Nach dem Sport ist das Immunsystem anfälliger, heißt es – der sogenannte Open Window Effect. Aber gibt es den wirklich, wie wirkt er sich auf das Immunsystem aus und wie stärke ich meine Abwehrkräfte. ACHILLES-RUNNING-Autorin Jasmina Berger hat die Antworten.
Wir kennen es alle, das geniale Gefühl die harten Intervalle auf der Bahn abgerissen oder den 35km Longrun durchgezogen zu haben. Man quillt über vor Endorphinen und ist gleichermaßen stolz wie k.o.
Kopf glücklich, Körper tot.
Grade in Zeiten wie jetzt, der Isoliertheit, ständig zu Hause sein, alles ist ungewiss, tut so ein Ego-Boost sicher richtig gut. Aber ist das wirklich eine so tolle Idee? JEIN!
Open Window Effect? Ein klares JEIN!
Nichts gegen Sport an der frischen Luft – dass moderate Bewegung und Läufe eurem Immunsystem und eurer Psyche guttun, ist kein Geheimnis. Euer Körper produziert eine Extraladung Vitamin D, die Glückshormone Dopamin und Serotonin verschaffen Bomben-Laune. Außerdem werden beim Laufen Lymphozyten, Leukozyten, Neutrophile (das sind spezialisierte Immunzellen) und Killerzellen mobilisiert, die Viren und Bakterien abwehren. Klingt also super!
Etwas anders stehen die Dinge bei extrem anstrengendem Training. Nach allzu intensiven Einheiten über einen längeren Zeitraum hat euer Immunsystem harte Arbeit zu leisten: Durch die Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol wird es geschwächt. Gleichzeitig muss es aber abgestorbene Zellen abtransportieren, feine Mikrorisse in den Muskelstrukturen reparieren sowie verschlissene Gewebeteilchen ersetzen.
Nach der Belastung kann das Immunsystem demnach Eindringlinge nicht mehr so gut abwehren und man wird anfälliger für Infektionskrankheiten – wir sprechen vom sogenannten „Open Window Effect“. Wie lange diese Phase andauert hängt von jeder Person individuell ab. Manche Untersuchungen sprechen von 24 Stunden, andere von 48 oder gar 72.
Open Window Effect nicht endgültig erwiesen
„Ganz so offensichtlich ist der Zusammenhang aber nicht“, erläutert Dr. Philippe Gillen, Coach bei „Afterwork Champs“. Es seien zwar Veränderungen im Blut nach dem Sport messbar, die Anzahl der Immunabwehrzellen geht zurück.
„Was aber bisher nicht nachgewiesen werden konnte, war die Infektionsinzidenz nach der Einheit, also, dass die Athleten mit der extremsten Immunsuppression nach dem Training auch diejenigen sind, die sich in den folgenden ein bis zwei Wochen eine Infektion zuziehen“, so Dr. Gillen, der sich damit auf eine sportmedizinische Studie beruft.
Ein Hoch auf Carbs
Was aber von allen Studien bestätigt wird, ist der Zusammenhang zwischen der anschließenden Nahrungsaufnahme und der Steigerung der Abwehrkräfte des Körpers. Zu achten ist dabei vor allem auf Kohlenhydrate, Zink, Vitamin C und Glutamin. Insbesondere die Aufnahme von Kohlenhydraten – auch als Getränk – scheint einen besonders positiven Effekt auf die Immunzellen zu haben. Also ran an den Isodrink nach der harten Einheit!
Was kannst du noch tun?
Daneben gibt es noch ein paar Dinge mehr, die du tun kannst, um dein Immunsystem als Sportler*in zu unterstützen und vielleicht den Open Window Effect einzudämmen:
- Trage Funktionskleidung, die den Schweiß nach außen transportiert und bei kalten Temperaturen etwas auf dem Kopf.
- Achte darauf nicht auszukühlen, also sofort raus aus den nassen Sachen, am besten direkt heiß duschen, so muss euer Körper nicht noch zusätzlich Energie aufwenden, um euch wieder auf Betriebstemperatur zu bekommen.
- Danach ist es wichtig viel zu trinken, um Schleimhäute feucht zu halten und gut zu essen: neben Kohlenhydraten auch Protein und genug Vitamine.
- Grundsätzlich solltet ihr auf ausreichend lange Regeneration achten und genug schlafen.
Stress nach der Belastung verstärkt den Open Window Effect, daher versucht Stress nach dem Training zu vermeiden.
Und wie trainiert man jetzt?
„Ich würde empfehlen das Training umzustellen. Davon abgesehen, dass man jetzt nichts riskieren sollte, können (Profi-)Athleten nicht ständig ihren Peak, also ihre maximale Leistung, erreichen. Darauf muss dann wieder spezifisch trainiert werden. Da es aber voraussichtlich erst im Herbst wieder Wettkämpe geben wird, trainieren wir unsere Athleten jetzt überwiegend unspezifisch“, so Dr. Philippe Gillen.
Fazit: Sport an der frischen Luft ist gesund und wichtig. Achtet dabei darauf euch nicht ständig zu sehr zu verausgaben und besser überwiegend im Grundlagenausdauerbereich zu trainieren. Befolgt unsere kleinen Extratipps, dann steht dem regelmäßigen Gute-Laune-Kick nichts im Wege. Bleibt gesund!
Wer sind näher informieren möchte über den Zusammenhang bei Profi-Sportlern, der kann sich diese Studie im Journal of Science in Medicine and Sport ansehen. Die meisten Studien beziehen sich nur auf die Abnahme der Immunfunktion bis zwei Stunden nach dem Training, dabei ist gerade für Profis interessant zu wissen, ob und wie weit sich die Blutwerte vor der nächsten Einheit am selben Tag erholt haben.