Lauftreff war gestern – wer heute mit anderen läuft, gründet am besten gleich eine Running Crew. Wie das geht und was ihr dabei beachten solltet, erklären Marco Prüfer, Niko Zeigert und Eugen Fink von den Kraft Runners aus Berlin.
„Du bist verrückt mein Kind, du musst nach Berlin.“ Ob der österreichische Komponist Franz von Suppé mit seiner Operettenzeile urbane Running Crews im Sinn hatte?
Eher nicht.
„Wo die Verrückten sind, da jehörste hin.“ So alt dieses damals berühmt gewordene Lied auch wirkt, es trifft noch immer auf die Metropole zu. In Berlin geht’s bekanntlich ab, wie in vielen Bereichen des Lebens.
So auch im Running.
Die ganze Republik läuft, in den Großstädten jedoch haben sich in den vergangenen Jahren viele “Running Crews” geformt. Gruppen von laufbegeisterten Menschen, die gemeinsam trainieren, rennend an ihre Grenzen gehen – und es in den sozialen Medien öffentlichkeitswirksam präsentieren.
Ach ja, zusammen Party machen ist auch extrem wichtig.
Anderorts stellen sich viele dann die Frage – muss ich da auch hin, wenn ich in einer Running Crew sein will? „Musste nich’“, wie der Berliner sagt.
Gründe einfach deine eigene Laufcrew, egal wo du bist.
Um zu erfahren, was dafür notwendig ist, haben wir uns mit den Kraft Runners getroffen und gefragt, wie deren Anfänge aussahen und welche Schritte notwendig waren für eine echte „Crew“.
1. Lauft gemeinsam
Marco Prüfer, Gründungsmitglied der Kraft Runners, sitzt in seinem Café „Kraft“ in Prenzlauer Berg. „Starte nicht allein“, sagt er nüchtern. „Klingt logisch, aber der erste Schritt sollten deine Freunde sein, um zusammen das Ziel anzugehen. Alleine, ohne jemanden zu kennen, wird’s schwer.“
Niko Zeigert, der neben Marco auf einem Barhocker sitzt und genauso lange dabei ist, fügt hinzu: „Und es kann auch erst nur ein einziger Freund sein. Wir hatten damals nicht das Ziel, mit hundert Leuten an den Start zu gehen. Wir waren zu dritt und liefen einfach los.“
In der Gruppe sei es einfacher, Termine einzuhalten, sich zu motivieren und Trainingspläne auszudenken, erinnert sich Eugen Fink. Das erste gemeinsame Ziel für die drei war der Berlin-Marathon.
2. Lauft regelmäßig
„Für uns war es wichtig, sich verbindlich jede Woche zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu treffen. So sind wir in einen Rhythmus gekommen und haben uns nach kurzer Zeit gar nicht mehr die Frage gestellt, ob wir laufen gehen oder nicht“, sagt Niko.
Und Marco fügt hinzu: „Vor allem hatte ich dann immer zwei Jungs, die mich angetrieben haben zu kommen.“ Daher lautet sein Tipp:
„Findet einen Tag, eine Zeit und einen Ort, an dem ihr euch jede Woche trefft. Wir treffen uns jeden Dienstagabend in unserem Café.“
Marco, Mitbegründer Kraft Runners
Eugen: „Keine Ausnahme, seit zwei Jahren.“
Niko. „Na ja, außer Weihnachten und Neujahr (lacht).“
3. Gebt euch einen Namen
Klingt anfänglich vielleicht albern, aber für Niko war die Namensgebung der Gruppe entscheidend. „Das war mir persönlich wichtig, dem ganzen einen Namen zu geben und es greifbar zu machen.“
Marco: „Hat aber auch eine Weile gedauert, bis wir einen gefunden haben. Zwischendurch gab es schon schräge Einfälle. Dann kam uns ‘Kraft Runners’ in den Sinn.”
Der Name sollte aber nicht gewählt werden, um Instagram-Influencer zu werden, sondern um ein Gefühl von Gemeinschaft zu erzeugen. Es sollte ein Name sein, mit dem sich alle identifizieren können.
