Immer öfter liest man davon, aber was isst man als Clean Eater? Ernährungswissenschaftlerin Larissa Häsler erklärt, was zum sauberen Essen gehört, wie es funktioniert und warum dunkle Körnerbrötchen häufig Mogelpackungen sind.
Larissa, woher kommt der Clean Eating Trend?
Eigentlich ist es kein neuer Trend, sondern ein Schritt zurück zu einer Ernährungsweise, in der viel Frisches und Unverarbeitetes gegessen wird. Lebensmittel, die Garten und Natur hergeben und nicht von der Lebensmittelindustrie in Laboren gemischt werden, sind Hauptbestandteil der täglichen Ernährung.
Der Begriff und die Popularität kommen primär aus den USA. Clean Eating klingt einfach hipper als gesundes, sauberes Essen oder “Essen wie Oma” mit neuen Rezepten.
Wie esse ich beim Clean Eating denn genau?
Es gibt nicht die eine Definition, Clean Eating ist auch nicht automatisch vegan. Manche Clean Eater essen durchaus Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte. Tatsächlich kommt die Kombination clean und vegan aber am häufigsten vor.
Was Clean Eater eint, ist, dass sie weitestgehend unverarbeitete und saisonale frische Lebensmittel verwenden. Meistens wird auf dem Wochenmarkt oder im Bio-Laden eingekauft und vieles wird selbst gemacht. Harte Regeln gibt es aber eigentlich nicht.
Es geht vor allem darum, sich mit dem, was man isst, auseinanderzusetzen und auszukennen, sodass man weiß, woher es kommt und was es mit dem Körper macht. Dadurch landet man fast zwangsläufig bei einer gesunden, abwechslungsreichen, also sauberen Ernährung.
Es gibt wirklich nichts, das verboten ist?
Verbote sind nicht notwendig, was aber sicher nicht optimal in den Ernährungsstil passt, sind Sachen wie Fastfood, Schokoriegel und Gummibärchen. Generell werden stark verarbeitete Produkte und Haushaltszucker vermieden.
Hältst du dich strikt daran?
Ich finde, das Thema Ernährung muss locker angegangen werden. Eine verkrampfte, totalitäre Einstellung bringt nichts. Schließlich soll Essen auch Genuss sein. Es kommt auf das große Ganze an – wenn man sich prinzipiell gesund ernährt, sind Ausnahmen kein Problem.
Man verliert das Verlangen nach Süßem
Lieblingsausnahme?
Dunkle Schokolade! Ich esse gelegentlich auch mal ein Stück Kuchen. Mit der Zeit verliert man aber das ständige Verlangen nach Süßem. Wenn der Süßhunger doch mal kommt, dann genieße ich bewusst, esse aber keine Unmengen. Bei mir reicht eine Tafel Schokolade gut einen Monat.
Also hast du auch keine Klassiker wie eine Packung Mehl oder Zucker im Regal?
Statt Weißmehl verwende ich überwiegend Vollkornmehl. Statt Zucker gibt es bei mir – wenn überhaupt – Kokosblütenzucker und Agavendicksaft. Im Regal steht auch eine kaum angerührte Dose Xylit – das habe ich für sehr wenige Rezepte in meinem Buch verwendet. Das passt aber auch für mich nicht ganz ins Clean Eating. Klar, diese Zuckeralternative hat weniger Kalorien und soll gut für die Zähne sein – industriell verarbeitet ist sie dennoch.
Ich finde ohnehin, man sollte so wenig wie möglich nachsüßen und wenn doch, dann mit frischen Früchten oder Trockenfrüchten, damit sämtliche Nährstoffe und Ballaststoffe mit aufgenommen werden.
Warum nutzt du die Süßungsalternativen dann in deinen Rezepten?
Es darf nicht zu gesund schmecken. Gerade für Menschen, die sich neu mit dem Clean-Eating-Prinzip beschäftigen, wird es auch geschmacklich eine Umstellung sein. Neulinge sollen nicht das Gefühl haben, sie würden in ein Stück Pappe beißen. In den meisten Rezepten können die Zuckeralternativen nach Belieben weggelassen werden.
Dein Blog und dein Buch heißen “Free your Food” – was meinst du damit?
Der Name ist eine Einladung, seine Ernährung von stark verarbeiteten Lebensmitteln und mit Zusatzstoffen vollgeladenem Essen zu befreien und zu einer Ernährung aus natürlichen, weitgehend unverarbeiteten Lebensmitteln zu finden.
Warum?
