Viele Menschen halten sich fit, doch die meisten machen es falsch, sagt Joachim Auer. Im Interview erklärt der Sportwissenschaftler, warum gerade Lauf-Anfänger*innen dazu neigen, sich zu überfordern. Zudem gibt er Tipps, wie man im Einklang mit dem Körper trainiert.
Achilles Running: Herr Auer, die Menschen tun immer mehr für Ihre Fitness. Sie sagen, das ist nicht immer gesund. Warum nicht?
Joachim Auer: Grundsätzlich ist es schon gesund, sich zu bewegen. Wichtig ist aber die Frage, ob ich das “mit” oder “gegen” meinen Körper tue. Denn wir neigen heutzutage dazu, alles immer schnell und effektiv machen zu wollen.
Was meinen Sie konkret? Wie arbeite ich denn “mit” meinem Körper?
Ich muss mich mit ihm auseinandersetzen. Viele betreiben ihren Sport, indem sie sich parallel vom MP3-Player oder im Fitnessstudio vom Fernseher berieseln lassen.
Ich kann das verstehen, an der einen oder anderen Stelle trägt das vielleicht auch zur Motivation bei. Aber das ist kein Miteinander mit dem Körper. So zeige ich ihm, dass ich ihn benutze, wie ein Instrument.
Der größte Fehler ist, nicht zu laufen
Muss man an den Sport so wissenschaftlich herangehen wie Sie? Kann man nicht einfach loslaufen?
Der größte Fehler ist, nicht zu laufen. Es geht darum, möglichst frei und unbelastet Sport zu treiben. Das ist auch die Philosophie, die ich für richtig halte.
Aber es sind ja die Anfänger, die häufig sehr kompliziert an die Sache herangehen: Die rennen erst mal in den Sportladen, kaufen sich eine große Ausrüstung und versuchen dann von heute auf morgen das nachzuholen, was Sie in den letzten zehn Jahren körperlich versäumt haben.
Und das funktioniert nicht.
Nein, die meisten muss man eher bremsen. Ich kenne genügend Fitness- und Freizeitsportler, die Ihren Körper ständig überlasten und sich wundern, warum er sich durch das Training nicht entwickelt.
Man muss der Fitness auch Zeit lassen?
Genau. Man kann davon ausgehen, dass der Körper sechs bis acht Wochen braucht, sich an das Training anzupassen. Diese Zeit sollte man wenigstens einmal durchhalten, um zu spüren, was dann passiert.
Der Körper braucht Erholung
Wie vermeide ich, dass mich das Sporttreiben zu sehr unter Stress setzt?
Für Anfänger macht es beispielsweise keinen Sinn, über einen Zeitraum von vier Wochen mehr als zweimal die Woche zu trainieren. Denn der Körper wird nicht besser im Training, sondern in der Pause.
Fitter durch Pausieren, das hört sich gut an
Ganz so leicht ist es nicht. Immer Pause machen funktioniert nicht. Training sieht immer so aus: Ich setze einen Trainingsreiz, wie auch immer der geartet ist, und gebe dem Körper durch die Erholung Zeit, sich zu verbessern.
Wenn ich das nicht tue, also wenn ich meinen Körper ständig fordere, kann er das zwar einige Zeit aushalten, aber ich gebe ihm keine Chance, sich anzupassen. Es ist dann so, als würde man ihm jedes Mal mit dem Hammer eins überziehen.
Wie viel sportlicher Ehrgeiz tut dem Körper und der Seele gut?
Die Hauptsäule der Gesundheit ist die Lebensqualität, nicht die Frage, wie viel Sport ich oder wie gesund ich mich ernähre. Wenn ich dann noch verstehe, dass wir uns generell zu wenig bewegen und zu viel essen und mit ein wenig mehr Aktivität etwas in Gang setzt, dann geht’s schon gut vorwärts.
Wie viel Sport pro Woche empfehlen Sie?
Grob gesagt: Ein Mal in der Woche ist deutlich zu wenig, zwei Mal wäre genau richtig, um einen Zustand zu stabilisieren und bei drei Mal wäre man in der Lage, Ziele wie Abnehmen oder Fitness-Steigerung konkret und langfristig zu erreichen.
Zur Person: Joachim Auer, Jahrgang 1970, ist Sportwissenschaftler und Experte für Training, Bewegungslehre und Gesundheitsmanagement. Er hält Vorträge und Seminare und hat das Buch “Der Körperführerschein” geschrieben.