Sportverletzungen sind schmerzhaft und müssen behandelt werden. Wer kann dabei am besten helfen? Wir stellen drei unterschiedliche Therapieansätze vor.
Zunächst ein schwacher Trost: Man ist nicht allein. Das Wissenschaftsjournal “Medicine and Science in Sports and Exercise” hat festgestellt, dass sich jährlich im Schnitt etwa 65 Prozent aller Läufer*innen verletzen; alle 100 Trainingstunden fallen deswegen zehn Prozent der Einheiten aus.
Bei Läufer*innen trifft es am häufigsten die Beine: Schmerzen im Kniegelenk, Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule.
Die Verletzungen entwickeln sich über einen längeren Zeitraum, die ersten Anzeichen werden meist nicht zur Kenntnis genommen oder verharmlost: “Ach was! Ich zieh das jetzt durch! Und nach dem Wettkampf mach ich dann Pause.”
Nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf
Meist wird aus diesem Vorsatz jedoch nichts. Nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf. Also trainieren wir viel zu schnell weiter – so lange, bis eine akute Schmerzsymptomatik auftritt und uns endgültig aus dem Rennen wirft.
Meist erwischt es junge, unerfahrene Sportler*innen, die zu schnell zu viel wollen. Oder ältere, die berufs- und familienbedingt pausiert, womöglich an Gewicht zugelegt haben und nun wieder starten.
Andere verletzen sich, wenn sie im aufholen zu müssen. Da nutzt es nichts, wenn einem erzählt wird, dass man mit ein paar einfachen Maßnahmen die Verletzung hätte vermeiden können. Da zählt nur: “Wer macht mich schnellstens wieder fit?”
Ganz klassisch: Orthopädie und Sportmedizin
Wenn ich mich beim Laufen verletzt habe, gehe ich zunächst zur Orthopädie. Orthopäd*innen beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit dem Bewegungs- und Stützapparat des Menschen und sind Fachärzt*innen, die sich durch mehrjährige Zusatzausbildung während ihrer Ärzt*innenausbildung im Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie qualifiziert haben.
Am besten ist es für uns Läufer*innen, wenn auch der*die Ärzt*in läuft und so unsere Sorgen und Nöte nachvollziehen kann. Treibt die Ärzt*in keinen Sport, kann es sein, dass er den Sport generell verbietet, wo doch eine Verhaltensänderung genügen würde.
Wie läuft die Behandlung ab?
Die Orthopäd*in beziehungsweise Unfallchirurg*in konzentriert sich auf die strukturellen Probleme und bezieht bei seiner Diagnose sowohl Symptome sowie alle verfügbaren Erkenntnisse zur Pathogenese mit ein. Er*sie fragt nach der Art der Beschwerden, wie sie entstanden sind, ob schon Grunderkrankungen vorliegen oder ob man Medikamente nimmt.
Auch will er*sie meist wissen, wie lange man Sport treibt und wie oft. Dann sieht er sich die schmerzende Stelle an, tastet ab und/oder prüft Bewegungsmuster. Wenn nötig setzt er weitere Untersuchungsmethoden ein, etwa Röntgen, Ultraschall, Computer- oder Kernspintomografie.
Nur durch diese bildgebenden Verfahren lassen sich häufig innere Schäden nachweisen oder sicher bestimmen. Möglicherweise muüssen Bein oder Knöchel ruhig gestellt werden, etwa mit einem festen Verband, mit Gips oder einer Schiene; als letzte Option steht die Möglichkeit einer Operation. Sofern indiziert gibt es Medikamente und manchmal verordnet der Arzt Physiotherapie oder übergibt an einen Osteopathen.
Physiotherapie: mehr als nur Massage
“Die massieren doch, oder?”, wird oft gefragt, wenn von Physiotherapeut*innen die Rede ist. Ja, die massieren. Und sie können noch viel mehr! Physiotherapeut*innen haben eine dreijährige schulische Ausbildung und gehören zu den Heilhilfsberufen. Zur Sicherstellung einer seriösen Diagnose ist also der vorhergehende ärztlich Besuch zwingend erforderlich.
Das Leistungsspektrum der Physiotherapeut*innen ist beachtlich: Neben Massagen wenden sie Bewegungs-, Atem-, Elektro-, Hydro-, Wärme- und Kältetherapie an, machen Krankengymnastik, Lymphdrainage, üben Steuerung und Kontrolle von Bewegungen mit sensomotorischem Training, analysieren und verbessern das Bewegungsverhalten mit Propriozeptiver Neuromuskulärer Fazilitation (PNF).
