Wenn es um die Nachhaltigkeit von Laufschuhen geht, halten sich die meisten Sporthersteller gerne bedeckt. Nach unserer Recherche scheint klar, warum: Ein gut funktionierender, umweltfreundlicher Laufschuh ist derzeit fast nicht machbar.
Mindestens zweimal im Jahr, pünktlich zum Frühling und Herbst, hagelt es wieder “Innovationen”. Sportartikelhersteller präsentieren stolz ihre neuen Modelle, Farben und Systeme. “Jetzt noch schneller, noch länger, noch besser”. Es geht um Performance, um Design und Coolness.
In unserer Serie hatten wir zwölf Marken angeschrieben. Es ging um die “Nachhaltigkeit und ökologische Belastung von Laufschuhen” . Welche Materialien werden derzeit verwendet? Was wird aktuell getan, um möglichst nachhaltige Laufschuhe zu produzieren?
Das Ergebnis war ernüchternd. Nur drei von zwölf Firmen – Brooks, Lunge, Runnertune beantworteten unseren kurzen Fragebogen. Adidas äußerte sich zumindest dazu. Trotzdem gab es interessante Erkenntnisse und Einblicke.
1. Wenig Transparenz
Die Erwartungshaltung war naiv. Die Bereitschaft, über die Beschaffenheit eines neuen Modells zu reden, glich nicht der Kommunikation, die auf Marketingebene getätigt wird, um einen Schuh anzupreisen. Unsere Anfragen gingen in vielen Fällen zunächst über PR-Agenturen, die unseren Fragenkatalog sondierten und lediglich gegebenenfalls weiterleiteten. Die Antworten seitens der Marken kamen zögerlich, ganz gleich ob eine Teilnahme zugesichert oder verwehrt wurde.
Als Überblick: Von den zwölf Marken reagierten zehn mit einer Antwort. Von diesen beantworteten am Ende nur drei unsere Fragen. Das waren Lunge, Runnertune und Brooks. Adidas sendete uns eine Zusammenfassung der eigenen Anstrengungen im Bereich nachhaltiger Produktion zu. Viele der Fragen blieben unbeantwortet. Sechs Marken lehnten ihre Teilnahme nach Durchsicht ab.
Interessant hierbei war der häufige Tenor, dass die Marken derzeit an einer unternehmensinternen Strategie arbeiten und zum aktuellen Zeitpunkt noch keine offizielle Stellung beziehen können. Es bewegt sich also scheinbar etwas. Ob tatsächlich und wie schnell, das ist nicht klar. Was allerdings klar wurde: Der Druck auf die Branche wird stetig wachsen. Und: Noch fürchten sich die Marken davor, mit diesem Thema offen umzugehen.
2. Wir haben zu viele Laufschuhe
Die zweite Erkenntnis ist das Verhalten zwischen den Käufer*innen und den Anbietern. Es ist leicht, mit dem Finger auf die Hersteller zu zeigen und zu sagen: Ihr macht nichts für die Umwelt. Aber wir Konsumenten spielen auch eine entscheidende Rolle in dem großen Ganzen.
Jede*r kennt es selbst. Auf das erste Modell folgt schnell ein zweites. Dann dasselbe Modell in einer anderen Farbe. Und dieses Verhalten besteht sowohl bei den Alltagsträger*innen als auch bei den Läufer*innen.
Kurzum, das Kaufverhalten hat sich verändert. Dies liegt natürlich am gestiegenen Angebot und der Werbung. Jeder beworbene Schuh von Nike sieht morgens an der Straßenbahnhaltestelle blendend aus, und erweckt das Verlangen, ihn zu kaufen. Dieser Impuls wird fortwährend geweckt. Somit produzieren die Marken immer mehr Schuhe und die Menschen kaufen immer mehr.
Der Kauf ist nebenbei keine schwere Tat, wenn der Schuh lange genutzt wird. Wer seine Laufschuhe hegt und pflegt und diese jahrelang nutzt, der tut etwas Nachhaltigeres. Leider, und das lehrt die eigene Erfahrung, setzt meist nie eine Sättigung bei der Lust nach neuen Modellen ein. Das Marketing ist einfach zu gut.
3. Es gibt keine wirklichen Innovationen
Die dritte Erkenntnis ergab sich in Gesprächen, dass die Branche derzeit im Bereich des Materialeinsatzes keine Innovationen hervorbringen kann. Unser Experte, Professor Gert-Peter Brüggemann verriet, dass in den vielen Schuhen und unterschiedlichen Modellen – zumindest was die Sohle betrifft – fast überall das gleiche ist.
