Schlafen ist wunderschön – und so wichtig. Im Achilles-Running-Interview schildert Schlafforscher Jürgen Zulley, warum ein Mittagsschlaf die Leistung fördert, Sportler*innen besser nachmittags trainieren und eine kurze Nacht sogar schneller macht.
Achilles Running: Herr Zulley, richtiges Schlafen macht klüger, gesünder, hält schlank, verbessert die Leistung – und das alles, ohne dass wir was tun müssen. Kaum zu glauben …
Jürgen Zulley: Es kann sogar noch mehr: Schlafen macht auch schön (lacht). Der äußere Eindruck eines*r Schlafenden täuscht nämlich: Schlaf ist kein passiver Zustand, sondern ein hochaktiver Prozess. Nur werden sozusagen Tür und Tor nach außen zu gemacht und drinnen wird gearbeitet. Und es passiert viel. Wir verbrauchen zum Beispiel im Schlaf genauso viel Energie wie im Wachzustand.
Kann man durch Schlafen die sportliche Leistung verbessern?
Ja, da ist vor allem das Timing und die Qualität wichtig. Man muss wissen: Es gibt biologische Rhythmen und innere Uhren, welche die Zeitpunkte festlegen. Wir sind biologisch programmiert. Die*der durchschnittliche Deutsche schläft etwa von 23:04 Uhr bis 6:18 Uhr.
Das ist in etwa auch die Zeit, in der Nachtschlaf erholsam ist. Wichtig ist vor allem, dass Regelmäßigkeit hilft, den Schlaf zu verbessern. Wenn also jemand gewohnt ist, um 23 Uhr ins Bett zu gehen, verschlechtert sich der Schlaf eher, wenn sie*er zwei Stunden früher oder später schlafen geht. Die Schlafdauer kann variieren, schließlich gibt es Kurz- und Langschläfer*innen.
Macht Schlafen auch schneller oder ausdauernder?
Es stärkt die Muskelkraft, verbessert unsere Reaktionsschnelligkeit und optimiert unsere Bewegungsabläufe. Außerdem verbessert es unsere Gesundheit ganz allgemein. Daraus kann man wohl mit Recht schließen, dass Sportler*innen neben ihrem Training vor allem auf ihren Schlaf achten sollten. Wir sind Rhythmuswesen und benötigen neben der Aktivität auch die Ruhephase.
Gibt es aus Sicht der Schlafforschung einen optimalen Zeitpunkt für Sport?
Ja, grundsätzlich der Nachmittag. Sportliche Übungen, die man am Nachmittag durchführt, haben den besten Trainingseffekt.
Schlafen stärkt Muskeln und Knochen
Die meisten laufen aber morgens oder abends.
Also: Ein Marathon am Abend und die Schlafstörung ist programmiert. Moderater Sport hingegen ist wieder gut. Was moderat heißt, muss jede*r für sich selbst wissen. Es gibt auch noch die Regel: Sport bis zwei Stunden vor dem Schlafengehen, danach höchstens noch schnelle Spaziergänge.
Also dann doch lieber morgens laufen?
Früher bin ich auch morgens um sechs Uhr durch den Wald gerannt. Das würde ich heute nicht mehr tun, denn es ist unphysiologisch. Wir müssen unsere Systeme morgens ja erst mal hochfahren und können nicht gleich aus dem Bett springen und loslaufen.
Aber manche lieben das. Da hat jede*r unterschiedliche persönliche Vorlieben und Neigungen. Und es gibt Morgen- und Abendtypen. Das spielt auch eine Rolle. Vor einem Wettkampf sollte übrigens zur Wettkampfzeit trainiert werden, denn unser Organismus lernt, zu einer bestimmten Tageszeit Leistung zu erbringen.
Wie sieht denn der optimale Schlaf speziell für Sportler*innen aus?
In den ersten Stunden des Nachtschlafs, dem sogenannten Tiefschlaf, wird ein Hormon ausgeschüttet. Das ist für Wachstum von Knochen, Haut- und Haarzellen verantwortlich und für den Fetthaushalt zuständig. Für Sportler*innen ist es ein wahres Wunderhormon. Dieses Wachstumshormon führt zu einer Verbesserung der Muskelkraft und ist auch für eine Zunahme der Knochenmasse verantwortlich. Es stärkt sozusagen Muskeln und Knochen.
Schlechte Nächte sind nicht schlimm
Was passiert noch im Schlaf?
Lernprozesse. Eigentlich findet im Schlaf ein mentales Training statt. Das am Tag Erlebte wiederholt das Gehirn im Schlaf – ohne, dass wir was dazu tun müssen. Während im ersten Teil des Schlafs so eine Art Vokabellernen stattfindet, werden im zweiten Teil der Nacht Bewegungsabläufe geübt. Durch dieses Wiederholen festigen sich die Inhalte.
Die meisten Sportler*innen können vor einem Wettkampf nicht gut schlafen. Ist das abträglich für die Leistung?
Das ist das Besondere beim Wettkampf: Der Stress in Erwartung der kommenden mentalen und physischen Belastung bringt Anspannung. Anspannung ist das Gegenteil von Schlaf. Ich gehe davon aus, dass Sportler*innen vor einem Wettkampf schlechter schlafen als normal. Das ist die schlechte Nachricht.
Und die gute Nachricht…
… ist: Gelegentliche schlechte Nächte sind nicht schlimm, die können wir leicht wegstecken. Vielleicht kennen Sie das auch: Wenn man schlecht geschlafen hat, ist man am nächsten Morgen nicht unbedingt müder. Das ist ein bisschen so, als hätte man Kaffee getrunken: Man ist etwas aufgedreht – aber schneller und die Reaktionsfähigkeit ist erhöht. Länger schlafen hingegen bringt nichts, verschlechtert sogar die Leistungsfähigkeit.
Eine kurze Nacht vor einem Wettbewerb ist also noch kein Grund, gleich aufzugeben?
Überhaupt nicht. Man könnte sogar sagen: Vor einem Laufwettkampf ist es gar nicht so schlecht, wenn man nicht so toll schläft. Wenn man also nachts lange wach liegt, ist das nicht schlimm. Man sollte sich dann einfach sagen: Morgen werde ich fitter sein.
Zur Person: Jürgen Zulley ist Diplom-Ingenieur, Diplom-Psychologe, Professor für Biologische Psychologie und Buchautor. Er gilt als einer der renommierten Schlafforscher in Deutschland und hat zahlreiche nationale und internationale Preise für seine Forschung gewonnen.