Sie kennen jeden Muskel, jede Funktion. Sie wissen genau, was zu tun ist, um Schmerzfreiheit wiederherzustellen, Bewegungsabläufe zu optimieren und Heilungsprozesse zu unterstützen.
Jede Praxis hat ihre eigenen Schwerpunkte. Jeder muss die finden, die für sich selbst am geeignetsten ist. Mir ist beispielsweise wichtig, dass mein Physiotherapeut Manuelle Therapie durchführt – spezielle Handgriffe zur Mobilisierung von Wirbelsäule und Gelenken – und Kinesio-Tapes einsetzt, um meine Muskeln zu lockern. Er selbst ist Triathlet, und so nehme ich ihn ernst, wenn es dann mal heißt: “sechs Wochen Trainingspause”.
Wie läuft die Behandlung ab?
Die Behandlung verläuft in drei Phasen: Zunächst mindert der Physiotherapeut Schwellungen und Reizungen, dann sorgt er dafür, dass sich das Gewebe neu aufbaut, schließlich führt er den Körper mittels Koordinations-, Kraft und Ausdauertraining wieder zu den gesunden Bewegungsabläufen, die wir für Sport und Alltag brauchen.
Doch warum warten, bis man verletzt ist? Physiotherapeuten arbeiten auch präventiv, stellen rechtzeitig Fehl- und Überbelastungen fest, mindern so die Verletzungsgefahr und erhalten unsere dauerhafte Leistungsfähigkeit – vorausgesetzt, wir arbeiten mit.
Wie oft wird behandelt?
Etwa zweimal die Woche. Kassenpatienten bekommen sechs bis 18 Anwendungen verschrieben, wenn eine Überweisung durch den Arzt erfolgt ist; bei Privatpatienten ist das variabel. Natürlich können Sie die Behandlungen auch aus eigener Tasche bezahlen, indem Sie einen individuellen Behandlungsvertrag abschließen.Die Kosten richten sich nach Dauer und Art der Behandlung und liegen bei 20 bis 45 Euro pro halbe Stunde. Adressen findet man über die größte berufsständische Physiotherapeutenvertretung, den Deutschen Verband für Physiotherapie.
Osteopathie: in besten Händen
Was ist denn das, Osteopathie? Eine neue Wundertherapie – Osteopathie gilt als Alternativmedizin und ist in der Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA entwickelt worden. Ursprünglich ging ihr Gründer davon aus, dass alle Leiden durch eine genaue Kenntnis der Knochen heilbar seien (daher der Name osteo = Knochen, pathos = Leid).
Heute ist Osteopathie als Alternative Medizin teilweise anerkannt. Osteopathen sind nicht zwangsläufig Ärzte. Vielmehr gibt es Ärzte mit osteopathischer Zusatzausbildung oder Physiotherapeuten mit zusätzlicher osteopathischer Fortbildung.
Bei der osteopathischen Behandlung sollte zuvor ein Arzt aufgesucht werden, der eine Diagnose erstellt und gegebenenfalls anschließend überweist. Spätestens seit den Olympischen Spielen 2012 macht die Osteopathie in der Sportwelt von sich reden, wo über 100 Osteopathen Athleten in 40 Sportarten betreuten.
Dabei kam heraus, dass seit 1992 so behandelte Spitzensportler bei früheren Olympischen Spielen schon Medaillen gewonnen hatten. Grund genug, sich diese Methode für den Freizeitsport genauer anzuschauen.
Selbstregulierende Kräfte
Die Osteopathie setzt selbstregulierende Kräfte im Körper voraus, die über besondere Verteidigungssysteme störende Einflüsse erkennen, beheben und so das natürliche Gleichgewicht wiederherstellenwiederherstellen sollen, das wir Gesundheit nennen.
Die Osteopathie unterscheidet zwischen Struktur und Funktion. Struktur umfasst alle Bestandteile des Körpers – Knochen, Muskeln und Organe – und jede Struktur ist mit einer Funktion verbunden.
Beide beeinflussen sich gegenseitig und bilden eine Einheit. Auch Strukturen, die funktionell nichts miteinander zu tun haben, hängen zusammen und sind über dünne Bindegewebshüllen (Faszien) miteinander verbunden. Die Psyche bildet neben Bewegungsapparat und inneren Organen den dritten Pfeiler dieser untrennbaren Einheit.
Wie läuft die Behandlung ab?
