Was heißt eigentlich zuckerfrei? Braucht der Körper Zucker zum Leben? Was ist Zucker überhaupt? Und Zucker ist doch in fast jedem Lebensmittel. Wenn man zuckerfrei isst, was kann man überhaupt noch essen? So viele Fragen – wir haben Antworten.
Auf Zucker verzichten – ein gesundes und immer hipper werdendes Vorhaben. Auch ACHILLES-RUNNING-Redakteurin Ellen-Jane will dem süßen Suchtmittel entsagen. Sie sagt von sich selbst, sie sei ein Sugarloser, eine Zuckerversagerin. Egal, ob ihre Verdauungsprobleme, Konzentrationsschwäche, das schlechte Immunsystem oder was ihr sonst noch einfällt – es scheint so, als würde sie fast alles, was bei ihr schief läuft, auf den Zucker schieben.
Jetzt will sie ein Jahr ohne Zucker leben, um zu sehen, ob sie so glücklicher, gesünder und ausgeglichener wird. Wir sind gespannt – und teilen regelmäßig Updates aus ihrem Alltag, berichten von Fortschritten, Rückschlägen und Schokoladenhalluzinationen.
Was ist Zucker?
“Zucker ist geil!”, das wäre früher meine Antwort gewesen. “Zucker ist ein Teufelszeug!”, könnte sie jetzt lauten. Ohne emotionale Bewertung ist Zucker die gängige Bezeichnung für süße, lösliche Kohlenhydrate.
Tatsächlich gibt es für Zucker über 50 Namen, die es uns schwer machen, auf Etiketten den Zucker zu entlarven. Da ist es schon ganz gut, die chemischen Basics drauf zu haben, also zu wissen, was Zucker eigentlich ist.
Dann kann man auch besser für sich entscheiden, welchen Zucker man als “gut” und welchen als “böse” einstuft. Ich hatte zum Beispiel keine Ahnung, dass Ballaststoffe (wie Inulin) im weitesten Sinne auch Zucker sind.
Zu den einfachen Zuckern – Monosaccharide genannt – gehören zum Beispiel Glukose, Galaktose und Fruktose. So weit so gut. Jetzt wird es etwas kompliziert, denn es gibt noch aus Einzelmolekülen zusammengesetzte Zucker.
Relevant für das Thema Zuckerverzicht sind vor allem Disaccharide (Doppelzucker) wie beispielsweise Laktose, Saccharose und Malzzucker.
Darüber hinaus gibt es noch Oligosaccharide (Mehrfachzucker), die aus bestehen aus drei bis neun Einfachzuckermolekülen und kommen zum Beispiel in Hülsenfrüchten vor. Ihre Verdauung ist das, was uns dann pupsen lässt.
Was aus mindestens zehn Einfachzuckermolekülen besteht, darf sich Polysaccharid (Vielfachzucker) nennen. Dazu gehören unter anderem Stärke (Kartoffeln & Co), Ballaststoffe (Stichwort: Vollkorn) und Glykogen. Polysaccharide sind super und super wichtig; dazu kommen wir gleich noch mal.
Braucht der Körper Zucker?
Wenn man zuckerfrei isst, bekommt man oft zu hören, es sei total ungesund, weil der Körper doch Zucker zum Überleben brauche. Meine Reaktion: Augen rollen und “ja, aber …” sagen (ok, kommt nicht immer unbedingt gut an … ist trotzdem wahr …).
Leben kostet viel Energie. Klar. Um zu überleben, brauchen wir also auch viel Energie. Besonders Laufende; natürlich. Und hier kommt die Glukose, also Traubenzucker ins Spiel – sie ist der Spitzen-Energielieferant für uns.
Sehr zum Bedauern aller Süßkramjunkies, heißt das nicht, dass wir quasi gezwungen sind Gummitierchen, Schaumküsse und Puddingschnecken in uns zu schaufeln.
