Ein weiteres Jahr geht zu Ende. Nein! Sogar ein Jahrzehnt. Grund genug, in der Vergangenheit zu wühlen und in Erinnerungen zu schwelgen. Unsere Redakteurin Anna hat sich angeschaut, was den Laufsport im letzten Jahrzehnt geprägt hat.
Die Profis waren zuerst dran. Heute widmen wir uns den Normalos. Wir meinen alle, die von Kipchoges Zeiten nur träumen können und Bolts berühmten Fehlstart in Daegu hinter der Mattscheibe beobachteten.
Unsere Frage: Was hat die 2010er Jahre für Läufer*innen definiert, die scheinbar grundlos – na gut, sagen wir ohne finanziellen Anreiz – gerne viele Kilometer schrubben. Manchmal sogar mit einer Leidenschaft, von der sich Profi-Läufer*innen eine Scheibe abschneiden könnten. Vielleicht sogar auch zwei.
Das bedeutet tauchen. Um genauer zu sein: Tieftauchen. In Trends versinken und der Spur verblichener Facebook- und Instagram-Likes folgen. Denn eines ist klar: es hat sich viel verändert. Der digitale Wandel machte auch vor der Laufszene keinen Halt und hat, besonders durch die Beliebtheit sozialer Netzwerke, die Laufkultur geprägt.
Auf unserer absolut unvollständigen Liste ist einiges gelandet. Von Lauf-Crews über Influencer*innen bis hin zum Buzzword Nachhaltigkeit. Also hier unsere Top sieben Dinge, die die 2010er Jahre in der Laufkultur geprägt haben.
1. Aus Einzelsport wird Crew Love: Community wird immer wichtiger
Im letzten Jahrzehnt haben sie sich formiert. Was vorher als Laufgruppe oder Lauftreff bezeichnet wurde, trägt jetzt den hippen Namen Lauf-Crew. So ähnlich wie „cool“ mit „nice“ ersetzt wurde. Sie werden oft über soziale Netzwerke, beispielsweise Facebook- und WhatApp-Gruppen, organisiert. Wer eine genaue Anleitung zum Aufbau der eigenen Lauf-Crew möchte, findet diese hier.
Die Ursprünge von Lauf-Crews, munkelt man, liegen in cleveren Marketingstrategien von großen Sportmarken wie Adidas und Nike, die im vergangenen Jahrzehnt ihre eigenen Lauf-Crews mit den Adidas Runners und dem Nike Run Club (NRC) launchten. Andere mauscheln Lauf-Crews sind Hipstertum, übertragen auf den Laufsport. Und für wieder andere steht der Community-Gedanke im Vordergrund. Ihnen ist egal, welcher Name auf dem Shirt steht. Hauptsache der Vibe stimmt.
Und das tut er. Die Cheer-Zones bei den großen Läufen des vergangenen Jahrzehnts wird wohl niemand so schnell vergessen.
Mit ihren Crew-Outfits und Konfetti-Kanonen haben Lauf-Crews haben das Bild der Laufszene der letzten zehn Jahre so geprägt, wie der Discman die 90er Jahre. Behaupten wir jetzt einfach mal.
2. Der Aufstieg der Lauf-Influencer*innen: Social-Media-Sternchen prägen die Laufszene
Soziale Netzwerke werden in den 2010er Jahren immer beliebter. So beliebt, dass manche von ihnen mittlerweile die Größe von Staaten überschritten haben. Facebook verzeichnet derzeit knapp 2,5 Milliarden monatlich aktive Nutzer*innen. Auf Instagram schwirren monatlich etwa eine Millarde aktive User*innen herum.
Das hat auch Auswirkungen auf die Lauf-Gemeinschaft. Menschen beginnen vermehrt Bilder aus ihrem Laufalltag zu teilen. Neue Laufschuhe, Grafiken der Strecke des letzten Long-Runs und natürlich Selfies – oh, so viele Selfies – tummeln sich in unseren Newsfeeds. Die Bilder werden auch unter Hashtags wie zum Beispiel #laufen #running und #runnerscommunity gesammelt. So hat das Vernetzen, und die Jagd nach Follower*innen begonnen.
