Blutzucker-Tracking ist in. Die einen versuchen damit ihre sportliche Performance zu verbessern, die anderen ein paar Pfunde verlieren. Selbsternannte Glukose-Expert:innen wie die “Healthfluencerin” Jessie Inchauspé aka die “Glucose Goddess” wollen den Blutzucker-Code entschlüsselt haben und behaupten: Wer den eigenen Blutzuckerspiegel kontrolliert, lebt länger, gesünder und leistungsstärker. Doch stimmt das wirklich? Gemeinsam mit Ernährungsmedizinerin Dr. Cornelia Ott werfen wir einen kritischen Blick auf Blutzuckerspitzen und ihre Relevanz für den Sport.
Blutzucker-Tricks auf dem Prüfstand
Ernährungsratgeber gibt es wie Sand am Meer – und die „Glucose Hacks“ sind ein weiterer Trend, der das Abnehmen erleichtern soll. Jessie Inchauspé, besser bekannt als die „Glucose Goddess“, propagiert stabile Blutzuckerkurven als Schlüssel zu Gesundheit und Gewichtsmanagement und liefert eine Reihe von Tricks, um diese zu regulieren. Doch was steckt wirklich dahinter?
Bringt es tatsächlich Vorteile, beispielsweise eine bestimmte Essensreihenfolge einzuhalten, mehr Gemüse zu essen oder „nackte Kohlenhydrate“ zu meiden? Kleine Studien zeigen positive Effekte, doch wissenschaftlich gesicherte Beweise fehlen. Viel entscheidender als eine strikte Reihenfolge ist eine ausgewogene Ernährung. Das Harvard-Tellermodell bietet hier eine sinnvolle Orientierung: Die Hälfte des Tellers sollte aus Gemüse bestehen, ein Viertel aus Eiweiß und ein weiteres Viertel aus Kohlenhydraten.
Cornelia befürwortet jedoch die Aussage, dass man idealerweise drei Mahlzeiten am Tag zu essen, da unser Körper Zeit zum Verdauen braucht. Snacks zwischendurch können diesen Prozess stören. Auch Essig kann sich positiv auf die Verdauung auswirken, doch ein Löffel pur vor jeder Mahlzeit ist nicht nötig – ein Spritzer im Salat reicht völlig. Zusammengefasst beduetet das also: Viele der Tipps sind bereits bekannt oder stark verallgemeinert. Leistungssportlerinnen mit hohem Energiebedarf oder Menschen mit einer Neigung zu Essstörungen sollten zudem vorsichtig sein und ihre individuellen Bedürfnisse berücksichtigen.
Blutzucker tracken – sinnvoll oder überbewertet?
Nachdem wir die „Glucose Hacks“ genauer betrachtet haben, stellt sich die Frage: Wie relevant sind Blutzuckerspitzen wirklich, und bringt das Tracking gesunden Menschen tatsächlich Vorteile? In der Medizin gibt es keine einheitliche Definition für „Blutzuckerspitzen“ bei gesunden Menschen. Ein Anstieg nach Mahlzeiten ist völlig normal – Werte bis 140–160 mg/dl sind nicht ungewöhnlich. Verschiedene Faktoren wie Schlafmangel, Stress oder körperliche Aktivität können die Reaktion des Körpers auf Kohlenhydrate beeinflussen. Erst ab etwa 180 mg/dl spricht man gelegentlich von einer „magischen Grenze“, doch wissenschaftlich gesicherte Standards fehlen. Während extreme Schwankungen potenziell problematisch sein könnten, sind Blutzuckermessungen oft nicht exakt genug, um pauschale Aussagen zu treffen.
Besonders in der Debatte um Gewichtskontrolle spielt Blutzucker-Tracking eine große Rolle. Laut der „Glucose Goddess“ helfen stabile Blutzuckerkurven beim Abnehmen – wissenschaftlich belegt ist das jedoch ebenfalls nicht wirklich. Zwar kann eine Low-Carb-Ernährung manchen Menschen beim Gewichtsverlust helfen, anderen jedoch nicht.
Blutzucker und Energieversorgung im Ausdauersport
Blutzucker-Tracking ist nicht mehr nur für Diabetiker:innen relevant – auch im Sport gewinnt es an Aufmerksamkeit. Besonders im Leistungssport nutzen viele Athlet:innen Blutzuckersensoren, um ihre Energiezufuhr gezielt zu steuern. Doch bringt das für Läufer:innen tatsächlich Vorteile, oder handelt es sich eher um einen überflüssigen Trend?
Fest steht: Regelmäßige Bewegung beeinflusst den Blutzuckerhaushalt positiv. Muskeln nehmen Zucker effizienter auf, teils sogar ohne Insulin, wodurch sich die Insulinsensitivität verbessert. Das sorgt für einen stabilen Blutzucker und hält den Stoffwechsel flexibel. Dennoch können intensive Belastungen wie HIIT oder lange Laufeinheiten kurzfristig Blutzuckeranstiege verursachen, da der Körper schnell Energie bereitstellt. Langfristig hilft Training jedoch, Blutzuckerschwankungen besser auszugleichen und den Stoffwechsel leistungsfähig zu halten. Für ambitionierte Läufer:innen kann Blutzucker-Tracking daher eine sinnvolle Unterstützung sein, um die optimale Kohlenhydratzufuhr während des Trainings zu bestimmen und Leistungseinbrüche zu vermeiden. Besonders für Langstreckenläufer:innen kann es helfen, den individuellen Energiebedarf besser einzuschätzen. Gleichzeitig birgt ein übermäßiger Fokus auf Blutzuckerwerte Risiken – wer sich zu sehr an Zahlen orientiert, kann in eine ungesunde Ernährungsweise rutschen und den natürlichen Umgang mit dem eigenen Körpergefühl verlieren.
Eine bewusste Ernährung spielt generell eine entscheidende Rolle für die Energieversorgung und den Blutzuckerhaushalt. Auch schlanke, trainierte Menschen können Insulinresistenz oder Fettleber entwickeln, insbesondere wenn die Ernährung langfristig nicht ausgewogen ist. Wer viel trainiert, sollte deshalb nicht nur auf die Leistung, sondern auch auf eine ausreichende Nährstoffversorgung achten Vor dem Training sorgen Kohlenhydrate, Ballaststoffe und Proteine für eine gleichmäßige Energiebereitstellung. Während langer Einheiten helfen schnell verfügbare Kohlenhydrate, Leistungseinbrüche zu vermeiden. Nach dem Training unterstützt eine Kombination aus Kohlenhydraten und Proteinen die Regeneration und füllt die Energiespeicher wieder auf.
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