Von der Antarktis über Ägypten bis nach Australien. Andrew Murray ist in sieben Tagen um die Welt gelaufen. Jeden Tag hat er einen Ultramarathon auf einem anderen Kontinent absolviert. Im Interview erzählt der Schotte, warum er sich das Projekt “Run the World” angetan hat.
Achilles Running:* Herr Murray, Sie haben gerade mehr als 40.000 Kilometer Reisestrecke in den Knochen, sind um die Welt gereist und jeden Tag mindestens 50 Kilometer gelaufen. Wie fühlen Sie sich?
Andrew Murray: Meine Füße sind noch etwas geschwollen und ich bin etwas übernächtigt, aber ich fühle mich ganz gut. Es war eine fantastische Erfahrung. Ich wollte die Tour in sieben Tagen schaffen. Ich war aber schneller und habe nur fünfeinhalb Tage benötigt (lacht).
Sie waren in der Antarktis, in Chile, in den USA, London, Kairo, Dubai und Sydney. Und immer waren Sie nur laufen. Wie oft haben Sie gedacht: Was mache ich hier bloß?
Auf meinen Läufen habe ich wunderbare, spektakuläre Dinge gesehen, aber, klar, man denkt ständig: Warum tue ich mir das an? Alles tut weh und man versucht die ganze Zeit, Ausreden zu erfinden, um nicht weitermachen zu müssen. Aber so ist das bei echten Herausforderungen. Es gibt immer Hochs und Tiefs und die Gefahr, dass man scheitert.
Warum haben Sie das Ganze auf sich genommen?
Laut einer Studie von diesem Jahr sterben neun Prozent der Weltbevölkerung an mangelnder Fitness. Mir ist es wichtig, dass die Menschen begreifen, wie wichtig regelmäßiges Training für die Gesundheit ist. Sie sollen aktiv und fit bleiben.
Glauben Sie wirklich, dass Sie mit dieser Aktion Leute zu mehr Fitness bewegen? Das, was Sie getan haben, ist doch höchst ungesund.
Ich sage nicht, dass jeder das nachmachen soll, was ich getan habe. Ich denke aber, dass sich jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten bewegen kann. Jeder findet etwas, wozu er Lust hat. Das muss nicht Laufen sein.
Sie sind selber Arzt. Was würden Sie jemandem raten, der*die als Patient*in zu Ihnen kommt und mitteilt: Ich möchte sieben Ultramarathons in sieben Tagen auf sieben Kontinenten machen?
(lacht) Wenn er vorher schon lange Strecken absolviert hat, fit ist und sich adäquat vorbereitet, würde ich ihm raten: Versuch es, es ist okay.
Der menschliche Körper kann außerordentliche Dinge vollbringen. Es ist faszinierend, welchen Herausforderungen sich Menschen stellen, und es ist sogar noch toller, was sie am Ende erreichen. Als Arzt würde ich natürlich auch auf mögliche Risiken aufmerksam machen.
“Ich bin jede Woche rund 300 Kilometer gerannt”
Wie haben Sie sich vorbereitet?
Es ist nicht das erste Mal, dass ich so etwas in der Art getan habe. Ich bin schon einmal von Schottland bis in die Sahara gelaufen. Da war ich zweieinhalb Monate unterwegs.
Zur Vorbereitung für diesen Lauf bin ich jede Woche rund 300 Kilometer gerannt. Schwierig war aber vor allem die Logistik. Wir mussten sichergehen, dass die Abflugzeiten von Ort zu Ort passen. Ganz wichtig ist auch die angemessene Lauf-Ausrüstung für die einzelnen Stationen. Wenn du in der Antarktis läufst, brauchst du Bekleidung, die dich vor Kälte und Wind schützt. In den Wüsten von Dubai und Kairo dagegen brauchst du ein leichtes Outfit.
Mit wie viel Koffern sind Sie gereist?
Ich hatte nur einen, ich reise gerne mit wenig Gepäck (lacht).
Sie haben in den wenigen Tag mehrere Zeitzonen durchflogen, extreme Klima- und Temperaturunterschiede erlebt, Reisestrapazen ertragen und sind zusätzlich 50 Kilometer am Tag gelaufen – dieser Trip wird Sie ein paar Jahre Ihres Lebens kosten, meinen Sie nicht?
Ich glaube, genau das Gegenteil ist der Fall. Regelmäßiges Training verlängert das Leben. Aber natürlich war ich am Ende des Trips sehr müde. Ich habe in der ganzen Woche nur zehneinhalb Stunden geschlafen. Die Temperaturschwankungen waren extrem. Erst bin ich den UVU Icemarathon in der Antarktis bei Minus 20 Grad gelaufen, dann einen Tag später in Santiago de Chile war es 50 Grad wärmer.
Aber wichtiger als die reine sportliche Leistung sind die Erfahrungen, die du machst. Erfahrung ist ein großartiger Lehrer, und wenn du schwierige Dinge durchgemacht hast, stärkt es deinen Charakter und dein Selbstbewusstsein. Ich habe diese Herausforderung wirklich genossen.