Und genau das ist sie: Die Geburtsstunde der Influencer*innen. Noch mal für alle, an denen das bisher vorbei gegangen ist: Influencer*innen sind Menschen, die durch ihre Reichweite oder ihre Expertise über ihre Social-Media-Kanäle, z.B. Instagram, TikTok und YouTube, andere beeinflussen. Aber zu was? Beispielsweise zum Kauf neuer Laufschuhe oder zur Teilnahme an einem Marathon. Was einst Fachwort in der Werbesprache war, ist spätestens also seit 2017, als es zum Anglizismus des Jahres gekürt wurde, im alltäglichen Sprachgebrauch angekommen.
In der Laufszene sind Influencer*innen Menschen wie Florian Neuschwander, auch bekannt unter seinem Instagram-Namen @runwiththeflow, oder Imke Salander, aka @imkesalander. Fun Fact: Imke war tatsächlich auch schon zu Gast im Achilles-Running-Podcast. Hört mal rein!
Aber zurück zum Thema: Lauf-Influencer*innen – oder wollen wir sie gleich Laufluencer*innen nennen? – sind die Cool-Kids der Laufszene und prägen sie maßgeblich mit. Mit ihrem Style und ihrer Meinung beeinflussen sie ihre Followerschaft, die sie als Expert*innen in Sachen Laufen wahrnimmt. So landen sie nicht nur den ein oder anderen Brand-Deal und steigen in der Lauf- und Fitness-Blase zu kleinen Berühmtheiten auf. Sie können so auch – zumindest in einigen Fällen – ganz ohne den Leistungsanspruch von Profi-Sportler*innen, ihr Hobby zum Beruf machen.
3. Nachhaltigkeit wird wichtiger
Die Fridays-For-Future-Bewegung der Umweltaktivistin Greta Thunberg hat in den letzten Jahren viel geprägt. Nicht nur – aber auch – die Laufszene. Anders gesagt: Das Buzzword Nachhaltigkeit war plötzlich in aller Munde. Oder sagen wir in vieler. Aber es wurde nicht nur geredet, sondern auch umgedacht und verändert.
2018 wurden beim Berlin-Marathon beispielsweise zum ersten Mal Silikonbecher und Auffüllstationen angeboten. Der Sponsor Adidas und die Organisator*innen des Marathons, wollten das Meer aus Plastikbechern, das die Straßen Berlins sonst nach dem Marathon säumt, eindämmen. Ein erster Schritt in eine nachhaltigere Marathon-Zukunft? Vielleicht. Eins ist klar: Silikonbecher sind ein schöner Anfang. Aber eben auch nur das. Ein Anfang. Wir sind gespannt, was sich die deutschen Lauf-Veranstalter*innen in Zukunft überlegen.
Aber nicht nur Plastik-Alternativen wurden in den 2010er Jahren zum Trend. Auch das sogenannte „Plogging“, also das Sammeln von Müll während des Laufens, wurde beliebt. Der Begriff kommt aus dem Schwedischen und setzt sich aus „plocka up“, was so viel wie „aufheben“ bedeutet, und „Jogging“ zusammen. Eine Kombination aus Sport und Umweltschutz – sauber! Ob sich das hält? Wir hoffen ja!
Eins ist jedenfalls klar: Das Thema Nachhaltigkeit ist wichtig und regt auch die ganz großen Namen zum Umdenken an. So änderte zum Beispiel die ehemalige Fitness-Bloggerin Louisa Dellert ihr Konsumverhalten und setzt sich jetzt gezielt für Nachhaltigkeit ein. Zum Beispiel organisiert sie ihre eigene Plogging-Veranstaltung einmal im Monat. Aber Dellert hat noch mehr zum Thema Nachhaltigkeit und Laufsport zu sagen! Hört unsere Podcast-Folge mit ihr:
4. Die klassischen Running-Marken bekommen Konkurrenz
Die 2010er Jahre waren nicht leicht. Vor allem nicht für klassische Marken wie Adidas, Nike und Asics. Aber Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Viel Konkurrenz umso mehr. Mit Marken wie Hoka One One, On Running und True Motion wurden die Schuhregale in Laufläden nicht nur bunter, sondern auch breiter. Das lässt die Herzen unserer lieben Laufschuhfreaks höherschlagen. Und unsere auch!
