Viele Läufer:innen trainieren ihren Oberkörper wenig bis gar nicht, gleichzeitig heißt es in Laufkreisen aber immer “Rumpf ist Trumpf”. Wie lautet denn nun also die Empfehlung? Wie sinnvoll ist Oberkörpertraining für Langstreckenläufer:innen? Und von welchen Übungen profitieren wir wirklich, welche können wir weglassen? Die Antworten darauf gibt Coach Ole Foerster in unserer neuen ACHILLES RUNNING Podcastfolge.
Oberkörper-Training: brauchen wir es eigentlich?
Viele Läufer:innen konzentrieren sich beim Training fast ausschließlich auf den Unterkörper – schließlich sind es die Beine, die uns vorwärtsbringen. Doch sollten wir uns vielleicht mehr auf den Oberkörper konzentrieren? Grundsätzlich gilt: Oberkörpertraining ist nicht unbedingt essenziell für die Laufleistung. Es spielt jedoch eine wichtige Rolle für die allgemeine Gesundheit und die langfristige sportliche Leistungsfähigkeit. Mit zunehmendem Alter beginnt der natürliche Muskelabbau bereits ab dem 30. Lebensjahr – und das betrifft nicht nur die Beine, sondern auch den Oberkörper. Wer nichts dagegen tut, verliert nicht nur Kraft, sondern kann im Alltag Schwierigkeiten bekommen, etwa beim Heben von Gegenständen oder dem Tragen von Einkäufen. Gerade für ältere Läufer:innen kann gezieltes Oberkörpertraining helfen, Mobilität und Kraft zu erhalten, um auch abseits des Laufens fit zu bleiben.
Aus laufspezifischer Sicht ist der Oberkörper weniger entscheidend als der Unterkörper. Es gibt keinen bestimmten Muskel, der direkt die Laufleistung negativ beeinflusst. Dennoch kann ein stabiler Rumpf die Laufökonomie verbessern. Arme fungieren beim Laufen außerdem als Stabilisatoren und sorgen für eine rhythmische Bewegung – sie sind jedoch trotzdem keine Hauptkraftquelle. Viel wichtiger als Muskelmasse sind eine gute Beweglichkeit und eine ausreichende Mobilität im Oberkörper. Obwohl das Oberkörper-Training wie erwähnt keine Priorität haben sollte, kann sich ein untrainierter Oberkörper negativ auf den Laufstil auswirken. Eine eingeschränkte Rotation etwa kann zu einer ineffizienten Technik führen, während ein unausgewogenes Training Steifheit oder Verspannungen begünstigen kann. Deshalb sollte ein Läufer:innen-Training immer eine gewisse Komponente für den Oberkörper enthalten.
Welche Rolle spielt die richtige Körperhaltung?
Die Körperhaltung ist ein viel diskutiertes Thema – sowohl im Alltag als auch beim Laufen. Lange Zeit wurde angenommen, dass eine schlechte Haltung zwangsläufig zu Schmerzen führt. Doch wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte zeigen, dass diese Verbindung nicht so eindeutig ist, wie oft vermutet wird. Schmerzen sind nicht allein auf biomechanische Faktoren zurückzuführen, sondern entstehen durch ein Zusammenspiel aus verschiedenen Einflüssen wie Genetik, Stress, Schlafqualität und Alltagsbelastungen. Eine leicht gekrümmte Rückenhaltung am Schreibtisch oder eine vorgezogene Kopfhaltung sind nicht automatisch schädlich. Viel wichtiger als eine „perfekte“ Haltung ist es, den Körper regelmäßig zu bewegen und nicht über lange Zeit in einer starren Position zu verharren. Deshalb ist es sinnvoll, zwischendurch immer wieder aufzustehen und sich zu bewegen.
