Laufen statt kämpfen. Streit vermeiden statt zu provozieren – der richtige Selbstverteidigungskurs lehrt, in Stress-Situationen die Ruhe zu bewahren. Wie ich mich bei Belästigungen verhalte und warum Eisbäder wichtiger sind als Kampftechniken, erklärt Till Gumz von der ShitFanReady Academy.
Das Auto neben dir verlangsamt das Tempo, der Schatten von hinten kommt näher oder die Gruppe Männer vor dir löchert dich mit Blicken – für viele Läufer*innen gibt es im Trainingsalltag immer mal wieder Situationen, die unangenehm oder sogar bedrohlich sein können.
Ein Tipp, der immer wieder auftaucht, ist: Mach doch einen Selbstverteidigungskurs. Für den Notfall. Aber bringt’s das wirklich?
“Wer die Grundlagen von Selbstverteidigung kennt und trainiert, weiß zu reagieren und kann Situationen besser einschätzen”, findet Selbstverteidigungsexperte Till Gumz von der ShitFanReady Academy. Und darum ginge es vor allem: Die beste Selbstverteidigung sei, wenn es erst gar nicht zum wirklichen Körperkontakt komme. “Wenn du nach Hause gehst, hast du gewonnen!“
Streit oder Kampf vermeiden
Till unterrichtet in seiner Akademie Selbstverteidigung nach dem Kalah Combat System, eine Weiterentwicklung der israelischen Anti-Terror-Kampftechnik Krav Maga. Auch, wenn der Name eher nach „Hau-drauf“ klingt, ist seine Philosophie eine Vermeidungsstrategie.
Till sei es wichtig, seinen Kurs-Besucher*innen beizubringen, mit Stresssituationen richtig umzugehen, diese korrekt einschätzen zu können, um anschließend angemessen zu reagieren. Im Idealfall kommt es erst gar nicht zum Kampf, sondern geht ohne Eskalation vonstatten.
Denn bis man in der Lage ist, sich in jeder Situation körperlich zur Wehr setzen, gehen Jahre des Trainings ins Land. Ein Engagement, das viele nicht eingehen wollen, um sich „sicherer beim Laufen zu fühlen“. Verständlicherweise. Zum Glück gibt es ein paar Basis-Tipps, die jede*r Läufer*in schnell lernen und umsetzen kann.
Vertraue deiner Intuition
Auch ohne jahrelanges Training tragen wir ein wichtiges Instrument immer bei uns: die Intuition. Wenn sich die dunkle Straße schon merkwürdig anfühlt oder die Menschenansammlung ein ungutes Gefühl hervorruft, sollte man seinem Bauchgefühl vertrauen und einfach seine Route ändern.
Intuition ist immer die Reaktion auf etwas. Wenn du schon ein schlechtes Gefühl hast und dann der Situation aus dem Weg gehst, hast du sie schon zu 99,9% entschärft.
Till Gumz,
Die liegen gebliebenen Kilometer lassen sich meist leicht irgendwo wieder dranhängen. Es ist besser, sich sicher zu fühlen als auf seine Laufstrecke zu beharren, findet Till.
Sei vorbereitet
Sollte es doch zu einer Belästigung kommen – sei es ein Spruch oder anzügliche Bemerkung – gibt es verschiedene Möglichkeiten. Till rät davon ab, mit einem provozierenden Spruch zu kontern, um die Situation nicht weiter aufzuladen. Stattdessen entschärfen.
Das kann verschieden aussehen: ignorieren, etwas ganz anderes tun, wie aufs Handy schauen, etwas so Abstraktes oder Merkwürdiges sagen, das die andere Person verwirrt. Das könnte sein: „Das Wetter ist schön“ oder „Mein Zaun muss wieder gestrichen werden.”
Das oberste Ziel sollte nämlich immer sein, dass man selber heil und gesund wieder zu Hause ankommt.
Der Podcast mit Till Gumz
Till Gumz hat noch viele weitere Tipps für den Alltag von Draußen-Sportelnden. Im Podcast reden wir darüber, welche Körperhaltungen man einnehmen soll, wenn man angegriffen wird, warum das Verlangen nach kosmischer Gerechtigkeit sinnfrei ist und wie Eisbäder uns helfen, mit Stressmomenten umzugehen.