Total crazy: Unsere Körper können den Energielieferanten Glukose selber bauen. Jetzt kommen, wie angekündigt, die Polysaccharide (zum Beispiel aus der Stärke in Kartoffeln) zum Einsatz. Der Darm spaltet diese nämlich und dadurch bekommen wir die self-made Glukose.
Selber machen ist zur Zeit ja auch total in. Manchmal macht es Sinn, manchmal sollten besser Profis rangelassen werden, aber im Fall “Zucker”, ist es definitiv ne gute Sache.
Noch ein letzter wichtiger Zuckerbegriff: “Freie Zucker“. Klingt eigentlich ganz sympathisch, oder? Sie könnten auch zugesetzte Zucker genannt werden – also Zucker, der nicht von Natur aus in einem Produkt vorkommt. Zum Beispiel: “Mit der natürlichen Süße von Früchten”. Das ist dann meist Dicksaft oder Sirup und somit Zucker.
Fieserweise findet sich sowas nicht nur in Mogelpackungen wie in Fruchtjoghurts, Kindersnacks, Müsliriegeln, etc., sondern auch in eigentlich salzigen Lebensmitteln wie Tomatensoße, Käse und Wurstwaren … eigentlich in der Mehrheit der verarbeiteten Lebensmittel.
Ist Zucker schlecht für uns?
Da wir wissen, was Zucker ist, können wir auch hier eigentlich nichts anderes antworten als “ja, aber …”. Gut, wir brauchen Zucker, aber den kann uns auch ein dicker Teller Gemüse, mithilfe unseres Darms liefern.
Eines der Probleme mit Zucker ist, dass er viel Energie bringt aber wenige und teilweise keine weiteren Nährwerte. So kann es zum Beispiel dazu kommen, dass wir den ganzen Tag futtern und trotzdem eine Mangelernährung aufweisen. Überspitzt ausgedrückt, als würden wir total leckeren Styropor essen.
Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) schreibt: “Eine hohe und häufige Zuckerzufuhr fördert die Entstehung von Übergewicht und Adipositas sowie zahlreiche mit Übergewicht assoziierte Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 und kardiovaskuläre Erkrankungen und die Entstehung von Karies. Gesundheitsfördernd ist eine zuckerarme Ernährung.”
Immer mehr Studien und Wissenschaftler weisen darauf hin, dass viele weitere gesundheitlich Probleme – physische wie auch psychische – mit erhöhten Zuckerkonsum zusammenhängen könnten.
Wie viel Zucker ist gut für uns?
Wie viel Energie ein Körper braucht, ist extrem individuell. Eine Läuferin braucht sicher mehr als ein bekennender Couchpotato – wobei, wenn dieser auf dem Sofa sitzend, komplexe mathematische Probleme löst – nur so zum Spaß – könnte die Sache wieder anders aussehen, da Denken auch viel Energie kostet.
Den schnellen Energiekick gibt es durch stark zuckerhaltige Lebensmittel. In der Uni-Bibliothek habe ich früher immer eine Studentin gesehen, die sich täglich ‘ne gute Packung Traubenzucker und dazu eine Cola reinknallte. Bei mir waren es Franzbrötchen und Energy Drink – auch nicht besser.
Die WHO (Welt Gesundheit Organisation) empfiehlt, dass nicht mehr als fünf Prozent der täglichen Kalorienzufuhr aus freien Zuckern bestehen sollte. Die DGE ist etwas milder mit zehn Prozent. Hält sich nur leider niemand daran.
Januar 2019 berichtet die Ärzte Zeitung: “Gegenwärtig wird diese Grenze (10%) von den Deutschen im Durchschnitt stark überschritten. Bei Frauen liegt der tatsächliche Verbrauch um 40 Prozent über diesem Grenzwert, beim Männern um 30 Prozent. Besonders bedenklich ist das Ausmaß des Überkonsums bei Kindern und Jugendlichen: Sie nehmen 75 Prozent mehr Zucker zu sich als empfohlen.”
