Macht Fett fett? Pilze aufwärmen ist giftig? Obst ist gesund? Stimmt nicht, sagt Holger Stromberg, Koch der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft und räumt mit diesen 13 Ernährungsirrtümern auf.
1. Obst ist gesund
Stimmt bedingt, wenn meine schöne Einkaufsregel eingehalten wird. Sie erinnern sich: saisonal, regional. Dann liefern frische Früchte tatsächlich reichlich Ballaststoffe und Vitamine. Wenn Sie im Winter Erdbeeren und Pfirsiche kaufen, sind die oft enorm schadstoffbelastet.
Und: Süßes Obst steckt voller Fruchtzucker, beispielsweise süße Äpfel, Bananen oder Weintrauben. Im Übermaß genossen machen diese Zuckerbomben dick. Auch führt eine hohe Dosis Fruchtzucker dazu, dass die gesundheitsschädlichen Blutfette (Triglyzeride) ansteigen und verschiedene Körpergewebe regelrecht »verzuckern«. Dadurch werden diese in ihrer Funktion gestört.
Meine Empfehlung: zuckerreiches Obst in Maßen und ansonsten zu zuckerärmeren Sorten greifen, wie zum Beispiel Melone und Beerenfrüchte, die nach Sommer schmecken.
2. Fett macht fett und verstopft die Gefäße
Das ist überholt und stammt noch aus den Zeiten der Low-Fat-Bewegung, einem Diättrend, der in den 80er-Jahren überaus beliebt war und vielen Speisen weitgehende Geschmacksfreiheit bescherte. Wir brauchen Fett. Nicht nur als Geschmacks- und Aromenträger.
Laut der Deutschen Ernährungsgesellschaft (DGE) sollen es bei einem Erwachsenen rund 30 Prozent aller sein, also etwa 70 bis 80 Gramm Fett am Tag. Mehr davon macht dann auf lange Sicht gesehen und bei einem unbewegten Lebensstil schon fett. Wichtig ist auch die Auswahl der richtigen Fette.
Toll sind ungesättigte Fettsäuren aus Oliven oder Walnüssen, gerne in der Küche verwendet in Form von Öl für Antipasti und Salate. Und auch die Fette aus fetten Seefischen sind gesund. Sie schützen das Immunsystem, Herz und Kreislauf.
Nachweislich ungünstig für die Figur, die Gesundheit und das Wohlbefinden: versteckte Fette in Convenience-Produkten oder stark verarbeiteten Lebensmitteln. Ja, und zu viel Salami und Wurst im Allgemeinen sollte es auch nicht sein.
3. “Ohne Zucker” bedeutet zuckerfrei
Das ist falsch. Denn Zucker hat viele Namen. Da Zucker in vielen Fertiglebensmitteln steckt, ist vorgeschrieben, dass er im Zutatenverzeichnis auftaucht – je mehr Zucker im Produkt versteckt ist, desto weiter vorne auf der Liste muss er stehen.
Diese Regelung lässt sich umgehen, indem man Zucker zwar verwendet, ihn aber unter anderen Bezeichnungen aufführt. Wenn Sie also die Begriffe Glukose (Traubenzucker), Glukosesirup, Fruktose (Fruchtzucker), Dextrose, Maltodextrin, Maltose, Malzzucker, Laktose (Milchzucker), Saccharose und andere Worte, die auf -ose enden, so haben Sie es mit Zucker zu tun.
Auch natürliche Süßungsmittel wie Fruchtdicksäfte, Agavensaft, Sirup oder Honig wirken geschmacklich und im Körper wie Zucker. Honig enthält etwa 80 Prozent Zucker (Glukose, Fruktose, Saccharose). Ahornsirup circa 65 Prozent und Apfel- und Birnendicksaft 78 Prozent Zucker.
4. Nach dem Sport: Apfelschorle statt Bier
Interessante Empfehlung. Nur enthalten selbst ungesüßte Säfte reichlich Zucker. In einem 0,4-Liter-Glas Apfelsaft stecken stattliche 42 Gramm Kohlenhydrate, also die Menge von 13 Zuckerwürfeln.
In einem Glas mit 200 ml Apfelschorle stecken auch noch drei Würfel Zucker. Damit hat Apfelsaft sogar noch mehr Kalorien als Bier!
