Es zwickt im Fuß, im Rücken, in der Hüfte: Schmerz ist der ständige Begleiter aller Läufer*innen. Achim Achilles kennt viele Arten des Schmerzes, weiß, wie und warum sie auftreten. Im Zweifel muss der Rettungswagen kommen – auch, wenn er gar nicht nötig ist.
Im Herbst verhalten sich Frauen noch “verwunderlicher” als sonst. Als sei eine Eiszeit im Anmarsch und das Leben bald zu Ende, wickelt sich Mona ab Anfang Oktober in mindestens sechs Lagen aus Wolle ein, würde am liebsten Stachelbeeren einkochen, Ravioli-Vorräte anlegen und mich schon mal den Weihnachtskarton aus dem Keller holen lassen, um uns angesichts des nahen Endes innerlich mit heiligem Klimbim und äußerlich mit Kerzenlicht zu wärmen.
Läufer*innen wissen: Wachstum tut weh
Mona fürchtet, was die nächsten Monate kommt – Schmerzen: Halsschmerzen, Frostbeulen-Schmerzen, Steißschmerzen vom Sturz aufs Eis, Gänsefett-Verdauungs-Schmerzen und Fingerverbrennungs-Schmerzen, weil wir den Weihnachtsbaum immer noch nicht elektrifiziert haben.
Wir Männer von der Ausdauer-Baustelle können mit diesem Emo-Schnickschnack wenig anfangen. Wir fürchten Schmerzen nicht, außer den Kopfschmerz vielleicht, vom satten Schuss Apfelkorn im Glühwein. Wir wissen: Wachstum tut weh, vor allem in den Beinen. Muskelkater ist nicht Pein, sondern Belohnungsschmerz, süßes Pieken.
Fersensporn und Dauerschmerz
Ähnlich verhält es sich mit dem Neu- oder Überraschungsschmerz, wenn man morgens elegant aus dem Bett springt und bei der Landung ein Stück glühenden Stahl in der Hacke zu spüren meint. Ein Schmerz, der zwar einige Monate das Aufstehen zur Hölle macht, aber ein sicheres Zeichen für trainingsmäßige Überlastung ist – also ein Nachweis für ein “marathongefälliges” Leben.
Der Gegenspieler ist der Dauerschmerz, gern in Hüfte oder im unteren Rücken. Ein “guter alter Bekannter”, den man schmerzlich vermisste, wäre er plötzlich verschwunden. Ekliger ist der Faulschmerz, jene Seelenqual, die auf den Sofa-Sportler*innen lastet, die so lange bei Instagram rumtrödeln, bis es draußen zu dunkel, zu kalt ist, jedenfalls viel zu spät zum Laufen.
Gern genommen wird auch der Psycho-Schmerz, der exakt immer dann auftaucht, wenn 1000-Meter-Intervalle im Schneeregen anstehen. Ein Schmerz, der vor allem im Knie auftaucht, wo ja die sensible Seele der Läufer*innen wohnt. Ähnlich verhält es sich mit dem Show-Schmerz, der ein wenig Übung braucht. Zahlreiche Anregungen gibt es bei den Übertragungen aus der ersten italienischen Fußball-Liga.
Fühlen, was gar nicht da ist
In Ermangelung wirklicher Qualen müssen sich Athlet*innen umso entschlossener wie ein Opern-Siegfried wälzen, emotional hingebungsvoll in die Rolle des Quasi-Sterbenden gleiten und mit letzter Kraft nach dem Rettungshubschrauber winken. Wer dank der Einbildung fühlt, was gar nicht da ist, hat seine läuferische Mentalprüfung gut bestanden.
Ganz wichtig: Auf keinen Fall den Fehler der Fußballer*innen machen und wieder losrennen, auch wenn man sich topfit fühlt. Ärzt*innen oder Rettungswagen machen sich gerade dann gut, wenn hochgesteckte Erwartungen im Saisonabschluss-Rennen wieder mal nicht erfüllt wurden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit übrigens als “körperliches, soziales und geistiges Wohlbefinden”. Hat ja auch niemand behauptet, dass ernsthaftes Laufen gesund sei.