Laufmotivation zu finden ist manchmal schwer. Es gibt aber Gadgets und Spielereien, die genau dieses Problem durch Gamification ändern wollen. Unsere Redakteurin Anna hat sich das Thema Story Running genauer angeschaut und natürlich ausprobiert.
„Wach auf Runner! Ich bin‘s Noah! Komm hier rüber! Ey, ich rede mit dir“, flüstert mir eine tiefe Männerstimme über meine Kopfhörer ins Ohr. Die Stimme ist mit Musik unterlegt, die etwas Futuristisches hat. Klingt ein bisschen wie der Theme-Song der Serie Akte X.
Ich stehe hochmotiviert in Lauftights, Longsleeve und meinen Lieblingstretern vor meiner Haustür in Kreuzberg. Die graue Wolkendecke, die im Winter gerne wochenlang über Berlin hängt, konnte mich heute nicht abschrecken. Die GPS-Uhr hat ausnahmsweise auch schon Signal. Beste Bedingungen. Los geht’s! Endlich diese Story Runs ausprobieren, von denen ich andere immer schwärmen höre.
Aber was sind eigentlich Story Runs?
Story Running das ist ein Konzept, das schon einige Zeit in den Tiefen des World-Wide-Webs umher wabert und durch Apps wie „ADIDAS Running“ oder „Zombies, Run!“ bekannt wurde. Kurzgeschichten werden dabei als Hörspiele vertont, die Läufer*innen während ihres Trainings hören können. Meist sind die Geschichten so gestaltet, dass sie in die Rolle der Protagonist*innen schlüpfen. So flüchtet man beispielsweise vor einer Herde Zombies, muss sich vor einem Rudel Wölfe retten oder geht mit einem Schneeleoparden auf Jagd.
Ein Story Run dauert in der Regel 30-40 Minuten und ist ein Fahrtenspiel oder, für alle denen der schwedische Fachbegriff geläufiger ist, ein Fartleg. Läufer*innen sollen die Anspannung spüren, die durch die Stimme und die Geschichte vermittelt wird. Das passiert vor allem, weil man bei den meisten Story Runs selbst in die Rolle des Hauptcharakters schlüpft.
Story Running – wie ein Computerspiel für Läufer*innen
Vergleichbar ist das mit einem Computerspiel, in dem man die Welt durch die Perspektive der Protagonist*innen erlebt. Die Gamer unter euch denken jetzt vermutlich an Mirror’s Edge und liegen damit vollkommen richtig! Tatsächlich bietet „ADIDAS Running“ eine Storyline zu diesem Spiel. Die ist in der App kostenlos, entgegen der meisten anderen Story Runs, für die Läufer*innen ohne Premium Account 1,99 Euro zahlen.
„Zombies, Run!“ setzt auf ein anderes Konzept. User*innen können sich kostenlos registrieren und auch die App nutzen, bekommen aber Werbung eingespielt. Wer ein Abo für monatlich 6,49 Euro abschließt, kann die Dauerwerbesendung stoppen. Das Schöne an „Zombies, Run!“ ist außerdem, dass man einstellen kann, ob man draußen oder auf einem Stepper oder Laufband trainiert. Das Abendteuer ist also auch für die zartbesaiteten Läufer*innen geeignet, die sich bei schlechtem Wetter unter keinen Umständen in die Laufschuhe zwängen wollen. Außerdem kann man sich Trainingspläne wie „5k Expert“, „10k Beginner“ und „Half Marathon Beginner“ auswählen und auch Intervalltrainings einstellen. Der Story Run wird dann auf diese Ziele angepasst.
So war der erste Story Run
„Lauf den Gang runter! Bleib in Deckung“, brüllt es plötzlich in mein Ohr.
Ich laufe mit jetzt schon seit ca. zehn Minuten durch Kreuzberg und höre dabei Noah zu, der mir erzählt, in welcher Welt ich mich gerade bewege. Ich bin ein sogenannter Runner in einer Stadt namens „Glas“, die von einem Bösewicht namens „Kruger“ regiert wird. Als Runner muss ich Aufgaben erledigen, die mir von Noah mitgeteilt werden. Dabei darf ich mich nicht von „Krugersec“ erwischen lassen, einer Art Geheimdienst, der für Kruger arbeiten.
Noah gibt mir immer wieder Anweisungen, die ich versuche, so gut wie möglich zu befolgen. Außerdem scheint er allwissend zu sein, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu kennen. „Du bist im Hochsicherheitstrackt des Krankenhauses! Lauf auf die rote Tür zu. Eine Krankenschwester wird sie dir gleich öffnen.“
Diese Erzählweise wirkt stellenweise etwas unplausibel und ich stelle mir die Frage, woher dieser Erzähler all das Wissen hat. Aber wie bei allen Geschichten – egal ob Film, Buch oder Hörchspiel – ist es besser sich erstmal auf alles einzulassen, als zu viele Fragen zu stellen. Sonst zerfällt die Welt wie eine Sandburg in der Brandung.
„Lauf weiter!“
Ampeln, Passant*innen und spielende Hunde – die wirklichen Endgegner jedes Laufenden
Da ist Noah wieder! Dem sollte mal einer sagen, dass weiterlaufen mit einem Puls von 190 nicht so einfach ist. Außerdem schieben sich mir ständig rote Ampeln in den Weg und vom Handy abgelenkte Spaziergänger*innen taumeln in meine Laufbahn. Dann sind da noch spielende Hunde und schreiende Kinder, um die ich Slalom laufen muss.
Aber ich bleibe dran. Pushe mich. Der Blick zur Uhr verrät mir, dass ich schneller unterwegs bin als ich wollte. Pace 04:50 Minuten? Okay. Doch ein, für meine Verhältnisse, schneller Lauf.
Zu schnell! Luft?! Ich brauche Luft.
Mein Schritte werden kürzer, ich bin ausgepowert. Was murmelt dieser Noah da? Dann stehe ich plötzlich wieder vor meiner Tür. Die Einheit war schnell – so schnell, dass ich vom Ende überrascht bin. Ich fühle mich, ein bisschen als wäre ich tatsächlich vom Geheimdienst verfolgt worden. Vielleicht kommt die übliche Entspanntheit, die ich normalerweise erfahre nach dem Dehnen?
Eins ist klar. Story Running ist was für Menschen mit Nerven aus Stahl. Oder vielleicht muss ich nur die richtige Geschichte finden?