Als erfolgloser Hobby-Läufer mit Marathon-Trauma hat Achim Achilles viel erlebt. Seine Erfahrungen bei seiner Lieblingsschinderei gibt es hier als Zusammenfassung: Die besten Läufer*innen-Weisheiten aus zehn Jahren.
1. Marathon-Läufer*innen haben nicht alle Tassen im Schrank
40.000 schräge Gestalten fallen jeden September in Berlin ein, um halbnackt und spätestens auf der zweiten Hälfte bisweilen ziemlich jämmerlich einen der weltweit größten Volksläufe, den Berlin-Marathon, zu absolvieren.
Die ersten Zombies streunen schon Tage vor dem großen Ereignis durch die Stadt, immer an den grünen Strichen entlang, die 42 Kilometer Schenkelschmerz markieren. Manche tragen einen Chip am Schuh, es könnte ja irgendwo überraschend schon eine Zeitmessmatte ausgelegt sein.
2. Marathon macht glücklicher und zufriedener
Marathon ist wie der Heilige Abend – für den Weihnachtsmann: Alle haben Spaß, nur der alte Mann nicht. Der hat nichts als Arbeit. So wie Marathon-Läufer*innen, die Juli, August, September außergewöhnlich stracks rackern.
Aber: Wer den ganzen Tag vorm Rechner sitzt, wer Erfolge kaum noch spürt, die*der ist unendlich dankbar, wenn sie*er seinen Körper spürt, eine gute Strecke in den Beinen fühlt, vor lauter echter, schöner Müdigkeit ins Bett fällt.
3. Der zweite Marathon ist schwieriger als der erste
Vor dem zweiten Marathon sind Zweifel völlig normal, denn der zweite ist viel schwieriger als der erste. Beim ersten denkt man sich: “Och, tüdelü, alles easy.”
Nix ist easy. Weil man weiß, was kommt, hegt man beim zweiten vorauseilende Selbstschutzgedanken, die Verletzungen größer machen, als sie sind. Und die Form wird in Grund und Boden gegrübelt.
4. Nur wer an sich glaubt, schafft einen Marathon
“Glaubst du an dich?”, fragte mein Trainer. Was für eine Frage? Wer außer George Bush und Dieter Bohlen glaubt schon an sich? “Mmmhtjanajaweissnicht”, antwortete ich wahrheitsgemäß.
“Siehste”, sagte er, “das ist genau das Problem.” Vor allem bei Läuferinnen herrscht der Typus der ängstlichen Zweiflerinnen vor: Jammer-Uschis.
Vor jedem Training erzählen sie ungefragt, wie schlecht sie sich fühlen, dass es heute zu kalt, zu nass, zu warm, zu trocken, zu durchwachsen, zu windig, zu windstill oder aber, wenn nichts davon zutrifft, dann garantiert migränefördernd sei.
5. Akute Marathon-Blödheit: Völlig normal
Wer sich Zahncreme auf die Beine schmiert und die Zähne mit dem Ladyshave der Ehefrau schrubbt, braucht sich nicht zu sorgen. Die Marathon-Blödheit vor dem Wettkampf ist völlig normal. Das Unterbewusstsein will sagen: Lass den Quatsch! Dafür ist es aber bereits zu spät …
6. Den*die Kenianer*in sollte man sich für den Schlussspurt aufheben
5 Minuten, 41 Sekunden pro Kilometer macht am Ende ziemlich genau 3:59:59 Stunden – die Fabelzeit. Für einen Lauf-Diesel wie mich schien diese Strategie maßgeschneidert: Entspannt los, und nach hinten raus den*die innere*n Kenianer*in zünden, wenn er*sie sich nicht wieder irgendwo verborgen hält – wie meistens.
7. Zeiten nicht so wichtig nehmen
“Ist ja klar”, sagen die Schnellen, “der Achilles findet Zahlen doof, die beweisen, wie lahm er ist.” Der will sich nicht quälen. Ein Weichei.
Stimmt sogar. Lacht über mich, weil ich langsam bin. Aber ich freue mich, weil ich mich vom autoaggressiven Performen langsam verabschiede. Ich behalte meine Bestzeiten als Schatz in meiner persönlichen Truhe, so wie romantische Liebschaften, gute Schulnoten und all die anderen kleinen Erfolge.