Der Alltag vieler Menschen ist heutzutage recht gehetzt. Der Markt hat sich angepasst und es gibt eine Flut an Fertigprodukten, denen zum Beispiel Zucker, Stabilisatoren und Konservatoren zugeführt wurden. Sie sind schnell verfügbar, schmecken den meisten gut und halten sich lange.
Diese Zusatzstoffe sind aber meist schlecht für unseren Körper und durch die Verarbeitung gehen wichtige Nährstoffe verloren.
Wie zum Beispiel?
Mehl: Die meisten Nährstoffe stecken in der Schale. Die wird für das Gebräuchlichste, nämlich Weißmehl, entfernt. Bei Vollkornmehl bleiben sämtliche Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe enthalten.
Wie kamst du zum Clean Eating?
Vegetarierin wurde ich mit zwölf, weil ich nicht wollte, dass Tiere für mich sterben. Meine Mutter fand es anfangs gar nicht toll und dachte, diese Teenie-Phase vergeht schnell. Ist nie passiert. In der Zeit habe ich angefangen, viel selbst zu kochen und mir Wissen über gesunde Ernährung anzulesen. Tatsächlich gab es aber bei uns daheim nie Fertigsuppen oder Dosenessen, sodass ich von klein auf mit gesunder Ernährung aufgewachsen bin. Nach dem Abi war mir dann klar, dass ich Ernährungswissenschaften studieren will.
Du bist Studentin – gehst du in die Mensa?
Nein, da gibt es nichts, was meinen Vorstellungen entspricht.
Macht das nicht einsam?
Gar nicht. In meinem Freundeskreis gehen die wenigsten in die Mensa. Ich mag es sogar, nicht dort essen zu müssen. So erspare ich mir den Ansteh-Aussuch-es-gibt-nicht-was-ich-will-Stress und kann wirklich kurz abschalten. Klar kostet es mich Zeit, mein Essen vorzubereiten – das ist es mir aber wert.
Ich koche fast immer selbst
Was ist mit Restaurants?
Ich koche fast immer selbst. Wenn ich dann doch mal essen gehe, achte ich darauf, dass es vegan ist – das mit dem clean ist dann zweitrangig. Sicher, ich kann eine Pizza ohne Käse bestellen, aber welcher Italiener hat schon einen Vollkornboden?
Das klingt ziemlich umständlich.
Umständlich ist es eigentlich nur unterwegs. Mal eben einen Snack auf die Hand bekommt man in Städten wie Fulda nur schwer – höchstens beim Bio-Bäcker, die haben oft auch Kleinigkeiten zusätzlich zu den Backwaren. In Großstädten wie Berlin ist es aufgrund des breiteren Angebots bestimmt einfacher.
Das ist aber nicht so wild. Wenn ich es nicht schaffe, mir etwas mitzunehmen, gibt es ausnahmsweise etwas mit Weißmehl, obwohl ich vorsorglich meist zumindest einen Apfel und einen Rohkostriegel in meiner Tasche dabei habe.
Aber ein dunkles Körnerbrötchen bekommt man doch bei jedem Bäcker?
Das ja, aber dunkel und mit Körnern heißt nicht gleich Vollkorn. Die meisten braunen Brötchen sind mit Malzsirup eingefärbt, um gesünder auszusehen. Tatsächlich haben sie durch den Sirup aber mehr Zucker als herkömmliche Brötchen. Richtige Vollkornbrötchen gibt es oft nur beim Bio-Bäcker.
Biomarkt, Bio-Bäcker, Bauernmarkt – Clean Eating ist ziemlich teuer oder?
Vegane Bio-Ernährung kostet nicht wesentlich mehr als eine herkömmliche Ernährung, sofern sie saisonal gestaltet ist. Wenn Bio-Fleisch dazu kommt, wird es natürlich teurer, weil es – vollkommen zu Recht – seinen Preis hat. Mittlerweile gibt es auch in Supermärkten eine tolle Auswahl an Bio-Gemüse zu angemessenen Preisen. Discounter hingegen sehe ich eher kritisch und finde, dass sie nicht zu den Grundsätzen der Ernährungsform passen. Ich persönlich gebe gern Geld für hochwertige Lebensmittel aus und spare dafür lieber an anderer Stelle ein.
Zur Person: Larissa Häsler hat Ernährungs- und Haushaltswissenschaften studiert. Im Juni 2016 erschien ihr erstes veganes Kochbuch-Blog über ihre Ernährung. Dort veröffentlicht sie regelmäßig Rezepte.