Schweiß, Blut und Spaß: Lothar Leder ist seit fast 30 Jahren Triathlet – zum Teil mit großem Erfolg. Im Interview spricht der 45-Jährige über die Magie des Ironmans, dunkle Ecken der Psyche und falsche Dopingvorwürfe.
Achilles Running: Du durchbrachst als weltweit erster Mensch die magische Acht-Stunden-Marke auf der Ironman-Distanz. Das ist 20 Jahre her. Welche Erinnerungen hast du daran?
Lothar Leder: Es gab damals nur einen Ironman in ganz Europa, den Wettkampf in Roth. Dort herrscht immer Ausnahmezustand, der ganze Landkreis steht kopf. Das Wetter war optimal und ich fühlte mich super. Ich weiß noch genau: Es war der perfekte Tag. Den hat jeder Sportler nur einmal im Leben.
3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42 Kilometer Laufen – wann hast du gespürt, dass heute was gehen könnte?
Das Schwimmen und Radfahren liefen schon gut. Beim Laufen sind die Leute alle ausgerastet: “Du kannst den Weltrekord knacken”, riefen sie. Die Sektflasche, die ich im Ziel überreicht bekam, habe ich heute noch. Abends war ich immer noch total aufgedreht und konnte gar nicht schlafen.
Wann wusstest du: Triathlon ist mein Ding?
1984 lief im ZDF ein Bericht über den Ironman Hawaii. Der hat mich angefixt. Triathlon hat diese spezielle Magie. Mir war sofort klar: Da muss ich hin. An meinem 17. Geburtstag erzählte ich meiner Lehrerin, dass ich Triathlon-Profi werden möchte. Sie hat mich ausgelacht. In meinem Dorf haben alle Fußball gespielt und mich schief angeguckt.
Ich wollte damals die große, weite Welt sehen, plünderte mein Sparbuch und buchte einen Flug zu meinem ersten Ironman in Neuseeland. Das war Wahnsinn – und mehr ein Abenteuer als Sport.
“Ich wurde nicht als Triathlet geboren”
Den berühmten Ironman Hawaii gewannst du nie. Wurmt dich das?
Schon ein bisschen. Aber ich konzentrierte mich damals mehr auf das Event in Roth. Ich bin bei sehr vielen Rennen gestartet, um Geld für die Familie aufzubringen.
Taktisch war das falsch, denn mit ein paar Rennen weniger auf dem Buckel hätte ich vielleicht auch mal Hawaii gewonnen. Aber ich habe keine schlaflosen Nächte deswegen. Ich bin dort immerhin zweimal Bestzeit gelaufen.
Mit fast 1,90 Meter und 80 Kilo hast du für einen Triathleten eine stattliche Statur. Ist das nicht hinderlich?
Ich wurde auf keinen Fall für den Triathlon geboren (lacht). Für einen Läufer und einen Radfahrer am Berg war ich zu schwer, für einen Schwimmer zu langsam.
Ich war anfangs eine Katastrophe. Ich hatte wenig Talent und habe mir alles erarbeitet.
Wie wurdest du trotzdem so erfolgreich?
Ich konnte mich über acht Stunden besonders gut konzentrieren. Bei einem Ironman willst du x-mal aussteigen. Da lernst du die dunkelste Seite deines inneren Ichs kennen, Ecken deiner Psyche, von denen du vorher noch nicht wusstest.
Das ist gespenstisch. Ich habe extrem viel trainiert – auch falsch, weil wir es damals nicht besser wussten. Ich war oft übertrainiert und platt im Rennen. Im Nachhinein hätte ich besser nur Halb-Ironman gemacht, weil das für den Körper nicht ganz so hart ist.
“Hobbyathleten schmeißen Schmerztabletten wie Smarties ein”
Ist Triathlon ein Fleißsport?
Es ist sehr trainingsintensiv. Mit zehn Stunden pro Woche musst du mindestens rechnen. Die Herausforderung liegt darin, die richtige Balance aus Training und Alltag zu finden.
Das war anfangs sehr schwer. Neben all dem Training ist es wichtig, dass Freunde und Familie nicht zu kurz kommen.
Das dunkelste Kapitel deiner Karriere war sicherlich der Manipulationsverdacht 2007.
Nach einem Dopingverdacht wurde ein Verfahren gegen mich eröffnet, das aber gleich wieder eingestellt wurde. Der Veranstalter hatte damals inkorrekte Blutwerte von mir veröffentlicht.
Das hätte niemals passieren dürfen. Meine Blutwerte waren in Ordnung, aber mein Ruf war nachhaltig geschädigt.
Ist Doping ein akutes Problem in deinem Sport?
Im Spitzensport, egal in welcher Sportart, kann man Doping leider nie ausschließen, in der Spitze wie in der Breite. Auch beim Triathlon nicht. Und das, obwohl wir sehr harte Kontrollen haben.
Erschreckend und gefährlich ist aber, dass oftmals selbst Hobbyathleten Schmerztabletten einwerfen wie Smarties. Ein Profi nimmt keine Schmerzmittel, weil er natürlich sofort wissen will, wenn etwas mit dem Körper nicht stimmt.
“Ironman ist manchen zu soft”
Heute arbeitest du als Trainer. Einer deiner Motivationsvorträge lautet: “Die Kunst niemals aufzugeben”.
Der Kopf spielt beim Triathlon eine viel größere Rolle als der Körper. Triathlon-Einsteiger unterschätzen das oftmals und wollen schon nach einem Jahr einen Ironman absolvieren. Das ist Wahnsinn. Die psychischen Kräfte holst du dir nur über Rennerfahrung.
Die Sportler*innen von heute wollen zu viel?
Sie brauchen es immer extremer. Heute muss es ein Traillauf über 160 Kilometer sein, ein Trans-Europa-Lauf oder ein Race Across America. Der Ironman ist manchen schon zu soft. Diese Sachen sind für Kopf und Körper zu viel, allein der Schlafentzug ist hart. Aber auch ich habe um die 80 Ironmans gemacht, 30 weniger wären besser gewesen.
Es ist auch Wahnsinn, was an teuren Gadgets zur Normalität geworden ist. Es geht nur noch um Zahlen und Online-Trainingspläne. Besonders Einsteiger und Hobbyathleten machen viel Unfug. Die Magie des Triathlons wird heute meiner Meinung nach zu stark kommerzialisiert.
Du bist jetzt 45 und immer noch aktiv. Ist dir das Leben ohne Triathlon zu langweilig?
Wenn ich ehrlich bin, dann schon (lacht). Man wird abhängig vom Reisen und den Wettkämpfen. Aber auch der Spaß am Sport treibt mich weiterhin an, jetzt gebe ich mein Wissen als Coach weiter.
Und wenn ich heute bei einem Rennen überholt werde, denke ich: Ach Junge, kein Problem, ich habe hier schon ein paar Mal gewonnen und war schon da, wo du hinwillst (lacht).
Zur Person: Lothar Leder, Jahrgang 1971, gilt als das deutsche Triathlon-Urgestein. Er gewann fünfmal den Ironman Europe beziehungsweise die Challenge Roth und belegte zweimal den dritten Platz beim Ironman Hawaii.
1996 unterbot er als weltweit erster Mensch die Acht-Stunden-Marke auf der Langdistanz. Mit 45 Jahren nimmt er immer noch an Wettkämpfen teil und trainiert nebenher die nächste Generation an Triathleten.