Wer sich nicht bewegt, verklebt. Im Interview spricht Yoga- und Pilates-Trainerin Amiena Zylla über Faszienbahnen und erklärt, wie Fußmassagen Verspannungen im Rücken lösen können. In einem Video zeigt sie außerdem Übungen zum Ausprobieren.
Achilles Running: Amiena, Du unterrichtest Faszien-Yoga. Wie unterscheiden sich die Kurse vom üblichen Yoga?
Amiena Zylla: Drei Elemente sind besonders wichtig: Bewegung, Ganzheitlichkeit und Flexibilität. Im klassischen Hatha-Yoga verharrt man oft längere Zeit in einer bestimmten Pose und dehnt so eher lokal. Beim Faszien-Yoga sind wir viel in Bewegung.
Wir verlassen die klassischen Ausrichtungen und bewegen den Körper in verschiedene Winkel. So dehnen wir ganze Faszienbahnen und nicht nur Muskelteilgebiete.
Wie kann man sich das Training von Faszienbahnen vorstellen?
Die Hauptelemente bei meinem Faszien-Yoga sind das Dehnen, Federn und Schwingen. Wir beziehen den ganzen Körper mit ein und arbeiten mit fließenden statt statischen Bewegungen.
Viele denken, Faszien-Training ginge nur mit einer Faszienrolle, aber das stimmt gerade nicht. Außerdem bietet die Arbeit mit den Faszien viel Freiraum für individuelles Vorgehen.
Schaut man in einen normalen Yoga-Kurs, wird man fast alle Teilnehmer*innen in der gleichen Pose sehen. Beim Faszien-Yoga kann es auch sein, dass die Formen stark voneinander abweichen. Es geht darum, auf den Körper zu hören und zu spüren, was ihm guttut.
Warum ist Faszien-Training wichtig?
Wenn wir Verspannungen haben, liegt es in erster Linie an den Faszien. Wenn wir sie nicht trainieren, verkleben beziehungsweise verfilzen sie. Das kann man sich vorstellen wie bei einem zu heiß gewaschenen Wollpulli, dessen Gewebe so seine Leichtigkeit und Flexibilität verliert.
Unbewegliche Faszien bedeuten einen unbeweglichen Körper. Durch das gezielte Training der Faszien kann man Verspannungen lösen, eine höhere Beweglichkeit erzielen und generell geschmeidiger werden.
Man liest derzeit viel über Faszien-Training. Könnte es nicht auch ein vergänglicher Trend sein?
Vor einigen Jahren habe ich zum ersten Mal über Faszien gelesen und es anfänglich tatsächlich als Hype abgetan. Doch je mehr ich darüber erfuhr, desto klarer wurde mir, dass ich mich damit beschäftigen wollte. Denn Faszien sind das Gewebe, das unseren Körper zusammenhält – also kann es keine reine Trenderscheinung sein.
Yoga ist nicht jedermanns Sache – wie kann man seine Faszien noch beweglich halten?
Man kann die Faszien zum Beispiel auch super beim Laufen trainieren, indem man Variationen in das Lauftraining einbaut: seitwärts und rückwärts laufen, hüpfen, springen, in den Pausen ein paar Übungen an einer Bank oder an einem Baum machen. Ich habe das früher schon instinktiv gemacht. Heute weiß ich, dass es für meine Faszien war.
Yoga, Pilates, Tanzen oder etwas ganz anderes – viele Sportarten trainieren die Faszien mit. Natürlich gibt es auch Sportarten wie Bodybuilding und klassisches Fitness-Training, was eher den Muskelaufbau fördert.
Gibt es neben Sport andere Verhaltensweisen, die gut für die Faszien sind? Oder eben schädlich?
Man sollte einfach Schwung in sein Leben bringen. Faszien mögen keine “Couchpotatoes”. Sie brauchen Bewegung, um beweglich zu bleiben. Es kann auch schon helfen, sich öfter mal zu strecken, sich also in eine Dehnbewegung zu begeben, die sich gerade gut anfühlt. Wobei dies nicht das spezifische Faszien-Training ersetzt.
Gibt es neben der Faszienrolle weitere Möglichkeiten, die Faszien von außen zu stimulieren, zum Beispiel durch Bekleidung?
Diese Kleidung kenne ich nicht, aber an den Füßen könnte es sehr sinnvoll sein. In der Fußsohle liegt eine der wichtigsten Faszien, die Fußsohlenfaszie. Sie wird zu wenig gedehnt. Daher sollten wir zum Beispiel öfter mit einem Tennisball unsere Fußsohlen massieren. Das kann sogar Verspannungen im Rücken lösen. Mehr zum Thema erfährt man in ihrem Buch “Dynamisches Faszien-Yoga”.
Man kann durch Fußmassage Rückenbeschwerden verbessern?
Ja, denn von der Fußsohle aus läuft eine Faszienbahn über die komplette Länge unserer Rückseite bis zu unseren Augen. Unsere Füße tragen oftmals unser komplettes Gewicht und dann stecken wir sie noch den ganzen Tag in Schuhe. So können Verspannungen im Körper entstehen, deren Auswirkungen wir bis in den Nackenbereich spüren, und die somit unsere Beweglichkeit stark eingrenzen.
Ist eine ausgeprägte Beweglichkeit erlernbar oder Veranlagung?
Zum Teil ist sie erlernbar. Denn tatsächlich sitzt unser Gewebetyp in der Veranlagung. Man kann bis zu einem gewissen Grad beweglicher werden. Wenn man aber von Haus aus ein fester Gewebetyp ist – meistens Männer – ist irgendwann eine Grenze erreicht.
Dynamisches Faszien-Yoga mit Amiena Zylla
Zur Person: Amiena Zylla ist Yoga- und Pilates-Trainerin, Sport- und Bewegungspädagogin sowie Tänzerin. Die Südafrikanerin hat zahlreiche Bücher geschrieben und unterrichtet seit mehr als 20 Jahren Yoga und Pilates. 2005 eröffnete sie ihr Studio “Amienas Werkstatt” in München. Seit einigen Jahren hat sie ihren Fokus auf das Thema Faszien gelegt.