Ethylen-Vinylacetat-Copolymere (Kurzzeichen EVAC, früher auch EVA) beziehungsweise Thermoplastik Polyurethan (TPU) sind die beiden Zutaten für Mittelsohlen – die im Sportschuh wiederum die wichtigste Komponente sind. Alle Marken kochen mit den gleichen Zutaten. Der einzige Unterschied: Die Zusammensetzung und die angestrebte Optik.
Die Frage also: Wie soll der Schuh im Endeffekt aussehen? Eine feste Sohle, viele Kügelchen oder rautenförmige Teile, die aneinandergepresst werden?
Schuhe sind heutzutage so unterschiedlich im Design, dass fast jede*r Geschmack getroffen wird. Das wichtigste bleibt allerdings, dass der Schuh funktioniert und hält, was er verspricht. Vor allem im Laufbereich. Niemand kauft einen Schuh, der zu 100 Prozent aus biologischem Material besteht, obwohl er ungeeignet für einen Marathon ist. Noch gibt es anscheinend keine biologischen Stoffe, die für den Lauf-Dauereinsatz geeignet sind.
Idee: Reparaturangebote bei Laufschuhen
Firmen wie Runnertune und Lunge setzen auf Energieeinsparung. Eine ihrer Strategien, die in der Serie genannt wurde, war die Reparatur. Was wäre, wenn jede*r den abgelaufenen Schuh zum Händler bringen könnte, um diesen reparieren zu lassen?
Viele Modelle besitzen gestricktes Obermaterial, was wesentlich langlebiger und einfacher zu reinigen ist. Eine Sohle könnte technisch ersetzt werden. Diese Strategie spart Energie und schafft Arbeitsplätze. Natürlich schmälert diese Strategie das Umsatzziel, produziert aber weniger Müll und ist nachhaltiger.
Konsument*innen werden außerdem an Marken gebunden. Ob das am Ende von den Menschen angenommen und umgesetzt wird, ist fraglich. Der Aufwand ist groß und der Wunsch nach dem neuen Modell ist immer da. Vielleicht könnte dieser Weg aber im Sport auf eine breitere Zustimmung treffen. Wer einmal den einen Schuh gefunden hat, der beim Laufen nicht zwickt, möchte diesen behalten.
Fazit:
Die globale Erwärmung und der beginnende Klimawandel haben die Gesellschaft sensibilisiert. “Bio” und “nachhaltig” wird nicht mehr verpönt. Sie sind Trend – zumindest in manchen Segmenten.
Wer etwas braucht, kauft es. Geht es kaputt, wird es ersetzt. Selbst wenn das Alte nicht kaputt ist. So langsam ist aber zumindest in einigen Teilen der Welt ein Umdenken spürbar. Vielen ist bewusst geworden, welche Auswirkungen das eigene Konsumverhalten hat. Auch die Laufschuh-Branche wird diesen Trend erleben. Veränderungen sind bereits zu sehen. Unzufriedene Beobachter*innen haben Alternativen zur klassischen Produktion geschaffen.
Firmen wie Lunge oder Runnertune bieten ihre eigenen Schuhe an. Sie setzen entweder auf das Prädikat “Made in Germany” oder die Herstellung auf einen einzigen Schuh, der Läufer*innen beim Ausüben des Sports bestmöglich unterstützt. Das ist neu in der Branche. Langsam werden auch hier Prozesse und Strukturen aufgebrochen und verändert.
Viele Marken verschreiben sich einer umweltbewussteren Herstellung in den kommenden fünf Jahren und formulieren dahingehend ihre Ziele. Und mit der wachsenden öffentlichen Aufmerksamkeit für die Art der Herstellung von Produkten stehen der Branche in den kommenden Jahren weitere Veränderungen bevor.
Bock auf noch mehr Background-Infos? Dann hört unseren Podcast, in dem Robert von seinem Rechercheweg berichtet. Frank erzählt, wie sich seine geliebten Schuhe im Wald auflösen und warum uns manche Firmen einfach geghostet haben.
*Die Zahl kann an dieser Stelle weder bestätigt noch dementiert werden.
Alle Artikel aus der Serie “Nachhaltigkeit und Laufschuhe”
Wie nachhaltig sind Laufschuhe?
Nachhaltigkeit und Laufschuhe: Eine Branche bewegt sich
Nachhaltigkeit bei Adidas
Nachhaltigkeit bei Lunge
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