Viele Läufer*innen glauben, der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Enthaltsamkeit. Ein Irrtum, sagt Sexualmediziner Michael J. Mathers und rät vor dem Wettkampf zu amouröser Exstase. Und auch umgekehrt gilt: Wer Sport treibt, vermehrt das Verlangen.
Achilles Running: Herr Mathers, warum macht Sport mehr Lust auf Sex?
Michael J. Mathers: Besonders durch Ausdauersport wird der Testosteronspiegel erhöht, was die Libido steigert. Außerdem wird der Genitalbereich stärker durchblutet. Das verbessert die Erektionsfähigkeit. Auch bei Frauen steigert Sport das sexuelle Verlangen.
Testosteron hin oder her – haben Sportler*innen nicht einfach mehr Lust auf Sex, weil sie sich in ihrem Körper wohler fühlen?
Sicher, die psychische Komponente ist nicht unwesentlich, vor allem, was die Lust der Frauen betrifft. Aber wenn man ausschließlich die Körpervorgänge betrachtet, ist das Schlüsselhormon das Testosteron: Wird seine Bildung durch Sport stimuliert, steigt auch die Lust auf Sex.
Das heißt, ich müsste nach dem Training besonders viel Verlangen verspüren?
Nein, der Effekt ist eher langfristig und auch nicht so drastisch wie bei künstlich zugeführtem Testosteron.
Wie viel muss man trainieren, um die Manneskraft zu stärken?
Am besten man treibt zwei, drei Mal die Woche rund 30 Minuten Ausdauersport und ergänzt dies durch gemäßigten Kraftsport. Dabei sollte man vor allem die untere Partie des Körpers trainieren.
Durch Übungen für den Beckenboden, zum Beispiel Beinpressen, können Männer die Durchblutung steigern und eine Verbesserung der Erektion erreichen.
“Durch Sport lässt sich Impotenz hinauszögern.”
Was ist mit Marathonläufer*innen oder Triathlet*innen: Macht das viele Training nicht vollkommen schlapp?
Natürlich wirkt sich ein sehr intensives Training auf die Libido aus. Das ist aber kein Effekt, der mehrere Monate anhält, sondern der in Schüben kommt. Vor allem nach besonders anstrengenden Trainingseinheiten ist es normal, dass sich die Lust auf Sex in Grenzen hält.
Auf lange Sicht kommt aber auch dem Sexleben von Marathonläufern und Triathleten die positive Wirkung von Ausdauersport zu Gute.
Triathlet*innen sitzen viel auf dem Rad. Man hört immer wieder, dass das impotent machen kann.
Nein, gerade bei Sportlern, die viel Rad fahren, trifft das nicht zu. Diese benutzen den Sattel nämlich fast nur zum Lenken und haben eine Beckenstellung, die wenig Druck auf den Damm verursacht. Am besten ist, regelmäßig zu fahren und die Sitzposition häufig zu wechseln.
Spielt die Art des Sattels auch eine Rolle?
Ja, der Sattel sollte eine Breite haben, die den Druck auf den Damm gut verteilt. Ansonsten wird der Penis nicht ausreichend durchblutet ? und das kann tatsächlich zu Impotenz führen.
Gibt es ein Alter, in dem Männer besonders von Impotenz bedroht sind?
Es ist eindeutig erwiesen: Ab 50 Jahren nimmt die Impotenzrate zu. Durch Sport lässt sich der Zeitpunkt aber hinauszögern.
Kann Sport auch noch helfen, wenn die Impotenz schon eingesetzt hat?
Das hängt davon ab, wie ausgeprägt die erektile Dysfunktion – die Impotenz – ist. Bei Betroffenen, die noch zu Geschlechtsverkehr in der Lage sind, hilft Beckenbodentraining, um die Erektionsfähigkeit zu steigern.
“Wer sich vor dem Wettkampf durch Sex wohler fühlt, sollte es tun.”
Ist der positive Effekt auf die Potenz ausschließlich auf den Sport zurückzuführen? Oder hängt er mit einer insgesamt gesünderen Lebensweise von Sportler*innen zusammen?
Beides trifft zu. Sport ist ein Programm, das auch im Kopf abläuft: Man isst gesünder, raucht nicht und kann Stress besser abbauen. Das hilft auch der sexuellen Leistungsfähigkeit.
Ist Sex vor dem Wettkampf gut oder schlecht für die sportliche Leistung?
Für eine herausragende Leistung ist die psychische Ausgeglichenheit entscheidend. Wer sich also durch Sex wohler fühlt, sollte es tun. Im Leistungssport sieht man das mittlerweile auch nicht mehr so eng …
… Sie meinen Fußballer, die im Mannschaftshotel Besuch von ihren Frauen bekommen.
Genau. Man weiß: Die Wettkämpfe werden auch im Kopf gewonnen – und dazu trägt ein befriedigendes Sexualleben bei.
Zur Person: Dr. Michael J. Mathers, geboren 1961 in den USA, studierte Medizin in München, Bonn, Boston und Baltimore. Für seine Habilitation forschte er über männliche Sexualstörungen. Mathers arbeitet als Urologe in Remscheid.