Leistungssteigerung mit Roter Bete? Durch pflanzliches Essen gesünder leben? Unbedingt – das sagt zumindest Ernährungswissenschaftler und Allgemeinmediziner Dr. Michael Greger.
Laut einer Umfrage von 2014 von der Unversität Kassel führen meist mehrere Gründe zu einer veganen Ernährung. Am häufigsten wurden Tierrechte/ Tierschutz als Motiv genannt (89 Prozent). Aber auch gesundheitliche Aspekte scheinen eine große Rolle zu spielen (69 Prozent).
“Wir haben das genetische Potential, über 100 Jahre alt zu werden und dabei gesund und vital zu bleiben”, heißt es im Rückklappentext des New York Times Bestsellers “How not to Die” von Dr. Michael Greger.
In seinem Buch analysiert er die 15 häufigsten Todesursachen – darunter Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs und Diabetes. Er erklärt, welche Nahrungsmittel Krankheiten angeblich verhindern, aufhalten und sogar rückgängig machen können. Seine These: Die gesündeste Ernährung ist rein pflanzlich – also vegan.
Doch nicht jeder teilt seine Ansicht. So veröffentlichte zum Beispiel die deutsche Bundesregierung 2016 einen Artikel über die möglichen Risiken veganer Ernährung. Wir sprachen mit Michael Greger über genetische Vorbelastungen, mögliche Mangelerscheinungen und die Bedenken der Bundesregierung.
Achilles Running: Herr Greger, glauben sie wirklich, dass Essverhalten genetische Vorbelastung in Bezug auf Krankheiten aushebeln kann?
Michael Greger: Viel wichtiger, als was ich glaube, ist, was die Wissenschaft über Epigenetik sagt – denn das ist ein Game-Changer. Epigenetik erforscht, wie unser Lebenswandel und unsere Umwelt unsere Gene beeinflusst.
Und was sagt die Wissenschaft über Epigenetik?
Dass unsere Mütter recht hatten – wir sollten weniger Müll essen (lacht). Ernsthaft, unser Essen kann tatsächlich unsere Gene verändern. Es kann zu einem Domino-Effekt negativer Auswirkungen kommen: Zum Beispiel das Auslösen von Herzkrankheiten, hohem Blutdruck, Diabetes und manchen Krebsarten.
Das ist aber eine gute Nachricht, denn selbst wenn wir durch Vererbung eine schlechte Ausgangssituation haben, haben wir die Möglichkeit unsere Ernährung zu nutzen, um unsere Gene in den Griff zu bekommen. So können wir uns vor frühzeitigem Erkranken und Sterben schützen.
Sie propagieren einen veganen Lebensstil. Ist das alles was es braucht, um gesund zu bleiben – auf tierische Produkte zu verzichten?
In meinem Buch, “How Not to Die”, bespreche ich die Bedeutung einer vollwertigen, rein pflanzlichen Ernährung. Außerdem gehe ich auf die Wissenschaft zu Bewegung, Schlaf und Stress-Management ein.
Muss man ihrer Meinung nach vegan sein, um gesund zu leben?
Das kommt darauf an, wie gesund man sein will. Die gesündesten und langlebigsten Völker aus dem gesamten Globus ernähren sich pflanzlich.
Wenn man einen Hamburger im Jahr isst, wird es einen nicht umbringen. Aber alles deutet darauf hin, dass wir gesünder werden, je näher wir einer nahrhaften pflanzlichen Ernährung kommen.
Die deutsche Bundesregierung hat eine Warnung veröffentlicht, die besagt, dass eine vegane Ernährung der Gesundheit schaden kann – besonders in Bezug auf Mängeln von Vitamin B12, Vitamin D, Kalzium, Eisen und Zink.
Wenn wir uns ausgewogen rein pflanzlich ernähren – also mit Gemüse, Obst, Vollkorngetreide, Nüssen, Hülsenfrüchte und Samen – sollten wir ausreichend mit Kalzium, Eisen und Zink versorgt sein; das besagen Studien.
Je nachdem, wie viel wir der Sonne ausgesetzt sind, könnte es sein, dass wir Vitamin D supplementieren müssen. Vitamin B12 sollte definitiv nahrungsergänzend eingenommen werden, da die Folgen eines Mangels verheerend sein könnten – zum Beispiel irreversible Lähmung.
Außerdem rät die Bundesregierung stillenden Müttern nicht zu einer veganen Ernährung. “Erkenntnisse liegen hier beispielsweise für ausschließlich gestillte Säuglinge vor: Ernährt sich die Mutter vegan und verzichtet auf zusätzliche Nährstoffpräparate, traten beim betroffenen Kind schon in den ersten Lebensmonaten Nährstoffdefizite mit entsprechenden Gesundheitsfolgen auf”.
Unglücklicherweise ist dieser Kenntnisstand veraltet. Ich schicke gerne eine Ausgabe von “How Not to Die” an jemandem in der deutschen Regierung, der bereit ist, die neuesten beweisbasierten Studien zu lesen.
Leistungssteigerung mit Rote-Bete-Saft?
Doping mit verbotenen Substanzen ist verboten, gefährlich und unfair. Wie sieht es mit natürlichen Mitteln zur Leistungssteigerung? Können bestimmte Lebensmittel wirklich die Leistungsfähigkeit steigern?