5. Online-Shopping wird noch beliebter
Kleine Laufläden müssen sich schon lange wärmer anziehen. Der Online-Handel boomt in den 2010er Jahren weiter und legt zu. Das heißt auch, dass viele ihre neuen Treter von Postbot*innen in die Hand gedrückt bekommen. Trotzdem lohnt sich die Laufanalyse und persönliche Beratung bei den Expert*innen um die Ecke weiterhin. Außerdem ist, wenn wir ehrlich sind, nichts besser, als das neue Lieblingspaar Laufschuhe direkt nach dem Kauf auszuführen.
6. Trail-Running: Einfach mal neben der Spur laufen
Einfach geradeaus laufen ist mal so 2000er. In den 2010ern geht’s über Stock und Stein, durch den Wald oder, falls ihr auch zu den Stadtbewohner*innen gehört, durch den Park. Urlaube werden von vielen vermehrt in den Bergen geplant – nicht mehr zum Wandern, das ist zu langweilig. Nein! Zum Laufen. Und zwar „querbergein“. Oder wie heißt das im Gebirge nochmal?
7. Lauf-Podcasts erobern die Herzen von Läufer*innen
Was einst Audio-Blogging hieß und mehr für die Nische, als für die Masse gemacht war, kommt in den 2010er Jahren im Mainstream an. Nicht unbedingt nur in der Laufszene, aber auch hier. Mittlerweile gibt es so viele Lauf-Podcasts, dass man schon Listen führen muss, um den Überblick zu behalten. Toll!
Wir verstehen den Hype, um Podcasts. Ist ja auch großartig beim Laufen zur Abwechslung spannende Geschichten zu hören, anstatt die eigenen Playlist zum hundertsten Mal anzuhören. Die Songs kennt man sowieso schon auswendig.
Wir empfehlen an dieser Stelle – natürlich ganz uneigennützig – den Achilles-Running-Podcast. Hier gibt’s tolle Folgen. Zum Beispiel die, in der Ultraläufer Tim Wortmann von seinem 300-Meter-Sturz in den Bergen erzählt.
Oder die, in der Tagesschau-Sprecher und Triathlet Torsten Schröder von seiner Teilnahme am Ironman auf Hawaii berichtet.
Falls ihr nicht schon lange mithört: Worauf wartet ihr denn noch? Kopfhörer auf und los geht‘s!
Fazit: Durch digitalen Wandel verändert sich die Laufszene
Es ist fast nicht mehr zu bestreiten, dass der digitale Wandel und besonders der Erfolg sozialer Netzwerke wie Instagram und Facebook, die Laufszene im vergangenen Jahrzehnt maßgeblich mit geprägt hat.
Durch die Möglichkeit sich digital zu vernetzen, konnten sich beispielsweise Lauf-Crews formieren und organisieren. Kurz gesagt: Die Lauf-Gemeinschaft ist besser vernetzt und enger zusammen gewachsen.
Außerdem konnten manche Läufer*innen sich mit Hilfe sozialer Medien einen Namen innerhalb der Lauf-Community machen und so mit ihrem Hobby den eigenen Lebensunterhalt bestreiten. Sie setzen sich oft auch für Themen wie Nachhaltigkeit ein und verändern so das Bewusstsein innerhalb der Laufszene. Eine spannende Entwicklung, die auch gestandene Marken dazu zwingt sich anzupassen. Denn wer will schon als Marke gecancelt werden?
Durch die neuen Kommunikationsmittel der Digitalisierung verändert sich nicht nur unsere Art zu kommunizieren, sondern auch die Art wie wir konsumieren. Inhaltlich kann das ein Format-Wandel sein. Die steigende Beliebtheit von Lauf-Podcasts ist wohl das beste Beispiel dafür.
Aber auch die Art wie wir Lauf-Produkte konsumieren hat sich mit dem digitalen Wandel verändert. So müssen sich Lauf-Läden inzwischen einiges einfallen lassen, um dem Druck der Online-Konkurrenz standhalten zu können.
Es lässt sich also festhalten: Die 2010er Jahre werden auch im Laufsport im Licht der Digitalisierung erinnert werden. Ob das gut oder schlecht ist? Diese Entscheidung überlassen wir euch.