Das Hotel, die Mitbewohner*innen, die Mückenstiche – alles nervt: Triathlet Patrick Lange hat keine Lust auf sein Trainingslager. Aber er hat keine Wahl: Er will endlich richtig erfolgreich werden.
Von Patrick Lange
Neun Uhr abends: Ich bin gerade auf Fuerteventura angekommen und irgendwie kotzt mich einfach alles an: der Flug, das Hotel, das Zimmer, die Menschen, mein Leben und vor allem ich selbst. Das vierte Trainingslager in kurzer Zeit. Immer aus dem Koffer leben. Ich glaube, ich packe meine Sachen. Ich will nach Hause!
Wer bin ich?
Patrick Lange, Triathlon-Profi, aber eigentlich bin ich gerade nur ein Schluck Wasser in der Kurve. Alles einfach nur Scheiße! Dennoch sitze ich hier auf der Couch im Eingangsbereich des Hotels mit meinem Tablet, und all die Amateur- und Profi-Athlet*innen gehen ein und aus: einfach an mir vorbei – so wie meine Gedanken.
Zwar kenne ich fast alle Profis, mit manchen war ich sogar im deutschen Team auf internationalen Wettkämpfen, andere haben vor Wettkämpfen bei mir zuhause übernachtet (als sie noch kaum eine*r kannte). Aber irgendwie bin ich gerade nur Luft. Ich bin nicht hier.
Ich will grüßen und sie sind schon vorbei, bevor ich ansetzen kann. Nächste Gruppe – hey, die kenne ich alle – und schon sind sie vorbei, bevor ich aufstehen kann. Haben die bewusst weggeschaut? Drüben Gelächter von Athlet*innen an der Bar, die sich unterhalten. Und ich sitze hier: in der Hotel-Lobby. Alleine. Ich will hier weg!
Mein Zimmer?
Mehrbettzimmer – ja, es war das letzte Zimmer, das man kriegen konnte. Ja, ich wollte unbedingt hierher. Ja, ich wollte hierher zum Training. Ja, eigentlich sollte es mir egal sein, aber ich kenne meine Zimmerkamerad*innen überhaupt nicht – so gar nicht! Morgen kriege ich schon neue Mitbewohner*innen im Zimmer.
Kein Platz für meine Trainingsausrüstung und meine Koffer. Irgendwie fehlt alles. Und als Krönung diese zwei Riesenflatschen von Mückenstichen, die ich bei meiner Ankunft im Zimmer bekam. irgendwie haben die mir den Rest gegeben. Diese Flatschen von Mückenstichen. Es juckt einfach nur wie Sau!
Meine Stimmung ist gerade – vorsichtig gesagt – im Keller. Ich will nach Hause! Aber da wartet auch niemand auf mich. Alles ist schlicht zum Kotzen!
Was für ein Profi bin ich?
Keine Ahnung! 2012 fing ich bei der Europameisterschaft auf der Mitteldistanz im Triathlon in Wiesbaden an – siebter Platz. 2013 ging es weiter im Ironman 70.3 Luxemburg. Zweiter Platz – Hochstimmung. Aber ab da ging es irgendwie bergab.
Bei Wettkämpfen über die Olympische Distanz in Deutschland konnte ich regelmäßig gewinnen. Klar, es gab Ausreißer, aber am Ende passte es immer. National habe ich 2014 alle Ziele erreicht.
Pleiten, Pech und Pannen!
Aber internationale Wettkämpfe über die Mitteldistanz, im Ironman 70.3? Einmal gleich zu Anfang die Verpflegung auf dem Rad verloren (als Profi auf der Mitteldistanz im Triathlon ist das ein Problem). Dann im anderen Wettkampf auch zum Start auf dem Rad die Wasserflasche verloren – warum passiert mir das nicht in Wettkämpfen in Deutschland?
In einem weiteren Wettkampf ist mir der Sattel gebrochen und ich musste 80 Kilometer auf dem Fahrrad fahren, ohne richtig sitzen zu können. Zur Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 2014 im Ironman 70.3 wurde ich im Wettkampf davor vom Streckenposten fehlgeleitet (da war ich Führender) – ich kam gerade noch als Vierter ins Ziel. Gewonnen hat der amtierende Weltmeister.
Aber die absolute Krönung war dann die Weltmeisterschaft in Mont Tremblant, Kanada. Bei über 60 Kilometer die Stunde auf dem Rad hatte ich einen Zusammenstoß mit James Cunnama, dem die Kurbel gebrochen war.