Sie haben die Welt im Schnelldurchlauf gesehen. Woran erinnern Sie sich besonders?
Meine Ankunft an der Oper von Sydney. Ich war jahrelang nicht in Australien – es war wie nach Hause kommen. Ich war sehr erleichtert und habe mich darauf gefreut, endlich wieder lange schlafen zu können.
Was war der härteste Teil dieser Welttour?
Kairo. Ich hatte vorher kaum geschlafen und bin nachts gelaufen. Die Luft ist sehr verschmutzt. Dafür war der Sonnenaufgang bei den Pyramiden atemberaubend.
Und der Höhepunkt?
Der UVU Icemarathon in der Antarktis (den er gewann, Anm. d. Redaktion). Die Chance, einen Marathon in der Nähe vom Südpol zu laufen, haben nicht viele. Die Natur ist wunderschön und spektakulär – gleichzeitig ist sie wild und grausam. Dieser Marathon ist völlig anders als alles, was ich bislang erlebt habe. Würde ich jedem empfehlen.
Hat Sie irgendetwas total unvorbereitet getroffen?
Ich hätte gedacht, dass ich besser schlafe. Du bist so müde, aber kannst einfach nicht schlafen, weil du ständig sitzt oder stehst. Du tust die ganze Zeit nichts anderes als rennen, essen oder auf deinen Flug warten. Dann kommt auch noch der Jetlag dazu und schreiende Kinder im Flugzeug helfen auch nicht gerade (lacht).
Wieso musste es denn überhaupt diese kurze Zeitspanne sein? Hätten Sie die Welt nicht auch in 17 statt sieben Tagen bereisen können?
Wir haben hier in Schottland nicht so lange Urlaub wie ihr in Deutschland (lacht).
Aber Sie sind doch im Auftrag der schottischen Regierung unterwegs.
Ja, ich arbeite für die schottische Regierung, aber die Run-the-World-Tour war Urlaub. Aber die Regierung unterstützt mich sehr dabei, Leute zu mehr Bewegung zu animieren. 2014 haben wir die Commonwealth Games in Schottland. Das ist eine wirklich große Sache für das Land.
Von der Antarktis über Ägypten bis nach Australien
Lassen Sie uns kurz Ihren Trip durchgehen. Ich nenne Ihnen den Ort und Sie sagen, was Ihnen als Erstes dazu einfällt. Als Erstes: UVU Icemarathon, Antarktis.
Gletscher, Berge, sehr kalt, sehr windig, unglaubliche Landschaft, tolle Atmosphäre, fantastischer Ort zum Laufen. Ich habe viele fantastische Läufer auf der ganzen Welt getroffen. Ich glaube, einige von den harten Jungs waren etwas neidisch auf meine Tour.
Patagonien, Chile.
Da wollte ich ursprünglich laufen, ich bin dann aber die meiste Zeit in den Hügeln um Santiago de Chile gelaufen, zwischen Zitronenhainen und Weinbergen. Sehr heiß.
Was ist besser: In der Hitze oder in der Kälte laufen?
In der Kälte war es leichter, weil ich gute Kleidung hatte, die mich geschützt hat.
Atlanta, USA.
Die Heimat von Coca-Cola und CNN. Es war ein schöner Tag mit angenehmen Temperaturen. Ich habe mich gut amüsiert.
London.
Zurück in Großbritannien. Es hat stark geregnet wie immer. Konnte meine Frau für ein paar Minuten sehen. Musste zu meinem Flug sprinten.
Kairo.
Schwierige Stadt zum Laufen, bin nachts gelaufen. Es ging nicht besser aufgrund der Flugverbindungen. Verschmutzte Luft, die Belohnung war dann bei den Pyramiden zu laufen.
Dubai.
Spektakulär. Habe Freunde getroffen, die da wohnen und bin mit ihnen gelaufen. Danach saßen wir zusammen und haben geredet und gelacht, es war fast wie eine Party oder eine Feier.
Sydney, Australien.
Toller Ort. Die Ankunft am berühmten Opernhaus war wunderbar. Das Tolle an der Reise war, dass ich sie mit so vielen Menschen teilen konnte. Die Plätze an denen ich war, haben so einen Kultcharakter.
Was haben Sie als nächstes vor. Können Sie diese Tour überhaupt noch toppen?
(lacht) Jetzt arbeite ich erst mal wieder und dann werden wir sehen, was die Zeit bringt. Vor allem brauche ich viel Schlaf.
Video: Andrew Murray – Run the World
Zur Person: Andrew Murray ist ein schottischer Arzt, Extremläufer und Autor. Mehr Information zu Andrew Murray erhältst du auf seinem Blog “docdrewmurray.com”.
*Um die Antworten des Interviewpartners nicht zu verfälschen, werden lediglich die Fragen “gegendert”.