Laufen ist einfach. Aber selbst geübte Läufer*innen begehen immer wieder Anfängerfehler. Die zehn häufigsten Trainingsfehler- und irrtümer.
Matthias Haller, Autor von “RUNNING – das Laufmagazin” hat die zehn häufigsten Trainingsfehler- und irrtümer aufgelistet.
1. Mehr Training bedeutet mehr Leistung
Was an sich keine schlechte Idee ist, sollte mit Bedacht erfolgen. Denn übermäßige oder sprunghaft gesteigerte Belastungsreize überfordern nicht nur das Herz-Kreislauf-System.
Auch Sehnen, Knochen und Bänder müssen sich erst der gesteigerten Belastung anpassen. Dieser Prozess kann bis zu mehreren Monaten dauern.
Darum ist es besser, die Trainingsumfänge maßvoll zu steigern. Der Leistungszuwachs kommt ohnehin durch Kontinuität. Das Hauruck-Verfahren endet im schlimmsten Fall mit einer Stressfraktur.
Lieber zusätzlich eine alternative Trainingseinheit wie Radfahren oder Aquajoggen einbauen, die ebenfalls die Ausdauerfähigkeit erhöht, jedoch den Bewegungsapparat weniger stark belastet.
2. Stammstrecken motivieren
Jede*r Läufer*in hat seine Lieblingsrunde. Dagegen ist nichts einzuwenden. Jedoch birgt dies auch ein gewisses Risiko. Wer einen Hang zur Stoppuhr hat, wird nicht umhinkommen, jede Zwischenzeit penibel zu vergleichen.
Somit erhöht sich der Druck, ständig den eigenen Streckenrekord zu jagen, um den Trainingsfortschritt minutiös zu dokumentieren.
Angemessene Trainingsintensität wird so deutlich überschritten. Auch gewöhnt sich der Körper relativ schnell, an die spezifischen Belastungsanforderungen der Strecke. Mit dieser Methode werden Sie darum bald an Ihre Grenzen stoßen.
Daher ist es ratsam, bei der Streckenwahl in Profil, Länge und Untergrund regelmäßig zu variieren.
3. Pausen sind für Weicheier
“Qualität kommt von Qual” – und: Übertraining von Unvernunft. Obwohl das Sich-Quälen-Können bestimmt auch eine Erfolgskomponente ist, wird die leistungssteigernde Wirkung einer angemessenen Regeneration oft unterschätzt. Jeder Trainingsreiz löst Wiederherstellungs-prozesse im Körper aus, die das Leistungsniveau über den vorherigen Stand hinaus anheben.
In der Trainingslehre spricht man vom Prozess der Superkompensation. Diese bereitet den Körper demnach auf erneute Belastungsreize vor, macht ihn also leistungsfähiger.
Wird eine angemessene Regenerationszeit nicht eingehalten, findet keine Superkompensation statt, es kommt zur Ermüdungsanhäufung folglich zu Übertraining. Der Körper ist mit der ständigen Belastung überfordert, das Leistungsniveau sinkt rapide. Deshalb ist es sinnvoll, Regeneration als aktiven Teil des Trainings zu betrachten.
4. Gewohnheit bringt gewohnte Leistung
Wechselnde Belastungsformen sind ein Grundstein des Erfolges. Um eine Leistungssteigerung zu erzielen, muss die Trainingsbelastung eine kritische Reizschwelle überschreiten.
Nur so finden im Körper Anpassungsreaktionen statt, durch die ein neues Leistungslevel erreicht wird. Daher macht es wenig Sinn, stets lange Dauerläufe im gleichen Tempo zu absolvieren. Denn sobald sich der Körper an diesen Belastungsreiz angepasst hat, beginnt die Leistungsfähigkeit zu stagnieren.
Um dem entgegenzuwirken, sollten Sie die Belastungsreize möglich vielseitig gestalten. Mal ein kürzerer Dauerlauf, mal ein längerer, mal in moderatem Tempo, mal zügigen Schrittes. Bei entsprechender Grundlage dürfen auch Intervalltraining und Tempodauerlauf ins wöchentliche Training integriert werden.
5. Nur die Harten trainieren auf Straßen
Mit der Leistungsfähigkeit steigt das Trainingspensum. Wer viele Kilometer abspult, sollte nicht zu sehr am asphaltierten Untergrund hängen.
Zwar dämpft eine gekräftigte Muskulatur in Kombination mit den richtigen Laufschuhen einen Großteil des Aufpralls beim Laufen ab, jedoch wirken auf asphaltiertem Untergrund noch immer enorme Kräfte auf Sehnen, Bänder, Gelenke und Knochen.
Dadurch erhöht sich auf Dauer die Verletzungsgefahr. Deshalb bietet es sich an, regelmäßig auf weicherem Untergrund zu trainieren. Waldwege und Wiesen absorbieren nicht nur einen Teil des Aufpralls, durch das Laufen auf unebenem Untergrund wird gleichzeitig der Bandapparat trainiert und natürlich stabilisiert.