Michael Greger behauptet: Ja. Und er will es mit wissenschaftlichen Studien belegen können.
Dieser Text ist ein Auszug aus “How not to Die” von Dr. Michael Greger, erschienen im Narayana Verlag.
Ein Lamborghini ist nicht deshalb schneller als eine alte Möhre, weil die Chemie der Kraftstoffverbrennung bei einem Sportwagen in irgendeiner Weise anders ist als bei einer alten Karre. Es liegt daran, dass der Lamborghini einen stärkeren Motor hat.
Genauso haben auch Sportler größere Muskeln und sind in der Lage, mehr Sauerstoff schneller zu ihren Muskeln zu transportieren. Doch grundsätzlich bleibt die Energiemenge, die der Körper dem Sauerstoff entziehen kann, gleich groß – zumindest dachten wir das bisher.
Vor etwa fünf Jahren wurde dieser Grundsatz der Sportphysiologie auf den Kopf gestellt – wegen Rote-Bete-Saft.
Nitrate, die in grünem Blattgemüse und Beten konzentriert vorkommen, helfen nicht nur durch das Unterstützen der Arterienerweiterung beim Transport sauerstoffreichen Blutes zu den Muskeln, sondern unterstützen den Körper auch dabei, mehr Energie aus diesem Sauerstoff zu herauszuziehen – etwas, das man zuvor nie für möglich gehalten hatte.
So kann z. B. schon ein kleiner Spritzer Rote-Bete-Saft Freitauchern dabei helfen, ihren Atem eine weitere halbe Minute als gewöhnlich anzuhalten (Quelle 156). Nach dem Trinken von Rote-Bete-Saft waren Radfahrer in der Lage, mit derselben Intensität wie die Fahrer der Placebo-Gruppe zu fahren, und dabei 19 Prozent weniger Sauerstoff zu verbrauchen.
Dann, als sie die Heimtrainer-Räder auf die Stufe “anspruchsvolles Radfahren” hochstellten, erreichten sie statt nach 9:43 Minuten erst nach 11:15 Minuten den Erschöpfungszustand. Die Gruppe der Rote-Bete-Saft-Trinker zeigte eine größere Ausdauer, während sie weniger Sauerstoff verbrauchte.
Kurz gesagt machte der Saft die Energieproduktion in den Körpern der Radfahrer effizienter. Kein Medikament, kein Steroid, Ergänzungsmittel oder irgendeine andere Behandlung konnte jemals das erreichen, was Rote-Bete-Saft zu schaffen scheint (Quelle 157).
Diese Wirkung stellt sich auch nach dem Essen ganzer Beteknollen ein. Bei einer anderen Untersuchung konnten Männer und Frauen, die fünfundsiebzig Minuten vor einem 5-Kilometer-Rennen anderthalb Tassen gebackene Rote Bete aßen, bei gleicher Herzfrequenz und geringerer empfundener Erschöpfung ihre Rennleistung verbessern (Quelle 158) Schneller sein mit weniger Anstrengung? Her mit der Roten Bete!
Um die sportliche Leistung zu maximieren, scheint die ideale Dosis eine halbe Tasse Rote-Bete-Saft (oder drei etwa 8 cm große Rote Bete oder eine Tasse gekochter Spinat (Quelle 159)) und der richtige Zeitpunkt zwei bis drei Stunden vor dem Wettkampf zu sein (Quelle 160).
Es scheint, dass die Sportnachrichten immer nur über Steroide und andere illegale leistungssteigernde Drogen berichten. Warum hat bisher noch niemand diese wirkungsstarken und vollkommen sauberen leistungssteigernden Gemüseknollen erwähnt? Be(t)dauerlich.”
Zur Person: Dr. Michael Greger ist Allgemeinmediziner, Autor und Experte auf den Gebieten Ernährungswissenschaft, Lebensmittelsicherheit und öffentliche Gesundheit. Er hat als Experte vor dem US-Kongress gesprochen und war als Sachverständiger für die Verteidigung im Prozess der Fleischindustrie gegen Oprah Winfrey in Texas geladen.
Er betreibt außerdem die Internetseite www.nutritionfacts.org, die kostenfrei ernährungsbezogene Erkenntnisse in Form wissenschaftlich fundierten Videos veröffentlicht.
Quelle 156: Engan HK, Jones AM, Ehrenberg F, Schagatay E. Acute dietary nitrate supplementation improves dry static apnea performance. Respir
Physiol Neurobiol. 2012;182(2?3):53?9.
Quelle 157: Bailey SJ, Winyard P, Vanhatalo A, et al. Dietary nitrate supplementation reduces the O2 cost of low-intensity exercise and enhances tolerance to high-intensity exercise in humans. J Appl Physiol. 2009;107(4):1144?55.
Quelle 158: Murphy M, Eliot K, Heuertz RM, Weiss E. Whole beetroot consumption acutely improves running performance. J Acad Nutr Diet. 2012;112(4):548?52.
Quelle 159: Lidder S, Webb AJ. Vascular effects of dietary nitrate (as found in green leafy vegetables and beetroot) via the nitrate-nitritenitric oxide pathway. Br J Clin Pharmacol. 2013;75(3):677?96.
Quelle 160: Wylie LJ, Kelly J, Bailey SJ, et al. Beetroot juice and exercise: pharmacodynamic and doseresponse relationships. J Appl Physiol. 2013;115(3):325?36.