Im Monat Mai dreht sich vieles bei ACHILLES RUNNING um die Zukunft des Laufsports. Unsere Redakteurin Anna hat eine Bestandsanalyse gemacht und sich dabei gefragt, was die Zukunft prägen wird.
Die Wochen ziehen sich langsam und zäh, wie ein zu starkes Theraband, vor sich hin. Nach dem viel zu langen Tag im Job, kannst du nur noch an eins denken: raus hier! Ab in die Freiheit und eine Runde laufen. Dafür brauchst du fast nichts. Nur Schuhe schnüren und ab vor die Tür. Wenn du dir einen Werbeslogan für diesen wundervollen Sport aus den Fingern saugen müsstest, ginge der in etwa so: “Laufen – no Schnickschnack needed”. Nichts bläst dir so den vollgestellten Kopf leer, wie eine schnelle Runde durch den Park.
Dieses Gefühl der Freiheit wird wohl auch in Zukunft Menschen anziehen, wie Motten das Licht. Dennoch – man mag’s kaum glauben – hat sich der Laufsport in den vergangenen Jahren verändert.
Im letzten Jahrzehnt alleine waren Wettkampfsport, die Laufszene und auch die Lauftechnologie geprägt von technologischer Innovation – hello Vaporfly –, Social Media und einem neuen Verständnis von Gesundheit. Aus Lifestyle wurde Laufstyle und wer sich in der Blase von Laufverliebten bewegt, könnte meinen, dass immer mehr Menschen diesem Sport verfallen sind. Ein Blick auf die Zahlen verrät schnell, dass das nicht unbedingt stimmt.
Statt schneller, höher, weiter also gesünder, kürzer, älter
Darauf deuten die Daten des State of Running 2019 Report der IAAF und RunRepeat.com hin. Denn aus denen geht hervor, dass seit 2016 die Teilnehmer*innenzahl an Läufen um 13 Prozent abgenommen hat. Außerdem zeigt die Auswertung der Laufeventdaten, dass Läufer*innen noch nie langsamer waren – besonders Männer. Noch im Jahr 1986 lag ihre durchschnittliche Finisher-Zeit über die Marathon-Distanz bei 3:52:35 Stunden – 2019 lag sie bei 4:32:49 Stunden. Das sind rund 40 Minuten, die durchschnittlich länger für die 42 Kilometer gebraucht werden.
Aber Läufer*innen nehmen nicht nur weniger an Events teil und sind langsamer geworden. Laut dem Report hat der Altersdurchschnitt zugenommen und auch die Distanzen haben sich verändert. Kürzere Strecken stehen höher im Kurs als früher. Das heißt: Seit 2001 haben die Teilnahmen an Marathons abgenommen und an Halbmarathons zugenommen – bei Distanzen wie 5k oder 10k blieben die Teilnahmen in etwa gleich.
All das deutet laut Jens Jakob Andersen, dem Verfasser der Untersuchung, darauf hin, dass sich in den vergangenen Jahren die Gründe, warum wir laufen, verändert haben. Der Experte vermutet, dass es inzwischen weniger um Bestzeiten, sondern um Gesundheit, Gemeinschaft und Erlebnisse geht. Statt schneller, höher, weiter also gesünder, kürzer, älter. Aber was bedeutet das für die Zukunft des Laufsports?
Wie sieht die Zukunft des Laufsports aus?
Es ist nicht leicht während einer Krise, wie wir sie gerade erleben, zu spekulieren, wie die Zukunft aussehen wird. Steht doch über vielem ein gigantisches Fragezeichen. Laufevents wurden reihenweise verschoben oder gecancelt und sogar die Olympischen Spiele, die sonst nur in Kriegszeiten abgesagt wurden, sind ins nächste Jahr verschoben.
Wir haben trotzdem überlegt, was die Zukunft des Laufsports verändern wird. Dabei haben wir uns wie Wahrsager*innen gefühlt und gleich mal gegoogelt, ob es vielleicht schon ein Tarot-Karten-Set für Läufer*innen gibt und tatsächlich eins gefunden. Kurios.
Aber jetzt zurück zu den seriösen Themen. Laut der absolut unfehlbaren ACHILLES-RUNNING-Trend-Analyse werden diese Dinge den Laufsport in den kommenden Jahren und Jahrzehnten prägen:
1. Weniger Lifestyle, mehr Healthstyle
Gesundheit wird immer wichtiger. Nicht nur das körperliche, sondern auch das mentale Wohlbefinden rücken stärker in den Vordergrund. Da der Alltag vieler Menschen von Stress und Leistungsdruck geprägt ist, suchen sie einen Ausgleich und wollen sich nicht auch in ihrer Freizeit in das nächste Hamsterrad begeben.