Meine Empfehlung: Nach dem Sport ordentlich Wasser trinken, das Bier auf den Abend verlegen oder gleich auf ein Glas herzschützenden Rotwein umsteigen.
5. Rotwein macht Kopfschmerzen
Naja, zum einen ist das wie immer eine Frage der Dosis und das kann Ihnen auch passieren, wenn Sie tagsüber zu wenig Flüssigkeit (Wasser, Tee & Co.) zu sich nehmen. Zum anderen ist Rotwein ? in Maßen genossen ? gesund.
Die darin enthaltenen Polyphenole verhindern die Oxidation des »schlechten« LDL-Cholesterins und verhindert so schädliche Ablagerungen an den Arterieninnenwänden. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Menschen, die regelmäßig, aber maßvoll Rotwein trinken, gegenüber Nichttrinkern oder Menschen, die andere Arten von Alkohol konsumieren, ein um 50 Prozent vermindertes Risiko aufweisen, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.
Das Phänomen ist auch als French Paradox bekannt, denn das Herzinfarktrisiko ist in Frankreich für Männer und Frauen zwischen 40 und 69 Jahren nur halb so hoch im Vergleich zu anderen Ländern ? und das, obwohl die Franzosen gut und gerne essen (und gelegentlich auch rauchen). Allerdings gibt es auch Menschen, die allergisch auf bestimmte Inhaltsstoffe reagieren. Das ist insbesondere bei älteren Rotweinen der Fall.
6. Rohkost ist gesünder
Stimmt nicht unbedingt.
Manche Nährstoffe kann der Körper erst aufnehmen, wenn das Gemüse gegart ist. Das ist beispielsweise bei Carotinoiden in Möhren, Tomaten oder Paprikaschoten der Fall. Außer, Sie marinieren diese Sorten in Öl. Roh ist es für manche Menschen schwerer verdaulich. Aber hier gilt wie immer beim Essen und Genießen: auf das richtige Maß kommt es an.
7. Mineralwasser ist gesünder als Leitungswasser
Eine Glaubensfrage.
Verpackung und Transport von H2O in Flaschen erzeugt zum einen schon einmal einen riesigen ökologischen Fußabdruck. Und auch das Argument vieler Hersteller mit dem besseren Geschmack und dem Gesundheitsargument ist fragwürdig. Fakt ist, dass keinem Leitungswassertrinker ein Mineralienmangel droht.
Zudem muss Mineralwasser seit 1980 keine Mindestmenge an Mineralien enthalten, das ist gesetzlich geregelt. Die Stiftung Warentest hat im Jahr 2005 Mineralwässer untersucht und jedes zweite davon war »mineralstoffarm«. Oft enthält Leitungswasser, je nachdem, woher es kommt, mehr Mineralien als die Flasche aus dem Getränkemarkt.
Wer sich außerdem ausgewogen ernährt, nimmt auch durch seine Nahrung ausreichend Mineralstoffe zu sich. Wichtig: Erkundigen Sie sich bei Ihrem Wasserwirtschaftsamt über die Trinkwasserqualität, die Sie aus Ihrer Leitung zu erwarten haben. Der aktuelle Bericht zur Trinkwasserqualität des Bundesgesundheitsministeriums und des Umweltbundesamtes (UBA) aus dem Jahr 2012 zeigt, dass das Trinkwasser in Deutschland von bester Qualität ist.
8. Eier sind gefährlich für den Cholesterinspiegel
…und schädigen so langfristig Herz und Gefäße. Eier enthalten zwar tatsächlich reichlich Cholesterin. Richtig ist auch, dass zu viel davon, insbesondere vom »schlechten« LDL-Cholesterin, Herz und Gefäße belastet. Aber Eier schlagen sich eben nicht auf den Cholesterinspiegel nieder.
Untersuchungen an der Universität von Surrey zeigten, dass die Darmzellen dafür undurchlässig sind. Bei manchen Menschen sinken kritische Werte sogar. Genaueren Aufschluss kann da allerdings nur ein Blutbild bei Ihrem Hausarzt geben. Für die Ernährung sind Eier nach wie vor ein hoch gesundes Lebensmittel ? solange sie aus Bio-Haltung stammen (hier passt Bio). Sie enthalten viel Vitamin B und K, Mineralstoffe und Jod. Und es steckt reichlich Eiweiß im Ei ? das macht satt und ist der ideale Baustoff für Ihre Muskulatur ? sofern Sie sie benutzen.
