu machen. Außerdem beginnen nun schön langsam die Übungs- oder Senkwehen, die teilweise sehr unangenehm sein können.
Ich gehörte zu den glücklichen Schwangeren und konnte am Anfang wie geplant weiter trainieren, da ich von wenig Übelkeit geplagt wurde. Aber mit der Zeit spürte ich, dass zusätzliche Gewicht schon sehr. Die Mutterbänder zogen meinen Bauch gefühlt nach unten – was half, waren Bauchbänder zur Stütze. Trotzdem: Im letzten Drittel der Schwangerschaft, waren daher kaum noch Läufe über sechs Kilometer möglich.
Wie läuft das Training?
Wer einen (Halb-)Marathon in der Schwangerschaft laufen möchte, sollte sich ohnehin die Frage stellen, ob der Körper wirklich darauf vorbereitet ist. Und damit sind weniger die harten Tempoeinheiten gemeint als eine gute Basis an gelaufenen Kilometern pro Woche.
Denn gerade in der Schwangerschaft steigt das Risiko für Überbelastungsverletzungen noch einmal an. Wer also noch keine hohen Kilometerumfänge und lange Läufe in den Beinen hat oder noch nie einen (Halb-)Marathon gelaufen ist, sollte das nicht während der Schwangerschaft zum ersten Mal angehen.
Wenn man allerdings eine gute Trainingsbasis besitzt, schon Wettkampferfahrung hat und auch weiterhin in der Lage ist, gut zu trainieren, kann man das Projekt (Halb-)Marathon in der Schwangerschaft durchaus angehen. Das hat auch mein Doc bestätigt.
Kann ich mein Ego ausschalten?
Sich bei einem Wettkampf anzumelden, bedeutet oft auch, eine gewünschte Zielzeit im Kopf zu haben. Ein (Halb-) Marathon während der Schwangerschaft ist aber sicher nicht die Gelegenheit, um eine neue Bestzeit aufzustellen. Auch wenn man vorher Wochen dafür trainiert hat.
Denn Überanstrengung und Überhitzung können gerade in der Schwangerschaft gravierende negative Auswirkungen auf den Fötus haben.
Und meistens wird man körperlich gar nicht die Leistung bringen können, die man vor der Schwangerschaft gewöhnt war. Ein Baby zu produzieren, ist ja schon eine Höchstleistung an sich.
Wenn man also wirklich schwanger einen Marathon laufen möchte, sollte man es im Wettkampf und im Training gemütlich angehen. Das bedeutet nicht, dass man nicht auch mal kurzzeitig in höhere Pulsbereiche kommen darf. Aber man sollte nie über sein Limit gehen, immer ausreichend trinken und natürlich auch ausreichend (Pinkel-) Pausen einlegen.
Das Ego für die letzten Rennen hintenanzustellen war kein großes Problem für mich. Mein 12-Marathon-Projekt war sowieso ein Projekt, das von Anfang an nicht auf Bestzeiten ausgelegt war.
Mir macht es einfach viel mehr Spaß, gemütlich einen Marathon zu laufen, viele Selfies zu machen und die Stimmung an der Strecke zu genießen, als mich für eine neue Bestzeit zu quälen. Und auch im Training störte es mich nicht, mehr Schneckentempo als Intervalle zu laufen.
Wie fühle ich mich dabei?
Das ist wohl die wichtigste Frage, die man sich stellen muss, wenn man einen Wettkampf während der Schwangerschaft laufen möchte. Ich denke, wir Schwangeren entwickeln eine enorme Intuition für unseren Körper und unsere Kinder, und auf diese sollten wir auch hören.
Auch wenn alle anderen externen Faktoren dafür sprechen, sollte man keinen Marathon in der Schwangerschaft laufen, wenn man sich nicht danach fühlt. Das eigene Bauchgefühl ist immer noch das wichtigste Entscheidungskriterium. Denn selbst wenn alles gut geht, und man den Wettkampf finisht, hatte man sicher keinen Spaß dabei.
Wichtig ist, sich nicht unter Druck setzen zu lassen, egal in welche Richtung, und egal von wem.
Ich habe jedenfalls auf meinen Bauch (und den kleinen Zwerg da drinnen) gehört und die Antwort war für mich klar und deutlich: Lauf, Mama!
Ja, ich bin schwanger Marathon gelaufen
Ich war also nicht nur unbewusst schwanger Marathonläuferin. Zusätzlich habe ich im ersten Schwangerschaftsdrittel noch zwei weitere Marathons sowie die Obstacle Course Racing World Championships und ein 24-Stunden-Hindernisrennen gefinisht. Allerdings sehr, sehr gemütlich.
Im sechsten Monat bin ich noch einen Schneckentempo-Halbmarathon mit meinem Vater gelaufen, den er sich zum 70. Geburtstag gewünscht hatte.
Ich hatte nie Zweifel, dass ich das schaffen könnte. Einerseits war mein Körper durch das hohe Trainingspensum an die Belastung gewöhnt, andererseits hatte ich eine komplikationslose Schwangerschaft. Und ich hatte kurz nach dem Berlin-Marathon auf dem Ultraschallgerät beim Frauenarzt schon den Herzschlag meines Kindes gesehen. Und da wusste ich, dass mein Baby unbedingt bei mir bleiben und mitlaufen will.
Ich hatte das große Glück, dass der Kindsvater auch dieser Meinung war, und mich gleich von Anfang an unterstützte. Er war auch der Einzige, der von der Schwangerschaft wusste, bis das 12-Marathon-Projekt beendet war.
Aber auch danach waren die Reaktionen meiner Familie, meiner Freunde und auch auf Social Media sehr positiv. Die Meisten fanden es super, dass ich in der Schwangerschaft aktiv und sportlich geblieben bin.
Der Einzige, der nicht begeistert über das Laufen in der Schwangerschaft war, war mein Vater. Klar, immerhin ging es für ihn um die einzige Tochter und sein erstes Enkelkind. Deshalb freute ich mich besonders, dass er zu seinem 70. Geburtstag mit mir und seinem (ungeborenen) Enkelkind einen Halbmarathon gelaufen ist. Und ich gebe zu, er war schneller als ich.
Wie es mit seither mit dem Laufen während und nach der Schwangerschaft ergangen ist, kannst Du in meinem Blog oder auf meinem Instagram Account verfolgen.