Marathon ist Extremsport und gleichzeitig ein Traum vieler Läufer*innen. Im Interview erklärt Sportmediziner Ralph Schomaker, wie man sich auf die 42 Kilometer vorbereitet und warum Marathon laufen sogar gesund ist.
Achilles Running:* Herr Schomaker, Sie laufen selbst Marathon. Was ist so faszinierend daran, sich rund vier Stunden lang zu quälen?
Ralph Schomaker: Das Ritual des Marathon-Zieleinlaufes bedeutet für viele einen sportlichen Ritterschlag. Den meisten geht es gar nicht um den Wettkampf, sondern darum, die 42 Kilometer gesund zu überstehen. Wer das schafft, kann stolz auf sich sein.
Eine planvoll angegangene Marathon-Vorbereitung ist die wirksamste Methode, Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfällen oder Demenz vorzubeugen. Idealerweise sollte jeder von uns vier bis fünf Stunden Ausdauertraining pro Woche absolvieren. Das haben Steinzeit-Menschen auch getan.
“Wir bewegen uns zu wenig”
Bei größeren Marathon-Events hört man immer wieder von Menschen, die beim Marathon einen plötzlichen Herztod erleiden …
Es ist nicht der Marathonlauf, der tötet, sondern eine vorbestehende Herzerkrankung. Schuld ist der Lebensstil. Wir bewegen uns zu wenig, essen zu viele Kohlehydrate und rauchen. Das schädigt die Gefäße und kann unter ungewohnter Belastung zum Tod führen.
Was viele Menschen nicht wissen: 70 Prozent der plötzlichen Herztode passieren nachts im Bett. Aber deshalb klebt ja keiner ein Schild über sein Bett: Bloß nicht mehr ins Bett gehen – Lebensgefahr!
Wie erkenne ich, dass ich Probleme mit dem Herzen habe?
Jeder, der vorhat, Marathon zu laufen, sollte sich sportärztlich untersuchen lassen, um Verletzungen vorzubeugen. Marathon braucht Geduld.
Worauf sollte man beim Training besonders achten?
Mindestens 40 Kilometer pro Woche im Jahresdurchschnitt sollten es schon sein. 80 Prozent des Trainings sollten aus langen, langsamen Dauerläufen bestehen. Entscheidend ist die Länge und nicht die Geschwindigkeit. Also lieber am Wochenende einen langen, langsamen Lauf absolvieren, als fünfmal in der Woche schnell joggen.
Trotzdem laufen die Wenigsten vor dem Wettkampf die vollen 42 Kilometer. Selbst Profis tun das oft nicht. Wieso eigentlich?
Für Marathon-Neulinge hat das Durchbrechen der 42,195-Meter-Grenze vielleicht einen rituellen Charakter. Erst im Wettkampf will man die magische 42 erreichen und zum Marathon-Läufer geschlagen werden.
Es gibt aber schon Sportler, die auch 42-Kilometer-Läufe absolvieren. Wichtig ist nur: Den letzten langen Lauf sollte man spätestens zwei Wochen vor dem Marathon machen, damit sich der Körper bis zum Wettkampf erholen kann.
Den Fettstoffwechsel trainieren
Was muss ich essen, um die 42 Kilometer durchzustehen? Selbst bei ordentlichen Läufer*innen dauert ein Marathon rund vier Stunden.
Für das Training gilt: Bei langen und langsamen Läufen sollte man sich „low carb“ ernähren, also wenig Nudeln, Reis und Brot essen. Da der Körper nur über begrenzte Kohlenhydratreserven verfügt, sollte im Rahmen der langen, langsamen Läufe der Fettstoffwechsel trainiert werden. Lediglich für ein Intervalltraining und das Marathon-Wochenende sollte man sich kohlenhydratreich ernähren.
Und wie verpflegen sich Läufer*innen am besten während des Wettkampfs?
Hier gelten andere Spielregeln als beim Training: Schon drei Tage vor dem Marathon sollte man beginnen, die Kohlenhydratspeicher zu füllen und viel Brot, Nudeln, Reis, Müsli und Kartoffeln essen. Das reicht dann maximal für die ersten 90 Minuten im Rennen.
Danach, so ab Kilometer zehn, braucht der Körper stündlich 30 bis 70 Gramm Kohlenhydrate, beispielsweise reife Bananen oder Traubenzucker. Was das Trinken angeht: je nach Durst.
Der Marathon ist geschafft: Wie regeneriert man am besten?
Je nach Trainingszustand beträgt die Regeneration nach einem Marathon sechs bis zwölf Wochen. Danach sollte man es ruhig angehen lassen. Als Ausgleichstraining kann man Schwimmen gehen oder Radfahren.
Und wer den Muskelkater überwunden hat, darf auch wieder die Laufschuhe schnüren – aber nicht übertreiben. Das fällt vielen schwer. Lieber locker maximal eine halbe Stunde durch den Wald traben. Das hat man sich dann verdient.
Video: Typen der Marathon-Finisher
Zur Person: Dr. med. Ralph Schomaker, Jahrgang 1969, ist Facharzt am Zentrum für Sportmedizin in Münster. Er läuft selbst Marathon und ist Autor des Buches „42 Tipps für 42 Kilometer“, mit Ratschlägen für Marathon-Läufer*innen und solche, die es werden wollen.
*Um die Antworten des Interviewpartners nicht zu verfälschen, werden lediglich die Fragen gegendert.