Auch beim Laufen gibt es kein allgemeingültiges Konzept für die „richtige“ Haltung. Emil Zátopek, einer der erfolgreichsten Läufer der Geschichte, ist ein bekanntes Beispiel dafür, dass individuelle Bewegungsökonomie wichtiger sein kann als starre Technikregeln. Seine unkonventionelle Lauftechnik wirkte auf viele unkoordiniert, war für ihn aber hocheffizient. Eine übermäßige Fokussierung auf eine bestimmte Haltung kann sogar kontraproduktiv sein, weil sie den natürlichen Selbstorganisationsprozess des Körpers stört und unnötige Verspannungen erzeugen kann. Viel entscheidender als die Haltung selbst ist das Belastungsmanagement. Plötzliche Veränderungen – sei es beispielsweise eine abrupte Erhöhung des Laufumfangs – können oft mehr Schaden anrichten als eine ungünstige Körperhaltung. Der Körper braucht Zeit, um sich an Belastungen anzupassen. Wer seinen Laufstil oder seine Haltung bewusst verändern möchte, sollte dies schrittweise tun, um Überlastungen zu vermeiden. Ein zu schneller Wechsel kann Schmerzen an anderer Stelle verursachen, weil sich die Belastung auf neue Strukturen verlagert.
Richtiges Training? Ganzkörper-Training!
Anstatt sich ausschließlich auf den Core oder den Oberkörper zu konzentrieren, ist es sinnvoll, ein ausgewogenes Ganzkörpertraining in den Trainingsplan zu integrieren. Ein umfassendes Krafttraining stärkt nicht nur die Muskulatur, sondern verbessert auch die allgemeine Leistungsfähigkeit, unterstützt die Laufökonomie und reduziert das Verletzungsrisiko. Durch regelmäßiges Krafttraining wird der Körper widerstandsfähiger gegenüber alltäglichen und sportlichen Belastungen, während der altersbedingte Muskelabbau verlangsamt wird – ein Prozess, der bereits ab dem 30. Lebensjahr beginnt.
Besonders in der Offseason oder in verletzungsanfälligen Phasen ist Ganzkörpertraining eine wertvolle Ergänzung. Es hilft, muskuläre Dysbalancen auszugleichen, Verspannungen vorzubeugen und die Stabilität zu verbessern. Statt isolierte Muskelgruppen gezielt zu trainieren, ist es oft effektiver, funktionelle Kraftübungen mit Mobilitäts- und Stabilitätsübungen zu kombinieren. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt mindestens zweimal pro Woche Krafttraining, um die Muskulatur zu erhalten und Verletzungen vorzubeugen. Auch kurze Einheiten können bereits Fortschritte bringen, insbesondere wenn sie als Ganzkörpertraining gestaltet sind. Um langfristige Erfolge zu erzielen, kann der Einsatz von Gewichten sinnvoll sein. Kurzhanteln, Kettlebells oder Widerstandsbänder ermöglichen eine gezielte Belastungssteuerung und erleichtern die Progression. Während Körpergewichtstraining ebenfalls effektiv sein kann, ist es oft schwerer zu steigern. Wichtig ist zudem, sowohl Zieh- als auch Drückbewegungen ins Training zu integrieren, um muskuläre Dysbalancen zu vermeiden. Übungen wie Klimmzüge, Liegestütze oder Ruderzüge sorgen nicht nur für eine ausgewogene Muskelaktivierung, sondern verbessern auch die Körperstabilität.
Laufen und Krafttraining lassen sich kombinieren, solange die Belastung sinnvoll gesteuert wird. Eine intensive Laufeinheit sollte nicht direkt mit schwerem Krafttraining verbunden werden, da dies die Regeneration beeinträchtigen kann. Stattdessen eignet sich Krafttraining nach einem lockeren Lauf oder ein leichter Lauf nach einer Krafteinheit besser. Entscheidend ist, dem Körper ausreichend Zeit zur Erholung zu geben, um von beiden Trainingsformen langfristig zu profitieren.
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