Philipp Pflieger (32), Marathonläufer
Philipp ist einer der in Deutschland bekanntesten Marathonläufer. Er war bereits bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro dabei. Für die Olympiade in Tokio wollte er sich am 19.04 beim Hamburg-Marathon qualifizieren und hoffte auf eine neue Bestzeit über die Marathondistanz in dieser Saison. Bis vor kurzem bereitete er sich auf die Saison im Trainingslager in Kenia vor. Philipp hatte sich bereits frühzeitig für eine Verschiebung der Spiele ausgesprochen.
“Die Entscheidung des IOC war alternativlos, besonders im Hinblick auf die rapide Entwicklung der letzten Tage und Wochen. Die Olympischen Spiele sind eigentlich in Stein gemeißelt, aber nur deshalb an ihnen festzuhalten macht keinen Sinn. Allgemein wegen der Gesundheitsrisiken und der Verantwortung gegenüber der internationalen Gemeinschaft. Aber auch aus sportlichen Gründen und aus Fairness.
Bisher waren nur 57 Prozent der Athleten für die Spiele qualifiziert. Die restlichen 43 Prozent können sich oftmals nicht mehr optimal auf die Qualifikationswettkämpfe vorbereiten. Ich, als Läufer, habe da noch mit die besten Bedingungen, weil ich bis auf ein paar wenige Einschränkungen einfach draußen trainieren kann. Aber für viele andere, die nicht mehr in die Trainingsstätten können, ist die Situation anders. Auch die Dopingkontrollen und die Chancengleichheit sind in solchen Zeiten kaum zu gewährleisten, da Ärzte gerade – völlig verständlicherweise – anderweitig gebraucht werden.
Man fühlt sich leer, orientierungslos, weil man kein wirkliches Ziel vor Augen hat. Für Athleten ist es unheimlich wichtig zu wissen, worauf sie hinarbeiten.
Philipp Pflieger, Marathonläufer
Für mich hat die Verschiebung zwei Seiten. Einerseits bin ich erleichtert nun endlich diese Ungewissheit hinter mir zu lassen und die Situation, so wie sie ist, annehmen zu können. Andererseits ist das natürlich für mich als Athlet schon traurig. Ich habe viel investiert. Nicht nur finanziell, sondern auch viel körperliche Arbeit und Zeit. Man fühlt sich leer, orientierungslos, weil man kein wirkliches Ziel vor Augen hat. Für Athleten ist es unheimlich wichtig zu wissen, worauf sie hinarbeiten. Die Frage, was kommt nach der Ziellinie, trägt man immer mit sich.
2020 wollte ich es unbedingt wissen. Mein Ziel war die Qualifikation für Tokio und vor allem meine Bestzeit zu verbessern. Als Optimist sehe ich natürlich auch im Herbst eine neue Marathon-Saison mit einer unfassbaren Auswahl an Rennen auf mich zukommen. Vielleicht ist also die Qualifikation für 2021 mit einer neuen Bestzeit im Herbst möglich. Aber glaubt man den Aussagen einiger Virologen, scheint auch das nicht unbedingt realistisch.
Momentan habe ich, in Absprache mit meinem Trainer, beschlossen mein Training etwas zurück zu fahren, neue Reize zu setzen und mich auf das Training für kürzere Strecken zu fokussieren. Wir versuchen eben das Beste aus der Situation zu machen. Deshalb arbeiten wir jetzt eben weiter an den Grundlagen und der Schnelligkeit in den Unterdistanzen, was auch auf die Marathonzeit einzahlt. So kann ich mit einem guten Fundament und hoffentlich mit einer ordentlichen Portion Spritzigkeit in die Qualifikationsläufe gehen, die dann auch hoffentlich irgendwann anstehen.“
Denise Krebs (32), Mittel- und Langstreckenläuferin (1500m und 5000m)
Denise ist Mittel- und Langstreckenläuferin und mehrfache Deutsche Meisterin. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen ist ihr größter Traum. Im Interview mit ACHILLES RUNNING berichtet sie bereits Anfang Februar von ihrer Vorbereitung auf die Qualifikationswettkämpfe für Tokio. Die Spiele 2020 – nun 2021 – sind ihr letzter Versuch teilzunehmen.
“Die Entscheidung des IOCs war hinfällig und absolut richtig. Natürlich hatte ich Sorge, dass die Spiele abgesagt werden. Aber die Gesundheit anderer Menschen und die eigene gehen vor. Ich bin nicht die einzige, die das so sieht. Das wurde auch beim Livestream des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) deutlich, bei dem viele andere Athleten sich eine Verschiebung wünschten.
Als Läuferin konnte ich zwar bisher weiter trainieren, aber vielen anderen Athleten geht das nicht so. Mir wurde zum Beispiel erzählt, dass ein Schwimmer das Gefühl für Wasser schon nach drei bis vier Tagen verliert. Die Spiele zu verschieben ist also nur fair.
Auf mich kommt jetzt ein anderes Problem zu. Mit meinem Arbeitgeber habe ich einen Vertrag, der bis August läuft. Bisher war abgesprochen, dass ich bis August auch zum Beispiel in Trainingslager fahren kann und dafür mehrfach freigestellt werde. Das war auch nicht leicht für meine Kollegen. Abgesprochen war eigentlich, dass ich nach den Olympischen Spielen mit dem Sport aufhöre und voll einsteige. Jetzt weiß ich natürlich nicht wie das weiter geht. Wird der Arbeitgeber das weiterhin tragen?
Einen Corona-Rettungsschirm für Sportler gibt es ja nicht. Das stellt mich vor finanzielle Herausforderungen.
Denise Krebs, Mittel- und Langstreckenläuferin
Mittlerweile bin ich 32. Das heißt auch, dass ich mir Gedanken mache, wie es nach meiner sportlichen Karriere weitergeht. Ein weiteres Jahr zu trainieren ist deshalb nicht nur eine körperliche Frage, sondern auch einen finanzielle. Einen Corona-Rettungsschirm für Sportler gibt es ja nicht. Das stellt mich vor finanzielle Herausforderungen. Ich weiß nicht, wie ich mich ab August finanzieren kann. Anderen Sportlern geht es da ähnlich.
Aber momentan geht die Planung jetzt erstmal weiter so gut es geht. Ich hatte noch nie eine so gute Vorbereitungsphase wie dieses Mal. Mein Ziel ist es mich im Sommer zu qualifizieren, wenn Wettkämpfe wieder möglich sind. Außerdem legen wir dann das Fundament für den Winter. Aber natürlich gibt es auch hier viele Fragezeichen. Zum Beispiel, ob diejenigen, die die A-Norm bereits haben, diese auch mit nach 2021 nehmen oder nicht.
Gerade versuche ich das Ganze positiv zu sehen. Die Verschiebung der Olympischen Spiele schenkt mir auch Zeit mich noch mehr an die 5000-Meter-Distanz zu gewöhnen und ein Gefühl dafür zu entwickeln. Jetzt habe ich erstmal ein paar Tage frei, um die Situation ein wenig zu verarbeiten und dann geht es so gut es geht weiter.“