Einmal beim ältesten Stadtmarathon der Welt mitlaufen, davon träumen viele Hobbyläufer. Für Susann, Social-Medai-Redakteurin bei Achilles Running, erfüllte sich dieser Lebenstraum: Ein Start beim Boston-Marathon 2018. Womit sie nicht rechnete: Das miese Wetter machte den Lauf zu einer Frage des Willens.
Der Boston Marathon ist mehr als nur eine Laufveranstaltung, denn die gesamte Stadt verwandelt sich zur Zeit um den Patriot’s Day zu einer Pilgerstätte für Läufer aus der ganzen Welt.
Schon Tage davor liegt diese besondere Atmosphäre in der Luft, die komplette Innenstadt erstrahlt in Blaugelb und alle Geschäfte, Restaurants und öffentlichen Gebäude begrüßen die Marathonis. Diese Stadt lebt und liebt Marathon!
Besonders beeindruckt hat mich die Euphorie der Einwohner und die spürbare Vorfreude der Läufer auf den großen Tag. Ein absolutes Pre-Race-Highlight ist die Pasta-Party. Ein Muss, wenn man beim Boston Marathon an den Start geht.
Der kälteste Marathon seit 30 Jahren
Die Tage vor dem Marathon waren wettertechnisch zwar durchwachsen, aber für diese Jahreszeit durchaus in Ordnung. Ein Sonne-Wolke-Mix mit Temperaturen um 13 Grad wären für mich auch am Wettkampftag perfekt gewesen. Doch schon am Tag zuvor wurde das Wetter kontinuierlich schlechter.
2 Grad Clesius und Schneegraupel ließen zudem schlimmes für Montag erahnen. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntermaßen zuletzt und so wollte ich auf jeden Fall an die Vorhersagen glauben, die nur teilweise Regen und Temperaturen um die 10 Grad meldeten.
Am Marathontag dann die bittere Realität: Temperaturen um den Gefrierpunkt, Dauerregen und Windstärken um 30 km/h. Ich wusste, dass wird ein hartes Rennen.
Im Zwiebellook und mit Plastiktüten, die ich mir um Schuhe und Gliedmaßen band, machte ich mich auf den Weg zum Startbereich: Schnell den Kleiderbeutel abgeben, eine Notfall-Regenjacke einpacken, zum Shuttlebus gehen und von dort die 45-minütige Fahrt nach Hopkinton antreten. Dies waren übrigens die einzigen 45 Minuten im Trockenen …
Bei der Ankunft in der “Athlete’s Village”, eine Art Feld mit einigen Zelten, wo man auf seinen Start wartet, war ich bereits bis auf die Socken nass und ausgekühlt.
Alles in allem war ich bereits 3,5 Stunden auf den Beinen, bevor es dann endlich um 11 Uhr losging. Meine Vorfreude auf den Lauf, die Menschen am Streckenrand und die Medaille war trotz des miserablen Wetters einfach immer noch ungebrochen. Ich wollte endlich laufen!
Fotos: Susann Lehmann
Es ging nur ums gesunde Ankommen
Aufgrund des schlechten Wetters durften um 11 Uhr alle verbleibenden Blöcke starten. Für mich kam die Startlinie allerdings etwas überraschend, weshalb ich meine ganzen Klamotten, die ich als Spende zurücklassen wollte, noch anhatte. So lief ich also die ersten 5 km in Baumwolle-Pullover und -Hose. Damit war ich übrigens kein Einzelfall. Man sah viele Läufer in ihren “Wegwerfen-Klamotten”, wie z.B. Wintermänteln oder Regencapes.
Die Strecke hat es auf jeden Fall in sich. Hat man am Anfang noch ein sehr langes Gefälle, kommen irgendwann die Hügel. Und davon hat Boston genug. Der bekannteste ist wohl der “Heartbreak Hill” bei Meile 20, wo es wirklich richtig fies wird. Meine Kräfte haben leider nicht mehr gereicht und somit fiel ich dem “Heartbreak Hill” zum Opfer: Ich musste gehen.
Die Kälte, der Platzregen und der andauernde Gegenwind wurden zur absoluten Feuerprobe für alle Läufer. Man sah, wie jeder für sich kämpfte. An diesem Tag ging es nur noch ums gesunde Ankommen.
Ich hatte viele Fights mit mir und meinem Körper. Die Muskeln machten aufgrund der Kälte zu, die Beine waren schwer, ich fror vor allem an den Händen und der Wind nahm mir meine letzten Energiereserven. Ohne die Unterstützung der Helfer und der Zuschauer am Streckenrand wäre das kaum zu schaffen gewesen.
Neben der Frage, was ich hier eigentlich mache, war ich vor allem von der positiven Energie der Menschen an der Strecke fasziniert. Sowas gibt es wohl nur in Boston!
Rocky Balboa Style – mit Baumwoll-Jogginghose ins Ziel
Mein persönliches Highlight war der sogenannte “Scream Tunnel” am Wellesley College bei der Hälfte der Strecke. Man hört die Studenten schon Meilen vorher, es war unfassbar laut und ich fühlte mich wie auf einem Justin-Bieber-Konzert. Überall Plakate, Menschen und Hände. Unfassbar.
Beim Boston Marathon ist Charity ein großes Thema und das sieht und spürt man entlang der gesamten Strecke. Ich sah Menschen mit Beinprothesen, die sich dieser Herausforderung stellten und mir somit Kraft und Zuversicht für meinen Lauf gaben. Wenn Läufer mit Handicaps diese Regenschlacht bezwingen, dann kann ich das auch!
Nach fast genau vier Stunden kam ich ins Ziel, mit Baumwoll-Jogginghose. Die letzten Meter auf der Boylston Street waren unbeschreiblich. Unbeschreiblich emotional. All die Tränen und Schmerzen vergessen. Ich hatte es ins Ziel geschafft, gesund und überglücklich. An diesem Tag waren alle Finisher Helden.
Das war mein 9. und zugleich härtester Marathon bisher. Mit Stolz habe ich die Medaille noch Tage danach getragen.
Und eins ist sicher: Ich komme wieder und bezwinge den “Heartbreak Hill”.
Zur Person: Ich bin Susi und arbeite als Grafikdesignerin, Social Media Managerin und habe zusammen mit meinem Freund Dennis einen Laufblog. Auf www.runskills.de schreiben wir über unsere Laufmomente und geben Tipps für Anfänger und Fortgeschrittene in den Bereichen Training, Ernährung und Fitness. Mein sportliches Ziel sind alle sechs World Major Marathons zu finishen – Boston war mein dritter.
Meine Marathon-Bestzeit: 03:40:33 h
Boston-Finisherzeit: 04:00:51 h
Susi hat auch einen eigenen Blog: www.pinterest.de/runskills/