Florian “Flo” Neuschwander ist der Forrest Gump der deutschen Läuferszene. Er läuft und läuft. Im Interview mit Achilles Running erzählt er, wie viel Kilometer er pro Woche abreißt, ob das “Ballern” schon mal in die Hose ging und wieso er lange Läufe liebt.
Achilles Running: Hey Flo, wie läufts?
Florian Neuschwander: Das Trainings läuft ganz gut. Ich trainiere kurze Sachen. Im Trainingslager auf Mallorca war ich leider die erste Woche krank, daher bin ich nicht ganz auf die Kilometeranzahl gekommen, die ich geplant hatte. Aber die Einheiten, die ich gemacht habe, waren gut.
Wie viel Kilometer reißt du pro Woche ab?
Vorgenommen hatte ich mir 450 km für zwei Wochen. Tatsächlich konnte ich aber nur 250 km rennen.
“Ich spüre in den Beinen, ob ich was reißen kann oder nicht”
Hast du noch etwas anderes trainiert – außer laufen? Stabis oder so?
Nee, fast nur laufen. Zwei Mal bin ich Rad gefahren.
Wird dir das nicht mal langweilig?
Nö. War ja nicht lang. 30 Kilometer pro Tag sind ja schnell abgearbeitet: morgens und abends ein Stündchen.
Kurzer Rückblick: Für dich war 2016 ein bewegtes und bewegendes Jahr. Viel passiert. Was hast du daraus mitgenommen?
Nichts direkt. Nur, dass ich dieses Jahr schneller rennen will.
Dein Motto ist ja ballern. Ging der Schuss auch mal nach hinten los?
Klar, immer mal (lacht), aber nicht direkt in die Hose, aber, manchmal willst du richtig Gas geben im Training oder Wettkampf ? und dann geht nichts. Meistens merke ich aber schon am Tag vorher, ob ich was reißen kann oder nicht. Das spüre ich in den Beinen.
Aha, was passiert da?
Vor ein paar Wochen zum Beispiel. Da hatte ich eine gute Einheit und habe etwas gemacht, was ich vorher noch nie getan habe: 5 x 5000 Meter gerannt. Am Abend vorher spürte ich so ein leichtes Kribbeln in den Beinen. Da wusste ich: Die Einheit wird gut.
“Beim Wings for Life World Run einmal um die Welt laufen”
Wie gehst du mit Verletzungen und Krankheiten um?
Ich mache dann wirklich nichts. Klar werde ich nach ein paar Tagen nervös, aber ich mache mich nicht verrückt. Manche Hobbysportler gehen ja auf Teufel komm raus Laufen, obwohl sie krank sind. Das mache ich nicht. Ich höre auf meinen Körper und ruhe mich aus. Manchmal ist so eine Zwangspause gar nicht schlecht. Oft genug gönnt man sonst dem Körper nicht ausreichend Regeneration.
Was steht als nächstes an?
Erst der Halbmarathon in Lissabon und dann der Wings for Life World Run. Da wollen wir einmal um die Welt laufen.
Ernsthaft?
Naja, das ist das Optimalziel. Ist aber nicht ganz leicht. Wir bräuchten 2200 Läufer im Team, von denen jeder 20 Kilometer im Schnitt rennen müsste. Das wären dann 44.000 Kilometer ? die Länge des Äquators: einmal um die Welt. Aber das ist schon eine Ansage.
Wie viel Läufer hast du derzeit?
derzeit mehr als 900.
Video: Wings for Life 2017
“Je länger das Rennen ist, desto gemütlicher kann ich es angehen”
Wo läufst du?
Ich laufe diesmal in Mailand ? die Strecke ist schneller als in München.
Bist du eigentlich dafür verantwortlich, dass Läufer immer mehr aussehen wie Hipster?
Puh, keine Ahnung, ich bin ja kein Hipster. Ich sehe nur so aus, weil ich so aussehen will. Kann ja jeder machen, wie jeder möchte. Aber mir schreiben tatsächlich viele, dass sie es geil finden, wie ich das mache und dass ich sie motiviere.
Manche bestellen auch meine Kappe und mein “Run with the Flow”-Shirt – und dann sehe ich auf Facebook, Instagram oder Twitter, wie sie mit Shirt, Kappe und aufgeklebten Schnäuzer laufen.
Du arbeitest immer noch im Frankfurter Laufshop ? nur aus Spaß oder auch für die Kohle?
Ja, beides halt. Mein Chef unterstützt mich und es macht mir Spaß, dort zu arbeiten. Nur allein von der Lauferei kann ich nicht leben. Außerdem brauchst du immer mehrere Standbeine.
Wann hast du eigentlich gemerkt, dass die langen Läufe was für dich sind?
Ich bin früher auf der Bahn gelaufen. Aber 800 Meter tun einfach so weh. Man muss direkt da sein. Wenn du den Start verpennst oder eine Runde verbummelst, ist die Zeit weg und das Rennen ist im Arsch. Das hat mich sehr genervt. Jetzt ist es so: Je länger das Rennen ist, desto gemütlicher kann ich es angehen.
Ich habe keinen Stress, wenn fünf oder sechs Läufer meinen, sie müssten vorneweg rennen. Ja, dann hole ich sie eben am Schluss wieder ein. So einfach ist das (lacht).
Zur Person: Florian “Flo” Neuschwander, Jahrgang 1981, ist ein Ultraläufer und der erste Deutsche, der den Transrockies Run (6 Tage, 193 Kilometer, ca. 6.000 Höhenmeter) in den USA gewann. 2015 war er bereits der erfolgreichste Deutsche beim Wings for Life World Run. https://run-with-the-flow.com/
Zum Event: Der Wings for Life World Run ist ein weltweites Rennen, bei dem die Läufer von einem Catcher Car eingeholt werden. Das Auto startet eine halbe Stunde nach den Läufern. Wer am längsten durchhält, gewinnt. Das gesamte Startgeld geht zu 100 Prozent in die Rückenmarksforschung. Mehr Infos im www.wingsforlifeworldrun.com.