Es ist daher davon auszugehen, dass der zuvor erwähnte Trend hin zu entspannteren Zielzeiten anhält. Denn für viele geht es nicht mehr darum einen Marathon in unter drei oder vier Stunden zu laufen und dabei ein immenses Trainingspensum auf sich zu nehmen. Stattdessen suchen sie gediegenere Geschwindigkeiten und sehen das Laufen als ein gesundes Hobby – und weniger als einen ambitionierten Sport. Gesundheit first, Leistung second sozusagen.
Dieser Vorhersage wird sogar auch vom Zukunftsinstitut in ihrem Healthreport 2020 unterstützt. Autorin Corinna Mühlhausen zeigt, dass vor allem der Anteil der Menschen steigt, die sich aus explizit gesundheitlichen Gründen bewegen. Laufsport ist, laut dem Bericht, dabei die beliebteste Art sich zu bewegen, zumindest in Deutschland. Die Motivationsgründe sind dabei vor allem „den Alterungsprozess verlangsamen, Blutwerte optimieren oder den eigenen Umgang mit Stress verbessern.“ Aus Sport und Vorsorge wird laut Mühlhausen „Medical Fitness“. Dazu gehört auch die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Gesundheit. Laut dem Healthreport werden auch Fitness-Tracker und Smart Watches immer spannender, genauso wie Functional Food und Fitness Fashion.
2. Let’s get digital
Digitalisierung macht auch vor dem Laufsport keinen Halt und ist, wenn wir ehrlich sind, nicht mehr aus dem Laufsport wegzudenken. Mit Apps wie Strava und Zwift, die dabei auch auf den sozialen Aspekt des Laufens mitdenken, werden virtuelle Läufe immer beliebter. Auch die Corona-Krise sorgt für einen Boom von virtuellen Rennen und wird wahrscheinlich lange darüber hinaus anhalten. Irgendwie auch logisch. Warum sollten wir alleine laufen, wenn wir das zu jedem Zeitpunkt, egal, wo wir sind, auch als Community tun können?
Der Community-Hype wird auch in Zukunft dazu führen, dass solche Apps noch mehr den Markt überschwemmen. Spannend wird sein, ob auch Konzepte wie “Zombies, Run!”, die stärker auf Storytelling setzen, an Beliebtheit gewinnen. Bisher gibt es hier nur eine kleine, aber feine Auswahl dieser Applikationen. Vielleicht werden die Apps der Zukunft den oben besprochenen Community-Aspekt mit Story-Runs kombinieren und uns so gemeinsam durch neue Welten und großartige Abenteuer führen. Wir würden es feiern.
3. Klimawandel
Das Hervorheben dieses Community-Ansatzes wäre auch spannend im Hinblick auf den Klimawandel und könnte die Suche nach dem Nevenkitzel bei Läufen in anderen Ländern abschwächen. Denn die Reisen zu Laufevents sind nicht unbedingt gut für die Umwelt. Tatsächlich sind in den vergangenen Jahren mehr Menschen im Ausland gelaufen als jemals zuvor.
Mit der Corona-Krise wird es hier zwar zu einem plötzlichen Stopp im Jahr 2020 kommen, aber sobald sich die Lage etwas beruhigt hat und Veranstalter wieder Events planen können, werden Läufer*innen weiterhin den Kick von Laufevents in anderen Ländern suchen. Verständlich. Oft werden hier tolle Erfahrungen gesammelt.
Trotz allem können wir uns nichts vormachen: Unser Reiseverhalten ist nicht gut für das Klima. Natürlich gibt es Faktoren, die einen viel größeren Teil zum Klimawandel beitragen. Dazu gehört vor allem die Elektrizitäts-, Wärme- und die industrielle Produktion, die einen Großteil der CO2-Ausstoßes ausmachen, der wiederum zur globalen Erwärmung beiträgt.
Aber am Ende hilft das Fingerzeigen auch nichts. Denn die globalen Temperaturen werden sich für uns alle verändern – vor allem, wenn Wirtschaft und Menschen nicht langfristig umdenken. Soll heißen: Der Klimawandel wird auch den Laufsport treffen. Maßgeblich. Die steigenden Temperaturen werden beeinflussen wann und wo wir laufen. Was das konkret für den Heimatort bedeutet, kann man sich übrigens von der New York Times ausrechnen lassen.
Und was bedeutet das für die Zukunft?
Am Ende bleibt zu sagen: Der Klimawandel, das wachsende Interesse an Gesundheit und die Digitalisierung werden den Laufsport weiter verändern. Welche Formen das annimmt, bleibt abzuwarten. Eins ist aber sicher, die Schuhe werden wir uns auch in Zukunft schnüren.