An besonders heißen und feuchten Tagen war ich schon auf halbem Weg meiner Strecke so dehydriert, dass ich es nicht mehr aus eigenen Kräften nach Hause schaffte. Mehr Niederlage als in Laufsachen in ein Tuk-Tuk (in Tansania werden diese dreirädrigen Motorradrikschkas “Bajaj” genannt) zu steigen, geht nicht!
Nicht zuletzt das süffisante Lächeln des Fahrers hielt mich aber davon ab, das Laufen komplett aufzugeben. Ich kämpfte weiter und gewöhnte mich tatsächlich langsam an die Hitze und Schwüle.
Bald lief ich zum ersten Mal im Schneckentempo zehn Kilometer am Stück und hatte die Halbinsel komplett umrundet! Ich feierte den Erfolg wie einen absolvierten Marathon, auch wenn ich so viel Flüssigkeit verloren hatte, dass ich den ganzen Tag unter Kopfschmerzen litt.
Laufen in Tansania: Das Timing ist wichtig
Nun hatte ich Blut geleckt und blieb dran. Und tatsächlich lief es immer besser. Ich lernte langsam, was ich beachten musste, um das Laufen in dieser Umgebung zu genießen.
Zuallerst: zu überleben. Das fing schon mit Basics an: So hatte ich schnell gelernt, dass zunächst einmal das richtige Timing am Tag unheimlich wichtig ist.
In Tansania gibt es nämlich keine Jahreszeiten, das ganze Jahr geht die Sonne kurz nach 6 Uhr auf. Vorher ist es stockfinster, ab 8:30 Uhr, spätestens 9 Uhr ist dann der Ofen an und es ist unerträglich heiß. Abends werden ab 17 Uhr die Schatten ein Mini-Stückchen länger, bis um 18:30 Uhr die Sonne wie ein Stein vom Himmel fällt und man die Hand vor den Augen nicht mehr sehen kann.
Man muss also pünktlich losrennen, um seine zehn oder 15 Kilometer in das kleine Zeitfenster reinzuquetschen. Jede Minute, die man morgens länger im Bett liegen bleibt, bezahlt man später mit endlos viel Schweiß und Kopfschmerzen.
Da die Sonne schon früh morgens wie irre brennt, weiß ich mittlerweile genau, zu welcher Tageszeit, an welcher Stelle und auf welcher Straßenseite der meiste Schatten ist. Dann laufe ich Zickzack die Straße entlang, um möglichst oft wenigstens ein paar Sekunden den Kopf aus der Sonne zu kriegen.
“Trinkgeld” ist überlebenswichtig
Bevor ich hier laufen war, wusste ich auch nicht, wie viel Feuchtigkeit mein Körper verlieren kann! Um nicht vollständig auszutrocknen, trinke ich daher mittlerweile bereits vor dem Laufen mindestens einen halben Liter Wasser.
Während des Laufens habe ich immer Wasser am Mann und Geld dabei, um für weitere Trinkpausen gerüstet zu sein. Diese machen zwar müde Beine, sind aber gerade in Kombination, mit kurzem Aufenthalt im Schatten, trotzdem unentbehrlich.
Meist stolpere ich in den gleichen Supermarkt, der ungefähr auf der Hälfte meiner Laufstrecke ist. Im Supermarkt muss alles ganz schnell gehen, da er auf arktische Temperaturen runtergekühlt ist und mein Körper, der ja gerade noch draußen in den Tropen joggen war, in Schockzustand versetzt ist.
Die Kassiererinnen hier kennen mich bereits und nehmen mit spitzen Fingern meine nassen Geldscheine für mein Wasser entgegen. Draußen sitze ich dann im Schatten eines Baumes und quatsche mit hochrotem Kopf kurz mit den Massai-Kriegern, die auf dem Supermarkt-Parkplatz die Geländewagen der Expatgemeinschaft bewachen und sich sicherlich fragen, warum man sich so einen Lauf in dieser Hitze antut.
Wenn ich Glück habe, komme ich vor dem Supermarkt sogar schon an einem Kokosnuss-Verkäufer vorbei und kann frisches Kokosnusswasser trinken. Unfassbar erfrischend, voller Mineralien und verursacht keinen Plastikmüll!
Nach dem Laufen mische ich dann ein wenig Salz und Zucker in meine Getränke. Sonst bekomme ich Kopfschmerzen! Für besonders lange Läufe und heiße Tage helfen Electrolyt-Lösungen aus der Apotheke, die sonst bei Durchfallerkrankungen verschrieben werden.
Da die nicht wirklich schmecken, hat ein Lauffreund diverse Rezepte von Anti-Kopfschmerz-Shakes mit Sorten wie Milch-Banane-Espresso-Kakao-Cashew oder Joghurt-Mango-Baobabpulver-Cashew entwickelt.
Noch ein Fehler: Ich laufe zu schnell
Trinken und das richtige Timing allein reichen mir aber noch nicht aus, um zehn oder 20 Kilometer zu überleben. Hierzu musste ich neben Durst und der Sonne mit meiner Strava-App einen weiteren Gegner besiegen: Ich lief nämlich viel zu schnell.
So bog ich nicht nur einmal mit bereits pulsierendem Kopf in ein Strava-Segment meiner Laufrunde ein, erhöhte reflexartig und top-motiviert das Tempo und saß kurz danach völlig entkräftet am Straßengraben.
Meine Runde konnte ich abharken und wieder im Taxi nach Hause fahren. Ganz ohne Strava will ich aber auch nicht laufen. Daher ignoriere ich jetzt einfach meine Laufzeiten und genieße seitdem die neue Freiheit, bei Ampeln nicht mehr hektisch meine Aufzeichnung anhalten zu müssen. Auf ein paar Minuten mehr oder weniger pro Kilometer kommt es mir nicht mehr an.
Ich denke nur noch lächelnd an frühere Läufe zurück, bei denen ich mit hochrotem Kopf, mit verschwitzten Fingern verzweifelt versuchte, mein nasses Handy-Display zu aktivieren, um die Strava-Aufzeichnung zu stoppen und mir so regelmäßig meine Zeit verdarb.
Jetzt ist es mein Ziel, nur möglichst weit zu laufen und vor allem in aufrechter Laufhaltung und Würde zu Hause anzukommen.
Das Handy kaputt geschwitzt
Das Schwitzen beim Laufen birgt im Übrigen noch weitere Herausforderungen mit sich. So bin ich nach wenigen Minuten immer bereits vollständig durchnässt. Mein T-Shirt, meine Hose, meine Schuhe, einfach alles ist komplett nass. Und ich meine nicht verschwitzt. Sondern nass. Als ob ich gerade in voller Montur im Indischen Ozean schwimmen gewesen wäre.