“Unsere Crew würde jetzt auch ganz anders aussehen, wenn wir von Anfang an nur zum Ziel gehabt hätten, hundert Leute und 15.000 Follower*innen zu haben. Hätte vielleicht geklappt, aber die Authentizität wäre verloren gegangen“, sagt Eugen.
4. Sprecht darüber
Die Kraft Runners starteten nach dem Marathon ein eigenes Projekt. Sie rannten von Berlin nach Hamburg.
Aber why tho? Warum?
„Es gibt in den USA das Speed Project, wo Leute von Los Angeles nach Las Vegas laufen. Ich erinnere mich, dass Marco mich einen Nachmittag total aufgeregt anrief und meinte: ‘Das machen wir hier auch'”, erinnert sich Eugen. „Als Staffel sind wir dann nach Hamburg gelaufen und haben diesen Lauf auf Instagram begleitet. Viele dachten erst, wir haben einen Knall, fanden es dann aber irgendwie cool.”
Und Marco fügt hinzu: „Am Anfang hatten wir vielleicht 50 oder 100 Follower. Die meisten waren aber Freunde und Familie, von denen viele ja gar keinen Bock hatten, mit uns laufen zu gehen. Nach dem Lauf nach Hamburg waren es auf einen Schlag 500 Follower. So ist unsere Crew gewachsen.“
5. Seid nicht Hardcore
„Keine langen Läufe,“ sagt Niko. Die Kraft Runners stellten von Anfang an klar, dass es für niemanden eine Hürde sein sollte, Teil der Crew zu sein. Statt langen Läufen gehe es Dienstags oft um Intervalle, Steigerung – und vor allem Spaß.
„Wir haben damit noch immer zu kämpfen. Die Leute denken, dass wir krass schnell sind und immer Power geben. Das schreckt ab, obwohl wir gar nicht so drauf sind“, sagt Eugen.
Was man wissen muss: Das Motto der Kraft Runners war „Geil ballern“. Da haben Außenstehende natürlich gewisse Erwartungen – oder auch Hemmungen.
„Genau das war ab und zu auch unser Problem. Manche haben den Slogan anders interpretiert oder fanden ihn einfach doof. Für uns stand er für eine tolle Zeit, für Spaß haben und feiern. Dass er aber auch bei einigen nach hinten losgehen kann, hatten wir nicht auf dem Schirm”, rekapituliert Marco.
Der neue Slogan ist nun „Beat your Highscore“ – schlage deine eigene Bestzeit. Im Stile früherer Computerspiele. Nur echt mit 8-Bit-Grafik. Die Kraft Runners gehen spielerisch an die Sache heran.
6. Trainiert selbst mit
In den heutigen Running Crews ist der Typus Strenger Sportlehrer mit Pfeife, der Befehle herausposaunt, eher eine Seltenheit. Die Kraft Runners sind hierarchisch flach organisiert. „Steht nicht wie der Bademeister am Beckenrand und schreit Anweisungen rein. Seid Teil der Crew, führt die Übungen ein und macht jede Einheit mit. So entsteht der Gemeinschaftsgedanke“, sagen die drei.
„Mir ist selbst immer wichtig, dass ich etwas vom Training habe“, betont Marco. „Klar stellen wir die Übungen oder das Training vor, dann will ich aber auch immer selber voll dabei sein.“
7. Sprecht aktiv Leute an
Niko: „Wir hatten zu Beginn natürlich Glück mit unserem Zulauf, trotzdem waren wir bei Laufveranstaltungen und haben die Menschen angesprochen, ob sie Lust haben mitzumachen. Wartet nicht darauf, dass auf euch aufmerksam gemacht wird.“
Macht es selber.
