Jahrzehntelang galt Cardio als absolutes “Allheilmittel” fürs Abnehmen. Jüngere Studien haben allerdings ergeben: Cardio – und Sport allgemein – haben weniger Effekt auf unseren Energieverbrauch, als lange angenommen wurde. Der Anthropologe Hermann Pontzer will sogar herausgefunden haben, dass sich unser Kalorienbedarf durch mehr Bewegung überhaupt nicht ändert. Was an all diesen krassen Behauptungen dran ist, und was Cardio WIRKLICH mit uns macht, verrät uns Prof. Dr. Dr. Christine Joisten.
Warum sollten wir Cardio machen?
Cardio ist einfach toll. Nicht nur weil es super viel Spaß macht sondern auch weil es eine Vielzahl positiver Auswirkungen auf den Körper hat. Es stärkt das Herz-Kreislauf-System und hilft, chronischen Erkrankungen vorzubeugen. Durch regelmäßiges Ausdauertraining werden die Gefäße elastischer und gesünder, was die Durchblutung fördert und auch das Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle senkt. Doch nicht nur das Herz profitiert: Auch die Lunge wird gestärkt. Die kardiorespiratorische Fitness – also die Fähigkeit von Herz und Lunge, Sauerstoff effizient in die Muskulatur zu transportieren – bleibt durch Cardio auf einem hohen Niveau. Dies ist besonders wichtig, da die Mitochondrien in den Muskelzellen diesen Sauerstoff benötigen, um Energie zu produzieren.
Und das Gute ist: Grundsätzlich kann jede:r Cardiotraining machen und davon profitieren. Allerdings sollte das Training immer auf die individuellen Bedürfnisse und körperlichen Voraussetzungen angepasst werden. Ob jung oder alt, Anfänger:in oder Fortgeschrittene: Jeder kann und sollte sein eigenes Tempo finden.
Cardio und Abnehmen: ist es wirklich das Nonplusultra?
Viele Menschen beginnen mit Cardio-Training, um Gewicht zu verlieren. Doch ist es wirklich die effektivste Methode? Die Antwort ist komplexer, als oft angenommen. Ausdauertraining galt lange als der Schlüssel zum Fettabbau, doch heute betrachten Experten dieses Thema differenzierter. Studien zeigen, dass allein durch vermehrten Sport nur begrenzte Erfolge beim Abnehmen erzielt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass Cardio-Training unwirksam ist – es muss nur richtig eingesetzt werden. Regelmäßiges Cardio-Training führt nämlich zu einer Erhöhung der Mitochondrien in den Muskelzellen und einer gesteigerten Aktivität der fettverbrennenden Enzyme. Das befähigt trainierte Personen, Fette effizienter als Energiequelle zu nutzen. Bei ihnen stammen etwa 60 % der benötigten Energie aus Fetten und 40 % aus Kohlenhydraten – bei untrainierten Menschen ist dieses Verhältnis oft umgekehrt. Um den Fettstoffwechsel optimal zu fördern, müssen sowohl Trainingsintensität als auch -dauer richtig abgestimmt werden.
Für besonders gute Erfolge ist die Kombination aus Cardio- und Krafttraining vorteilhafter als reines Ausdauertraining. Eine entscheidende Rolle spielt dabei jedoch vor allem die Ernährung. Diese sollte möglichst ausgewogen sein und an den Kalorienbedarf angepasst werden.
Christine räumt außerdem mit einem weit verbreiteten Missverständnis auf: Viele glauben, dass sie durch mehr Sport auch mehr essen können, ohne an Gewicht zuzunehmen. In Wahrheit überschätzen jedoch viele ihren Kalorienverbrauch nach dem Training. Oft essen wir mehr, als wir denken. Deshalb ist es wichtig, den tatsächlichen Energieverbrauch realistisch zu beurteilen.
Was wir noch berücksichtigen sollten
Unsere Körper sind evolutionär darauf ausgelegt, Energie zu sparen. Das bedeutet, dass sie bei hoher Belastung nicht automatisch mehr Kalorien verbrennen, wenn die Energieszufuhr nicht ausreicht. Zu viel Training und gleichzeitig zu wenig Essen kann dazu führen, dass der Körper in eine Art „Sparmodus“ wechselt, Muskelmasse abbaut und der erhoffte Gewichtsverlust ausbleibt – erzählt Christine. Das Zusammenspiel zwischen Ernährung und Bewegung ist also entscheidend – nicht nur für die Fettverbrennung, sondern auch für die allgemeine Gesundheit. Auch der Faktor Stress spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle, wenn es um unser Gewicht geht. Viele Menschen neigen dazu, in stressigen Zeiten mehr oder ungesünder zu essen, was den Gewichtsverlust behindern kann. Auf der anderen Seite gibt es auch Menschen, die bei Stress gar keinen Appetit verspüren. Daher ist der Umgang mit Stress genauso wichtig wie das Training selbst.
Abschließend sollten wir die Erwartungen an das Cardio-Training realistisch halten. Laufen sollten nicht nur als Mittel zum Zweck gesehen werden, um Gewicht zu verlieren. Vielmehr sollten wir den Fokus auf die anderen positiven Auswirkungen werden. Regelmäßige Bewegung kann beispielsweise meditativ wirken und zur mentalen Entspannung beitragen – sagt Christine.
In der Folge sprechen wir mit Christine auch über die umstrittene Hermann Pontzer Studie und erörtern Fehler und Fehlschlüsse. Wenn ihr mehr darüber erfahren möchtet und Expertinnentipps hören wollt, hört rein! Die Folge findet ihr wie immer auf Spotify, Apple Podcasts und überall da, wo es Podcasts gibt.