Kein Wunder, bei den vielen versteckten Zuckern.
Ach ja, diese fünf bzw. zehn Prozent sind keine Empfehlung mindestens auf diese Zahl zu kommen. Sie beschreiben das vermutete Maximum, das wir zu uns nehmen können, ohne Schaden zu nehmen.
Was heißt zuckerfrei?
„Was? Gar kein Zucker? Auch kein Obst? Und was ist mit Milch? Hat doch Milchzucker. Was kannst du überhaupt noch essen?“ Solche Fragen wurden und werden mir immer wieder gestellt, wenn ich zugebe, ein Jahr keinen Zucker essen zu wollen.
“Zuckerfrei” sagt sich so einfach, aber was ist das eigentlich? Definitionssache.
Zuckerfreie Ernährung kommt in den verschiedensten Formen vor. Die einen gehen ganz clean und vermeiden auch Ersatzstoffe wie Xylit, Stevia und ähnliches. Wieder andere gehen Lebensmittel mit hohem Fruktose-Anteil aus dem weg, andere achten auf die Glykämische Last. Gründe sind meist Unverträglichkeiten (z.B.: Fruktose und/oder Laktose), Zielsetzung (z.B.: Abnehmen, Diabetes vorbeugen) oder einfach persönliche Präferenz.
Einige Zuckerfrei-Expert*innen wie Sarah Wilson oder Hannah Frey haben Programme entworfen, die es Zuckerfrei-Anfänger*innen vereinfachen sollen, sich im Zucker-Dschungel zurechtzufinden. Es gibt zwar in Deutschland eine gesetzliche Bestimmung für Lebensmittel, wann diese sich zuckerfrei nennen dürfen, aber den allgemeingültigen, besten, ultimativen Fahrplan für eine zuckerfreie Ernährung gibt es nicht.
Meine Zuckerfrei-Definition
Ich habe mich entschieden, mein eigenes Zuckerfrei-Regelwerk zu bauen – basierend auf den vielen Informationen welche die besagten Zucker-Gurus und Doctor Google zur Verfügung gestellt haben.
Für mich gilt momentan:
- Wenn Zucker zugesetzt wurde, esse ich es nicht (auch keine Zuckeralternativen, Süßstoffe oder Stärke),
- wenn es von Natur aus mehr als 8 Prozent Zucker hat, esse ich es nicht,
- wenn es Weißmehl beinhaltet, esse ich es nicht.
Das futtere ich in Maßen
- Back & Teigwaren mit Dinkel, Roggen, Buchweizen, etc.
- Obst und Gemüse mit über 4 Prozent Zucker (Himbeeren, Erdbeeren, Grapefruit, ..) und/oder mit hohem Stärkeanteil (Die Kartoffel hat zB kaum Zucker aber massig Stärke … also irgendwie doch Zucker)
- Getreide wie Hafer, Quinoa, Hirse, etc
- Nüsse
Damit mache ich mich richtig satt
- Milchprodukte (Milch, Joghurt, Quark, etc – gerne auf pflanzlicher Basis)
- Käse (Ich weiß, es ist ein Milchprodukt, aber Käse verdient eine eigene Zeile.)
- Obst und Gemüse mit weniger als 4 Prozent Zucker und geringem Stärkeanteil
So will ich es bis Mitte April machen – dann ist Ostern und mein Geburtstag.
Dann werde ich zum ersten Mal was süßes Backen, z.B. einen Kuchen mit Dattelmus. Oder Blissballs, oder beides. Oder noch mehr. Und dann will ich mich langsam rantasten und sehen, was für mich schwierig ist, weil es mir Gelüste macht und was ich gut nur so ab und an essen kann. Und dann, dann werden neue Regeln gemacht.
Den täglichen Wahnsinn eines Jahres ohne Zucker von Ellen-Jane könnt ihr bei Instagram, Facebook und ihrem Blog www.sugarloser.com folgen.