6. Nie eine Traningseinheit ausfallen lassen
Die Nase läuft, Kopf und Glieder schmerzen, Anzeichen einer Erkältung im Anflug. Vollblutläufer ignorieren diese Symptome gerne, schließlich sollen derartige “Wehwehchen” nicht vom Training abhalten. Eine Mischung aus Ehrgeiz und schlechtem Gewissen übertönt die Warnsignale des Körpers. Die Laufschuhe werden dennoch geschnürt.
Was in den meisten Fällen in einer miserablen Leistung und der Erkenntnis, eine Pause wäre sinnvoll gewesen, endet, kann im schlimmsten Fall eine Herzmuskelentzündung infolge einer verschleppten Infektion hervorrufen.
Deshalb ist es sinnvoll bei Erkältungssymptomen genau in den Körper hineinzuhören und im Zweifelsfall lieber eine Einheit ausfallen zu lassen.
7. Zum Laufen braucht man nur die Beine
Etwa ein Siebtel der gesamten Skelettmuskulatur des Menschen wird beim Laufen beansprucht. Das bedeutet, mehr als nur die Muskelpartien der unteren Extremitäten kommen zum Einsatz.
Dennoch sind viele von uns überzeugt, dass bloße Laufen ausreicht, um das Laufen zu trainieren. Dies mag grundsätzlich nicht falsch sein, ist auf Dauer aber nicht genügend.
Auch als Läufer*in lohnt es sich, vernachlässigte Muskelpartien etwas zu stählen. Unser Sport ist ein komplexer Bewegungsablauf, der viele Muskelgruppen beansprucht, was folglich deren Belastbarkeit voraussetzt.
Regelmäßiges Stabilisationstraining für Rumpf und Arme gehört daher zum Trainingsrepertoire eines jeden Läufers. Je besser die Rumpfmuskulatur gekräftigt ist, desto eher wird Verletzungen vorgebeugt.
8. Aufwärmen und Auslaufen sind unnötig
Gerade bei belastungsintensiven Einheiten wie Tempotraining, Fahrtspiel oder gar Sprints ist ein angemessenes Aufwärmprogramm unerlässlich. Um Zeit zu sparen, wird dieses jedoch gerne ausgelassen. Dabei ist es wichtig, die Muskeln zunächst aufzuwärmen.
Je nach Trainingsstand sollten 10 bis 20 Minuten ausreichen, die Durchblutung anzuregen. Danach empfehlen sich leichte Dehnübungen.
Vorsicht: Zu starkes Dehnen nimmt dem Muskel die Spannung. Dies ist vor allem bei schnellkräftigen Bewegungen kontraproduktiv. Nach der Belastung komplettiert ein gleich langes Auslaufen die Einheit. Durch nochmalige Anregung der Durchblutung soll die Regenerationszeit verkürzt werden.
9. Je älter die Laufschuhe, desto besser
Die goldene Laufschuhregel lautet: Uraltschuhe gehören ins Trophäenzimmer oder auf den Müll! Die Dämpfung, das Herzstück eines Laufschuhs wird mit den Jahren hart und porös, die Wirkung geht verloren, unabhängig davon, ob Sie die Schuhe laufen oder im Schrank lagern.
Hat Sie also nach längerer Trainingspause der Ehrgeiz wieder gepackt, macht es Sinn, mit neuen Schuhen die neuen Ziele zu verfolgen.
Ambitionierte und Vielläufer sollten darauf achten, regelmäßig die Schuhe auszutauschen, am besten aber mehrere Modelle parallel zu nutzen.
Da die Dämpfung bis zu 24 Stunden benötigt, um ihre ursprüngliche Form und damit ihre volle Absorptionsfähigkeit wiederherzustellen, kann eine abwechselndes Tragen die Lebensdauer der Schuhe deutlich verlängern.
10. Man muss über den Schmerz trainieren, um Effekt zu erzielen
Vier Wochen bis zum Marathonstart, die Vorbereitung geht in die heiße Phase. Aufgrund hoher Belastungsumfänge machen sich unweigerlich kleinere Beschwerden bemerkbar. Überlastete oder gereizte Sehnen und Bänder, ermüdete und verhärtete Muskulatur.
An diesem Punkt ist es wichtig, nicht über den Schmerz hinweg zu trainieren.
Zum einen können hieraus gravierende Verletzungen entstehen, zum anderen werden muskuläre Dysbalancen weiter verstärkt. Die daraus resultierende Schonhaltung zieht meist noch zusätzliche Beschwerden nach sich.
Besser ist es, rechtzeitig einen Orthopäden oder Physiotherapeuten aufzusuchen und den Problemen in der Entstehung vorzubeugen.
Dieser Text ist ein Auszug aus: RUNNING – Das Laufmagazin. Es erscheint einmal im Monat.