10. Eier müssen in den Kühlschrank
Nein, müssen sie nicht. In vielen Supermärkten finden Sie Eier ungekühlt auch in den heißesten Sommermonaten im Regal. Denn Eier verfügen nach dem Legen über eine natürliche Schutzschicht, die Cuticula. In Deutschland werden Eier nicht gewaschen, sondern nur abgebürstet.
Deshalb dürfen sie nach dem Legen 18 Tage lang ungekühlt aufbewahrt werden. Danach wirkt der Schutz nicht mehr so gut, und die Eier müssen kalt gestellt werden. Wenn Sie nun nicht immer aufs Legedatum schauen wollen, können Sie die Eier natürlich auch gleich nach dem Einkauf in den Kühlschrank packen. Dann sollte die Kühlkette aber nicht mehr unterbrochen werden, da sich Kondenswasser auf der Eierschale bilden kann, das durch die Schale ins Innere dringt und dabei Keime mit sich nimmt.
11. Margarine ist gesünder als Butter
Butter geriet in den letzten Jahren in Verruf aufgrund ihres relativ hohen Gehalts an gesättigten Fettsäuren, die die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen sollen. Aber: Butter ist ein echtes Lebensmittel, das darüber hinaus noch viele andere wertvolle Inhaltsstoffe bietet, wie die VitamineA, D und E sowie Linolsäure, die ihrerseits aus wertvollen ungesättigten Fettsäuren besteht. Neuere Studien konnten außerdem zeigen, dass gerade gesättigte Fettsäuren das herzschützende HDL-Cholesterin im Blut erhöhen und damit die Effekte des »schlechten« LDL-Cholesterins ausgleichen können.
Der Energiegehalt von Butter und Margarine ist außerdem fast gleich. Zudem ist Margarine ein stark verarbeitetes Nahrungsmittel, das neben Konservierungsstoffen, Emulgatoren und künstlichen Aromastoffen auch die gefährlichen Transfette enthalten kann (erkennbar an der Auszeichnung »enthält gehärtete Fette« auf der Packung). Diese erhöhen deutlich das Risiko, an Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Typ-2-Diabetes zu erkranken.
12. Pilze aufwärmen ist giftig
Dieser Glaubenssatz stammt aus einer Zeit, als es noch keine technischen Kühlmöglichkeiten gab. Speisepilze sollten immer frisch verarbeitet werden, denn verdorbene Pilze können tatsächlich zu Vergiftungen führen.
Waldpilze sind dabei anfälliger für Fäulnis als Zuchtpilze. Beide sollte man vor dem Zubereiten genau untersuchen und putzen. Frische Pilzgerichte halten sich im Kühlschrank problemlos einen Tag lang und können bei mindestens 70 Grad risikolos wieder aufgewärmt werden.
13. Schokolade macht süchtig
Sie lieben Schokolade und machen sich langsam Sorgen, ob sich dahinter nicht ein gefährliches Suchtverhalten verbirgt? Hier kommt die Entwarnung: Heißhunger auf Schokolade ist keine körperlich bedingte Sucht, geschweige denn eine Abhängigkeit von bestimmten, darin enthaltenen Substanzen.
Psychoaktive Stoffe wie Koffein oder Theobromin sind in Schokolade nur in minimalen Dosen enthalten. Reichlich steckt dagegen Kakaomasse und Zucker in dunkler Schokolade ? und die Aminosäure Tryptophan. Sie ist die Vorstufe des Gute-Laune-Hormons Serotonin, weshalb sich nach dem Genuss eines Stücks Schokolade wie automatisch die Laune hebt.
Zum Autor: Holger Stromberg, Jahrgang 1972, ist seit 2007 der Koch der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Der gebürtige Münsteraner ist in einer Gastronomenfamilie aufgewachsen und erarbeitete sich bereits mit 23 Jahren den begehrten Michelin-Stern. Vor fünf Jahren eröffnete er seine eigene Currywurst-Buden-Kette “CURRY 73”. Gerade ist sein neues Buch “Iss einfach gut”, systemed verlag, erschienen. www.holgerstromberg.de.
Der Beitrag “Ernährungsirrrtümer” ist ein Auszug aus: “Iss einfach gut” von Holger Stromberg.