Social Distancing, Abstand halten – es schallt aktuell aus allen Lautsprechern. Beim Einkaufen wird minutiös drauf geachtet – beim Laufen eher nicht. Deswegen fordert unsere Chefredakteurin Eileen: Haltet endlich Abstand beim Laufen!
Meine lieben Mitläufer*innen,
Jene, die schon hier und da in die Podcasts reingehört haben, auf meinem Instagram-Kanal vorbeischauen oder mich privat kennen, wissen es schon. Allen anderen sage ich es jetzt: Ich liebe das Laufen in der Gruppe. Ich finde es super mich mit anderen dabei zu unterhalten, schweigend nebeneinander herzutrotten und mich mit allen zusammen zu freuen, wenn der nächste Longrun aufs Kilometer-Konto geht. Mich stört dabei weniger das Schnaufen der anderen, das gelegentliche zufällige Anrempeln oder der mehr oder weniger dezente Schweißgeruch meiner Mitläufer*innen. Ich miefe ja auch. Lasst uns zusammen miefen.
Aber jetzt ist gerade nicht die Zeit dafür. Laufen ja, Gruppe nein. So einfach lässt es sich zusammenfassen. Klar, ist es hart. Wir vermissen unsere Laufbuddys. Aber da müssen wir nun durch. Und zum Glück scheinen das die meisten verstanden zu haben. Ich sehe immer weniger leidenschaftliche Läufer*innen gemeinsam ihre Runden drehen. Aus der Distanz ein digitales High-Five dafür!
Es gibt aber einen ganz anderen Punkt, da hat sich verdammt noch einmal nichts getan:
A-B-S-T-A-N-D
Wir hören die täglich neuen Zahlen von Corona, waschen uns die Hände rau und jedes Hüsterchen im Supermarkt wird kritisch beäugt. Sobald es aber um das Thema Draußensport geht, sind alle Sorgen und Vorsichtmaßnahmen vergessen. Es wird geschnitten, gestreift und keinen Zentimeter zur Seite gerückt. Übrigens machen das nicht nur Läufer*innen, sondern auch Walker*innen, Spaziergänger*innen.
Überholen in Wettkampf-Manier nicht selten
Überholungsvorgänge werden in einem Abstand absolviert, den man sonst nur aus Wettkampfsituationen kennt, wenn andere 40 Tausend unterwegs sind: Nur wenige Zentimeter neben meinem linken Arm saust der Mann vorbei. Ich kann den Beat aus seinen Kopfhörern hören und auch seinen Schweiß riechen. Nach dem Mief zu urteilen, ist er entweder schon länger unterwegs oder trägt sein T-Shirt bereits zum zweiten Mal. So oder so: es ist zu nah.
Ein anderes Beispiel: die bekannte Vierer-Abwehrkette einer jungen Familie. Mama und Papa joggen, Kind 1 fährt Fahrrad und Kind 2 wird im altbekannten Thule-Anhängern geschoben. Rechts ist Wasser, links ein Zaun. Gelaufen wird nebeneinander. Natürlich. Überholen in normalen Zeiten: kaum machbar. Jetzt: unmöglich.
Die Anzahl der Beispiele lassen sich bei fast täglichen Läufen meinerseits quasi unendlich fortsetzen.
Bekanntschaft mit Büschen
Abstand beim Laufen einzuhalten ist eine riesige Herausforderung. Beim Ausweichen ist mir auch schon allerhand passiert. Denn dann laufe ich regelmäßig auf die Straße, den Grünstreifen oder muss für ein paar Sekunden stehenbleiben. Diverse Büsche haben schon meine Arme und Beine gestreift. Den Baum auf der Insel er Jugend, wo ich häufig meine Runde drehe, habe ich Leander getauft. Wir sind schon drei Mal zusammengestoßen, weil nie jemand da Abstand halten möchte. Und ich danke dem Pärchen fürs Nicht-Ausweichen im Plänterwald. Dank euch habe ich mal wieder die volle Natur in Form eines Spinnennetzes in meinem Gesicht gespürt.
Warum kein Abstand beim Laufen?
Ernsthaft warum? Ich verstehe es nicht. Klar, der Mindestabstand von 1,50 Metern ist groß, wie mein Kollege Namri bereits gezeigt hat. Manchmal ist der auch nicht einzuhalten, wenn der Weg an beiden Seiten von Stachelbüschen gezäumt ist. Keiner will sich die Beine aufschneiden, indem er*sie in den Busch springt. Aber diese Attitüde à la „ich bin ja gesund und deswegen weiche ich keinen Zentimeter“ ist absolut egoistisch. Denn ihr wisst nicht, ob
- unsere Mitmenschen auf dem Gehweg den Virus haben,
- ihr den Virus unbemerkt habt und ihn mit eurer fahrlässigen Art weitergebt,
- welche Ängste und Panikattacken ihr bei anderen triggert, wenn ihr nicht einmal so tut als würdet ihr Abstand beim Laufen halten wollen.
Ganz davon abgesehen, dass es mittlerweile saftige Strafen gibt, wenn ihr die 1,50 Meter nicht einhaltet. In Berlin sind es 50 bis 500 Euro Bußgeld, in Bayern dürft ihr 150 Euro zahlen. In Zeiten von Kurzarbeit und aufkommender Rezession hat doch wirklich keiner Lust diese Bußgelder zu zahlen. Die könnte man doch viel schöner in neue Laufschuhe investieren, oder?
Bleibt am Rand
Dabei ist es ziemlich einfach auch beim Laufen solidarisch zu agieren. Wenn jeder Laufende an einem Rand des Bürgersteigs, Gehwegs oder der Straße läuft, bleibt genügend Platz für ALLE. Überholen ist dann möglich, Entgegenkommende müssen nicht in den Busch springen, um Abstand beim Laufen einzuhalten.
Wenn ihr zu zweit oder dritt oder eben mit eurer großen Kommunen-WG unterwegs seid, lauft schräg versetzt hintereinander. Dann könnt ihr euch immer noch unterhalten, ohne dass ihr gleich den ganzen Weg blockiert. Oder ganz verrückt: nutzt eure tollen Headsets und telefoniert beim Laufen.
Vorbilder sein – Abstand beim Laufen
Wir als Laufende versuchen ja regelmäßig Vorbilder zu sein. Posten stolz unsere Kilometer in der Insta-Story, missionieren auf jeder Familienfeier für den Laufsport und werden fünf Zentimeter größer, wenn uns jemand im Hausflur auf unser schickes High-tech-Laufoutfit anspricht. Wäre doch umso cooler, wenn wir auch in dieser Situation uns von unserer besten Seite zeigen.
Also, haltet mal etwas mehr Abstand und zeigt ganz bewusst, dass ihr Abstand halten wollt.
Wäre eine tolle Sache, oder?