Beim Osteopathen wird man von Kopf bis Fuß untersucht. Dabei betrachtet er die Symptome aus verschiedenen Perspektiven: manuelle Untersuchung, kinesiologischer Muskeltest, Analyse des Gleichgewichtssinns.
In jedem Fall schaut er sich die Diagnose des Arztes genau an. So eine Untersuchung kann ergeben, dass die Ursache der Fußprobleme im Kiefergelenk zu finden ist, die Achillessehne sich wegen Blockaden im unteren Lendenwirbelbereich bemerkbar macht, dass der Darm nicht in Ordnung ist oder dass man zu viel von sich fordert.
Die anschließende Behandlung erfolgt nur mit den Händen. Es werden keine Medikamente eingesetzt. Mit speziellen Griffen lockert der Osteopath die Muskeln, aktiviert die Nerven, verbessert den Durchfluss in den Blutgefäßen und Lymphbahnen und regt so die Selbstheilungskräfte des Körpersan.
Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, dass beispielsweise der Darm behandelt wird anstatt der schmerzenden Achillessehne, lässt man sich auf die Behandlung ein und erlebt möglicher Weise, dass Verletzungen auf Dauer behoben werden können.
Wie oft wird behandelt?
Meist sind sechs Behandlungen nötig. Die Termine liegen etwa sechs bis acht Wochen auseinander, damit der Körper ausreichend Zeit zur Selbstregulierung hat. Natürlich sind das Richtwerte, denn die Behandlung wird individuell auf das jeweilige Problem abgestimmt. Wie überall gilt: Augen offen halten und gut mitarbeiten.
Qualitätssicherung ist wichtig
Seit 1993 ist der Beruf des Osteopathen in Deutschland anerkannt. Die Ausbildung dauert sechs Jahre, ebenso lange wie etwa die Regelstudiendauer in Medizin. Seit 2012 werden Behandlungen von manchen Kassen erstattet. In jedem Fall vor der Behandlung nachfragen!
Damit die Kasse die Kosten übernimmt, muss der Osteopath Mitglied eines Berufsverbandes sein oder eine osteopathische Ausbildung besitzen, die ihn zur Mitgliedschaft in einem Verband berechtigt.
Außerdem muss ein Arzt an den Osteopathen überweisen. Das sichert die Qualität. Es gibt viele Berufsverbände für Osteopathen, beispielsweise den Verband der Osteopathen Deutschland e.V. (www.daego.de). Auch hier gilt: Besser bei der Kasse nachfragen.
Trainieren wie ein Profi
Osteopathie, Physiotherapie und Fachärzte sind keine Gegensätze, sondern eine wertvolle Kombination aus bestmöglichen Behandlungsmethoden. Sind Spitzenathleten verletzt, werden sie auf die Beine gebracht, mit täglichen Anwendungen aus allen drei Bereichen und einem leichten Training.
Und das so lange, bis sie wieder einsatzbereit sind. Natürlich haben auch wir Freizeitläufer die Möglichkeit, im Verletzungsfall das alles zu kombinieren. Aber warum es erst so weit kommen lassen?
Schauen wir uns einmal die Abläufe an: Beim Laufen muss der Körper das Drei- bis Vierfache des Körpergewichtes abfangen. Bei etwa 70 Kilogramm, sind das mindestens 210 Kilogramm pro Laufschritt, auf der Marathonstrecke mindestens 5.000 Tonnen.
Und das womöglich in den, mit unerkannten Fehlstellungen, Übergewicht, ungenügender Vorbereitung, falscher Technik oder Überschätzung der eigenen Fähigkeiten.
Auf die innere Stimme hören
Damit der Körper nicht streikt, wenn es darauf ankommt, lässt man am besten schon vor Trainingsbeginn den Bewegungsapparat checken.
Werden dabei muskuläre Dysbalancen oder Fußfehlstellungen diagnostiziert, wird der Arzt entsprechende Maßnahmen ergreifen. Die beste Therapie: vorbeugen und auf die innere Stimme hören.
Das Training langsam aufbauen, ausreichend stärken, Sprung- und Hüftgelenk trainieren.
Man sollte darauf achten, dass sich die Belastung am Trainingszustand orientiert und – falls man welche hat – an den Beschwerden.
Man sollte unbedingt die Warnsignale des Körpers beachten und das Training beenden, sobald der Schmerz einsetzt. Dann läuft man nicht nur wie ein Profi, sondern trainiert auch wie einer.
Gastbeitrag von Dr. Elvira Weißmann von RUNNING – Das Laufmagazin. Erscheint wöchentlich.