Es muss nicht gleich ein ganzer Marathon sein: Staffellauf heißt das Zauberwort. In Frankfurt hat sich Achim die 42 Kilometer mit drei anderen Läufer*innen geteilt. Das Wort “Staffel” kann man ja einfach wegnuscheln.
Wer beim Marathon dabei sein will, aber sich gerade nicht nach 42,2 Kilometer Laufen fühlt, die*der sollte einen Staffelstart probieren. Okay, okay, die Purist*innen sind angeekelt von den Gruppen-Läufer*innen.
Beim Frankfurt-Marathon hat Genussläufer Achim Achilles den Etappenlauf mal wieder probiert und zehn unschlagbare Vorteile entdeckt.
1. Die Vorbereitung
Keine langen Läufe, kein Trainingsplan-Terror, keine Verletzungen, keine Verbote, kein Ernährungs-Regime. Das sagt doch alles.
2. Der Abend davor
Wer über die ganze Strecke brillieren will, muss in den Monaten zuvor wie ein Mönch leben, vor allem am letzten Abend. “Bitte noch eine Apfelschorle” ist eine jener Erniedrigungen, mit denen sich der Marathoni beim Italiener zum Gespött der Staffelläufer*innen macht, die das vierte, aber garantiert nicht letzte Pils ordern. Zehn, zwölf Kilometer überlebt man auch mit einem Pegel nah an der Fahruntüchtigkeit.
3. Die Nacht davor
Marathon-Läufer*innen schlafen schlecht, Debütant*innen gar nicht. Endloses Wälzen, nochmal die Strecke durchgehen, Versorgungsposten ins Gedächtnis brennen, Magnesium nachladen, die Ausrüstung zum 39. Mal kontrollieren, Stressdurchfall vom vielen Magnesium.
Ergebnis: Wäre am Start nicht so ein Lärm, würden Marathon-Läufer*innen glatt einpennen. Der*die ausgeschlafene Staffelant*in dagegen federt gutgelaunt über die Zeitnahme-Matte.
Panikgetriebene Überausstattung
4. Die Ausrüstung
Marathon hat ja weniger mit Fitness und Training zu tun als mit Spezialzubehör. Gerade der*die würfelförmige Athlet*in neigt zu panikgetriebener Überausstattung: Trinkrucksack, Regenjacke, Musikanlage, Handy, Fleece, dicke Mütze, Klopapier, Schlüsselbund, dünne Mütze, dutzende Gelbeutel und Selen-Riegel sowie drei Liter Sportgetränk im Halfter, weil die offizielle Verpflegung alle fünf Kilometer niemals ausreicht.
Staffelläufer*innen tragen Hemd, Hose, Socken, Schuhe und Startnummer.
5. Der*die Start-Läufer*in
Darf die Adrenalin-Peitsche am Start genießen und den Jubel in der City. Betritt nach einer guten Stunde die blitzblanke Duschwanne, wo wenig später Blasenpflaster, blutige Hautreste und Erbrochenes kleben. Dann entspannt rüber in die Festhalle, wo sich die Besten unter ohrenbetäubenden Lärm ein Foto-Finish liefern. Frühbier. Herrlich.
Video: Achim-Achilles-Staffel beim Frankfurt-Marathon
6. Die beiden Mittel-Läufer*innen
Genießen das gute Gefühl, reihenweise Schwächelnde zu überholen. Nebenbei wird die psychische Stabilität trainiert, da die hässlichen Kommentare der Ganzstrecken-Läufer*innen (“Staffel-Lusche!”, “Weichei!”, “Betrüger!”) nicht zu überhören sind.
Läufer*in drei genießt das besondere Privileg, nur sieben Kilometer wetzen zu müssen – die perfekte Marathondistanz.
7. Schluss-Läufer*innen
Die*der Glückliche genießt einen Einlauf, der Spaß macht – das Ziel auf dem roten Teppich. Das Licht- und Sound-Spektakel in der Frankfurter Festhalle ist und bleibt das großartigste Marathon-Finale, bis der Berliner Party-Crack Cookies das verhüllte Brandenburger Tor in einen Trance-Techno-Tempel verwandelt.
Extra-Vorteil: Ein attraktives Zielfoto, auf dem die Athlet*innen nicht in unwürdiger Sabberpose erwischt werden, sondern strahlen.
Es winken Traumzeiten und Spitzenplätze
8. Die Tage danach
Ein Fest. Mit dem neuen Finisher-Shirt unterm Knitterleinensakko (aufgekrempelte Ärmel, lila Innenfutter) ist man perfekt angezogen fürs Meeting mit den Kund*innen aus Übersee.
Ideal sind Mixed-Staffeln: überdurchschnittlich oft Spaß- oder Sozialprojekte. Schnelle Läufer*innen reichen für eine Top-100-Platzierung. Zur Not kann man auch eine schnelle Staffel mieten. In Frankfurt schaffte die Achilles-Staffel den 37. Rang. Spitzenresultat für einen, der sonst froh ist, wenn er unter den ersten 5.000 landet.
Das M-Wort
9. Das Sozialprestige
Marathon – das ist immer noch das Zauberwort bei Nachbar*innen, Freund*innen, Kolleg*innen. Nur die Praktikantin grinst mitleidig und murmelt etwas, das wie “statt Sex” klingt.
Deutlich über 90 Prozent der Mitmenschen aber schweigen andächtig, wenn sie das M-Wort hören. Doch Vorsicht, wenn Expert*innen beim Angeben in der Nähe stehen. Die fragen erst “Welche Zeit?” und dann “Welche Strecke?”. Dann kommt’s raus.
10. Nachwelt
Bei meinem Staffeldebüt 2010 beim Münster-Marathon bin ich dank sechs starker Beine aus Bad Westernkotten Zehnter geworden, in drei Stunden und sechs Minuten. Ausschließlich von diesem Marathon-Ergebnis werde ich meinen Nachfahren erzählen. Und das Wort “Staffel” einfach wegnuscheln.