Der Doping-Wahnsinn spült alle paar Jahre neue Tragödien an den Sportstrand. Heute folgte der nächste Hammer: Auch Achim Achilles gestand die Einnahme leistungssteigender Substanzen – und fordert den Doping-Euro.
Ja (schluchz) ich gestehe (schnief), auch ich habe gedopt (schluchz-schnief), ich habe mich (schnäuz), meine Gegner*innen (kurze Kunstpause), die ganze Welt (längere Kunstpause, leises Stöhnen) belogen.
Seit Tagen übe ich diesen bewegenden Auftritt. Ausdauersportler*innen, die etwas auf sich halten, hatten ja jetzt fast alle ein Solo im Fernsehen. Ich will auch zu Beckmann. Aber nicht unter 50.000 Euro, sagt Mona.
In der Tat: Ich habe auch mal gedopt. Es war vor drei oder vier Jahren, am Morgen des Berliner Volkstriathlons. Ich war zu dick, zu schlecht trainiert und maximal motivationslos.
Aber Klaus Heinrich war auch am Start. Es ging also um alles. Gegen meinen niedrigen Blutdruck habe ich erst einmal zwei große Tassen Espresso mit wenig Milch gefrühstückt und dann aus Monas Diätpillenkiste noch zwei, drei Guarana-Kapseln gemopst.
Guarana schwimmt heute in jeder Babybrause. Das Zeug kommt aus dem Busch, wo es Eingeborene seit Jahrhunderten unkaputtbar macht. Ich wäre bestimmt nicht durch den Dopingtest gekommen.
Muss ich jetzt das lappige Finisher*innen-Shirt wieder abgeben? Kein Problem. Liegt in einer Schachtel in unserer Garage, können die sich jederzeit abholen.
Fast abgesoffen, weil das Herz so raste
Dabei ist mir nur schlecht geworden, der Mund ganz trocken trotz Seewasser und fast wäre ich abgesoffen, weil mein Herz so raste. Auf jeden Fall möchte ich mich bei all meinen Gegner*innen entschuldigen, dass ich beim Schwimmen eine so jämmerliche Figur abgegeben habe.
Dieses Jahr werdet ihr es wieder mit Achim, dem weichen Delphin, zu tun bekommen, der garantiert nur Bit-Reste im Blut hat.
Mich würde allerdings mal interessieren, ob beim Volksport wirklich alle sauber antreten. Neulich hörte ich von einem erfahrenen Volksradfahrer, dass ein paar Aspirin in Cola gelöst die dicken Beine auf den letzten Kilometern herrlich betäuben.
Katarina, meine Apotheken-Bekanntschaft aus dem Ostwestfälischen, die ich schon seit Jahren erfolglos um Epo anwinsele, erzählt von einem Laufkumpan, der beim Marathon unterwegs eine Handvoll Diclofenac einwirft.
Betäubst du noch, dopst du schon richtig oder bestellst du nur im Internet? Natürlich ist es kein richtiges Doping, was der Lauftrainer Greif in seiner Online-Apotheke anbietet. Deren Werbesprüche klingen wie aus der Freiburger Giftküche entflohen: “Maca Sativa” zum Beispiel, das die “Testosteron-Produktion im Körper fördern” und “ohne Einschränkungen auch in großen Mengen verzehrt” werden kann.
Hier gibt es natürlich Guarana, das “stärkste und natürliche Anregungsmittel” und allerlei anderes Zeug, was die Sauerstoffaufnahme herauf- und die Regenerationszeit herabsetzt. Alles nicht verboten. Aber die testosteron-freudige Anpreiserei illustriert die Denke dahinter.
Hier kann ich mir einen Vorteil kaufen, der bis dicht an die Verbotszone reicht. Was überlegt sich da wohl manch Hobby-Läufer*in, der*die trotz heftigen Trainings nicht mehr schneller wird?
Die Falle des Sport-Profis: Ohne Doping keine Siege
Die Dopingbereitschaft ist ein fester Bestandteil der Wettbewerbsgesellschaft, die nicht Moral will, sondern Erfolg. Was nervt, ist die moralische Empörung, mit der Politik, Funktionäre und Medien über genau jene Athlet*innen herfallen, die so wohldosiert ihre Geständnisse abgegeben haben, dass sie keine juristischen Folgen zu befürchten haben. Die Zeigefinger-Wedler*innen sind die gleichen Bessermenschen, die unsere Jungs verspotten, wenn sie mal nicht vorn dabei sind.
Gegen uns, eine erbarmungslose Öffentlichkeit hat kein Sport-Profi eine Chance. Er sitzt in der Falle: Ohne Doping keine Siege, ohne Siege kein Jubel, weder Sportförderung, Sponsoren noch Vertragsverlängerung. Unser Hochleistungssystem erzwingt das schizophrene Verhalten der Athlet*innen geradezu: Tue alles, um schneller zu werden, denn nur der Schnellste zählt.
Und das ist beim Volkssport nicht anders. Ein Marathon-Veranstalter sollte mal folgendes Experiment machen: Alle Teilnehmer*innen bekommen bei der Nummernausgabe ein kleines Fläschchen mit einer verbotenen, aber hochwirksamen Substanz, die ihnen eine um fünf bis fünfzehn Minuten bessere Zeit verschafft.
Freizeit-Sportler*innen können das Zeug nehmen, heimlich zu Hause oder einfach ins Klo kippen. Wieviel Prozent würden zumindest mit dem Gedanken spielen, Monate entbehrungsreichen Trainings pharmazeutisch ein wenig abzusichern? Wie viele würden behaupten, sie hätten es weggekippt, aber trotzdem genascht? Und wie viele würden es aufbewahren. Man weiß ja nie. Ich hätte es natürlich weggekippt, logisch.
Im Sport wird viel zu wenig geblitzt
Wer den Einsatz verbotener Mittel mit dem Hinweis auf Moral unterbinden will, glaubt auch daran, dass erhobene Zeigefinger gegen Steuerhinterziehung, Korruption oder Falschparken helfen. Leider funktioniert das strukturell zur Vorteilsnahme neigende Menschenskind ganz anders. Es verhält sich nur dann regelkonform, wenn es Angst hat, erwischt zu werden. Geschwindigkeitsbegrenzungen werden auch nur dort eingehalten, wo alle paar Meter ein Blitzer steht.
Im Sport wird viel zu wenig geblitzt. Derzeit rennen die Doping-Fahnder*innen der Mafia mit ihren leeren Urinbechern hilflos hinterher. Doping wird erst dann weniger, wenn die Fahnder*innen so gerissen sind wie die Doper*innen.
Dafür brauchen sie keine Moral, sondern Geld, von Sponsoren, Politik und Fernsehen. Früher gab’s den Sportgroschen. Jetzt ist es dringend Zeit für den Doping-Euro!