Pete Magill ist der schnellste Mann der USA in der Altersklasse 50+ und erfolgreicher Laufcoach. Ein Gespräch über das richtige Lauftraining, die Transformation deines Körpers – und warum Erholungsphasen so wichtig für die Leistung sind.
Achilles Running: Hallo Pete, wie sieht gutes Lauftraining aus?
Pete Magill: Du musst jedes einzelne System des Körpers, das erforderlich ist, um einen besseren Laufkörper aufzubauen, trainieren: Muskeln, Bindegewebe, Herz-Kreislauf-System, Nervensystem und andere. Dafür brauchst du ein allumfassendes Trainingsprogramm: Bergsprints, Intervalle, lange, anspruchsvolle Läufe und Krafttraining.
Laufen alleine macht nicht schneller
Stimmt die alte Regel denn nicht: Laufe ich viel, werde ich besser?
Das ist eine falsche Vorstellung. Lauftraining ist keine Bank, in der du Kilometer und hartes Training hinterlegst – und am Renntag wird dir alles ausbezahlt. Du kannst eine enorme Distanz zurücklegen und niemals die wichtigen Muskelfasern trainieren. Du kannst auch schnell laufen, ohne die Kraftproduktion zu verbessern, die du bei jedem Schritt in den Boden drückst. Dein Laufkörper ist ein kompliziertes Netzwerk aus miteinander verbundenen Systemen, von denen jedes trainiert werden sollte.
Es geht also immer ums große Ganze. Gibt es etwas, das Läufer*innen meist nicht über ihre Laufkörper wissen?
Wenn Läufer nur auf Distanz laufen, trainieren sie auch nur einen begrenzten Prozentsatz jedes Muskels in den Beinen. Läufer denken, dass zum Beispiel die gesamte Wadenmuskulatur bei jedem Lauf trainiert wird. Das stimmt aber nicht.
Was trainiere ich denn auf langen Läufen?
In jedem Muskel gibt es drei Arten von Muskelfasern – langsam zuckende (slow twitch), durchschnittlich zuckende (intermediate twitch) und schnell zuckende (fast twitch). Auf regulären Distanzläufen arbeitest du fast ausschließlich an den langsam zuckenden Fasern. Um den gesamten Muskel zu trainieren, ist ein abwechslungsreiches Training erforderlich.
Die Erholungsphasen sind entscheidend
Welche Missverständnisse gibt es noch?
Seit Jahrzehnten wird Milchsäure als DER Übeltäter und Quelle von Müdigkeit und Schmerz gesehen. Das stimmt nicht. Es gibt mehr als ein Dutzend mögliche Ursachen für Schmerzen und Müdigkeit.
Was machen viele beim Training falsch?
Sie vergessen, dass sie sich nicht während des Trainings verbessern, sondern während der Erholungsphase. Harte Trainingseinheiten lösen Muskel- und Bindegewebe ab und verbrauchen Energiequellen, Hormone und Neurotransmitter. Mit anderen Worten: Du beendest das Training in schlechterer Form, als du es begonnen hast. Während des ersten Teils der Genesung, 24 bis 48 Stunden, repariert der Körper sich selbst und ersetzt erschöpfte Reserven. In diesem Zeitabschnitt machen die meisten Läufer einen Fehler.
Und zwar?
Sie fühlen sich gut und glauben, dass sie bereit sind, wieder hart zu laufen. Auf diese Weise verpassen sie den zweiten Teil der Regeneration, die Superkompensation. Gerade in dieser Phase wird der Körper aber stärker und erhöht seine Energiereserven.
Eine Verbesserung kann nur während der Superkompensation erfolgen. Läufer müssen also geduldig sein, bevor sie wieder hart trainieren. Mehr als zwei harte Workouts, Intervallläufe oder lange Läufe in der Woche sollten durchschnittliche Läufer deshalb gar nicht machen.
Mittelmäßiges Training führt zu mittelmäßigen Leistungen
Welche Fehler begehen Läufer*innen noch beim Training?
Ein Fehler ist: Die meisten machen jeden Tag zu einem “Medium”-Tag. Das heißt: Sie gehen ihre Distanzläufe zu intensiv an und sind bei eigentlich intensiverem Training zu lasch. Sie wollen jeden Tag hart trainieren. Wenn man aber hauptsächlich „Medium“-Trainingseinheiten absolviert, erhält man auch nur eine mittlere Fitness. Mein Tipp: Trainiere locker an den „Easy Days“ und hart an „Hard Days“.
Und Fehler Nummer zwei?
Läufer trainieren oft in dem Tempo, das sie letztendlich im Rennen laufen wollen. Aber sie sind noch nicht bereit für diese Ziel-Pace. Wenn du mit einem Tempo läufst, das schneller ist, als es die derzeitige Fitness rechtfertigt, ist das Ergebnis in der Regel: Burnout, Krankheit oder Verletzung.
Hast du eine spezielle Laufübung, die jeder machen sollte?
Eine Übung, die Oberschenkelverletzungen vermeidet und gleichzeitig die Geschwindigkeit erhöht, sind Nordic Curls. Dazu kniest du dich hin und hast die Hände auf Brusthöhe – du brauchst jemanden oder etwas, um die Knöchel zu fixieren. Beug‘ dich nach vorne, halt die Hüften und den Rücken gerade und senk dich langsam zu Boden. Wenn du anfängst zu fallen, verwende die Hände um dich notfalls abzufangen. Dann schiebe dich zurück in die Ausgangsposition – die Übung besteht darin, die Abwärtsbewegung zu kontrollieren und die hintere Oberschenkelmuskulatur zu stärken.
Geduld steigert die Leistung
Wie hast du es geschafft, auch im hohen Alter noch so leistungsstark zu sein?
Indem ich mich moderat verhalte, bleibe ich gesund. Ich kann meine Fitness weiter ausbauen und so das wichtigste Wettbewerbsziel erreichen: überhaupt an der Startlinie zu stehen, weil ich nicht verletzt oder krank bin.
Ich war nicht so erfolgreich und langlebig, weil ich der talentierteste Typ in der amerikanischen Distanzlaufszene war. Ich habe es geschafft, weil ich ausgewogen und richtig trainiere. Du kannst deinen Laufkörper nur schrittweise aufbauen – das dauert Monate und Jahre. Daher solltest du mit viel „Geduld“ ans Training rangehen. Am wichtigsten ist jedoch, dass der Trainingsplan Spaß macht. Wenn er das nicht tut, hör lieber damit auf.
Zur Person: Pete Magill, Jahrgang 1961, hat etliche US-amerikanische Rekorde über 5K für verschiedene Altersgruppen 45 + aufgestellt. Er ist fünfmaliger US-amerikanischer Cross-Country-Läufer des Jahres und hat seinen Laufverein als Coach zu 19 nationalen Meisterschaften im Cross Country- und Straßenrennen geführt. Magill ist Autor des Bestsellers „Das ultimative Läufertraining, Unimedica“.
Das Interview führte David Bedürftig