Auch die Selbsvermarktung spielt eine große Rolle. „Sticker zum Verteilen klappen bei uns immer gut”, sagt Marco lachend. “Die kleben mittlerweile überall. Ein Highlight war auch unsere Plakat-Aktion zum Berlin-Marathon. Da haben wir einfach Wahlplakate kopiert und in dem Stil für unsere Teilnahme geworben. War ein mega Aufriss, das zu produzieren, weshalb vor allem bei Niko Plakate zum Tabu geworden sind.“
„Seid aber vor allem ihr selbst. Geht locker mit dem Thema um und habt keinen Stock im Arsch. Geduld ist auch wichtig. Nicht jeder will gleich mitmachen.“
Eugen, Kraft Runners
Mittlerweile haben sich kleine Grüppchen gefunden, die sich über den Dienstag hinaus treffen und trainieren oder einfach nur Zeit verbringen. „Als das passiert ist, haben wir erst mal mitbekommen, was neben dem reinen Laufen da noch entsteht. Freundschaften unter Leuten, die sich sonst nie gefunden hätten. Ludwig, unser ältestes Mitglied (wir schätzen in den 50ern), fährt mit anderen in den Sport-Urlaub, die halb so alt sind wie er”, sagt Marco.
Trotz Offenheit und Spaß ist die Hürde groß, als Neuling zum wöchentlichen Treffen zu gehen. Auf Instagram sieht jeder gut aus, fühlt sich gut und hat eine tolle Zeit – was bei manchen Hemmungen auslöst, mal beim Training vorbeizuschauen.
„Wir versuchen, mit allen sofort ins Gespräch zu kommen, die zum ersten Mal da sind. Klappt aber nicht immer und manchmal sind die Leute dann auch wieder weggegangen, weil es ihnen nicht gefallen hat oder wir den Community-Gedanken nicht rüberbringen konnten. Daran mussten wir arbeiten”, gibt Marco zu.
8. Bietet Abwechslung und Ideen
„Ich komme aus der Leichtathletik, somit ist es mir immer wichtig, ein tolles Training zu geben”, meint Niko.
„Seid kreativ, schaut auch mal in andere Bereiche rein. Manchmal laufen wir ein bisschen, machen dann aber Körperstabilisation und Kraftübungen. Bietet geiles Training an.“
Niko, Mitbegründer Kraft Runners
Eugen: „Und schaut euch ruhig Sachen bei anderen ab. Wie machen andere Crews das, welche Möglichkeiten gibt es und lasst euch auch auf Vorschläge ein.“
9. Feuert euch gegenseitig an
Marco: „Anfeuern war immer wichtig für uns. Egal, wie schlecht es dir bei einem Lauf geht, es gibt immer jemanden, dem es noch schlechter geht. Und niemand sollte allein rennen. Running ist Teamsport.“
10. Kommuniziert regelmäßig
Wie die halbe Welt verwenden auch die Kraft Runner Kanäle wie WhatsApp, um sich in Gruppen zu organisieren und zu unterhalten. „Aber nutzt auch Slack oder jedes andere Tool, um zu quatschen. Hauptsache ihr bleibt aktiv und tauscht euch aus,“ sagt Marco. Mittlerweile bringen viele Leute in der Crew neue Ideen mit und führen selbst Trainings an. So hat sich in den zwei Jahren eine richtige Lauf-Community gebildet.
Spaß am Laufen mit Freunden – so fing es für die Mädels und Jungs der Kraft Runners an. Die schiere Größe der Crew allein sei nicht wichtig, jede Person in der Gruppe zähle, geben die drei wie PR-Profis zu Protokoll.
„Begeistert andere, seid zuverlässig und offen. Dann klappt’s auch mit der eigenen Running Crew.“
Eine Laufcrew zu gründen – selbst in der tiefsten Provinz – ist also nicht unmöglich. Hauptsache die Begeisterung fürs Laufen ist da und die Regelmäßigkeit ist gegeben. Alles andere erfolgt Schritt für Schritt.
Zur Person
Marco Prüfer (30), Eugen Fink (30) und Niko Prüfer (27) haben 2016 die Kraft Runners gegründet, die mittlerweile aus einem Kern-Team von zwölf Leuten besteht.
50 bis 60 Leute nehmen regelmäßig an den Trainings teil. Teilweise geht die Teilnehmerzahl auf 80 bis 90 hoch.
Die Kraft Runners treffen sich jeden Dienstag um 19 Uhr im Café Kraft im Prenzlauer Berg, Berlin. www.kraftrunners.de