Ich wollte noch ausweichen, sein Rad schlitterte auf mich zu – Zusammenstoß. Ich hatte den schwersten Sturz, den ich je auf dem Fahrrad hatte. Anschließend Monate an Auszeit: Zwei dicke Löcher im Knie und es war nicht sicher, ob ich je wieder so gut laufen kann wie zuvor.
Was habe ich getan?
Wenn so viel schief geht, muss man sich hinterfragen. Meine Trainingswerte waren hervorragend, aber die Erfolge im Wettkampf nur ein Schatten meiner Möglichkeiten. Und für den Titel “Trainingsweltmeister” wollte ich nicht unbedingt antreten. Training ist wichtig, aber es musste etwas anderes geben.
Irgendetwas bremst mich gewaltig aus!
Ende 2014: Ganz vorne auf meiner Liste der Kandidat*innen, die mich ausbremsen, stand der kleine Mann im Ohr. Also der kleine Mann, der nagt: “Die anderen sind besser, berühmter, bekannter, beliebter und außerdem sind sie sowieso schneller als du! Du musst dich jetzt nicht mehr anstrengen, das schaffst du nicht mehr! Mach ruhiger, mehr ist nicht drin! Schone deine Kräfte für den nächsten Wettkampf!”
Mit dem kleinen Mann im Ohr gewinnt man keinen Wettkampf – man verliert ihn.
Also entschied ich mich, alles zu ändern!
Rückblick: Privat hatte sich alles für mich geändert. Es war an der Zeit, sportlich den gleichen Schritt zu gehen. Ende 2014 gab es für mich in meiner Verletzungspause nur eine mögliche Wahl, nämlich entweder aufhören oder sportlich alles neu zu bewerten. Alles auf den Prüfstand stellen.
Ich wechselte meinen Trainer, der auch ein guter Freund ist. Einfach weil mein bisheriger Trainer mich auf diesem Weg nicht begleiten kann. Außerdem wechselte ich den Verein für frischen Wind und ein neues Umfeld. Nach meinen privaten Veränderungen war auch das eine Art Befreiungsschlag.
Weiterhin stellte ich alle Sponsoren und Partner auf den Prüfstand wie auch meine Wegbegleiter*innen, Betreuer*innen und Berater*innen. Von einigen Menschen in meinem Umfeld trennte ich mich – neue Menschen kamen hinzu.
Mein neuer Trainer wurde Manuel Wyss, ehemals auch Triathlon-Profi. Er ist Triathlon-Trainer, Mental-Coach und spezialisiert auf hocheffektives, ganzheitliches und individualisiertes Training. Zusammen mit Manuel Wyss und Dennis Sandig (Leistungsdiagnostik) steckte ich dann meine neuen sportlichen Ziele ab.
Anders als vorher habe ich nun auch meinen eigenen Physiotherapeuten, Materialspezialisten und vieles mehr – ein ganzes Team: Im Kern fünf Menschen, und insgesamt elf Menschen, die eng mit mir zusammenarbeiten.
Elf Freunde sollt ihr sein!
Elf Freunde, die alles Mögliche unternehmen, damit ich meine maximale Leistung zeigen kann. Elf Freunde, die wie ich davon überzeugt sind, dass ich als Triathlon-Profi in Zukunft an einem perfekten Tag sportlich alles erreichen kann.
Warum bin ich hier?
In meinem letzten Trainingslager auf Lanzarote traf ich meinen neuen Trainingskollegen Faris Al-Sultan. Wir haben uns verabredet, um zu zweit zu trainieren. Wir haben uns verabredet, um uns hier in 14 Tagen auf Fuerteventura ein paar richtig knackige Trainingseinheiten zu gönnen.
Gegenseitig anspornen und motivieren – das letzte Quäntchen herausholen. Mit Faris stimmt die Chemie einfach. Das könnte eine richtige Freundschaft werden. Gleichzeitig kann ich von dem Weltmeister und Hawaii-Sieger von 2005 auch noch sehr, sehr viel lernen. Morgen kommt er an. Deswegen bin ich hier!
Wer bin ich?
Mein Name ist Patrick Lange, Triathlon-Profi. Triathlon ist meine Leidenschaft am Limit. Dieser Blog begleitet mich, wie ich alles versuche, um als Triathlet alles zu erreichen oder bei dem Versuch untergehe. Das ist meine Geschichte.
Zur Person: Patrick Lange, Jahrgang 1986, ist ein deutscher Profi-Triathlet. Er ist dreifacher Deutscher Meister im Duathlon (2010, 2011, 2012) und zweifacher Deutscher Meister im Triathlon in der Mannschaft (2012, 2013). 2015 belegte er den 14. Platz bei der Challenge Dubai. Mehr Infos über Patrick Lange bekommst du auf seiner Webseite.