Wer Sport treibt, schwitzt. Aber auch bei Angst, Stress und Fieber kämpfen wir mit Schweißperlen und Achselnässe. Wozu ist der muffelnde Körpersaft gut? Der Medizinjournalist Werner Bartens erklärt, weshalb Frauen leichter frieren und Männer stärker schwitzen.
Achilles Running.* Herr Bartens, was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie an Schweiß denken?
Werner Bartens: Natürlich ein graziler, erotischer Frauenhals.
Wie bitte? Schweiß hat ein mieses Image. Er stinkt, macht Flecken, ist ekelig.
Schweiß ist der wichtigste Sexual-Lockstoff der Menschen und Tiere. Er ist transparent, klar und geruchslos. Es sind erst die bakteriellen Zersetzungsprozesse, die zum Geruch führen.
Heißt es deshalb, dass es so wichtig ist, sich riechen zu können?
Frauen etwa finden Männerschweiß so unwiderstehlich, weil darin ein Abkömmling des männlichen Sexualhormons Testosteron enthalten ist. In Afrika gibt es Völker, die sich bei der Partnerwahl gegenseitig unter den Achseln und an den Genitalien beschnüffeln. Sie testen so, ob sie sich riechen können.
Sie scherzen …
Dieses “Sich-Riechen-Können” ist extrem wichtig – nicht nur aus ästhetischer Sicht. Es hat auch einen handfesten medizinischen, evolutionär bedingten Hintergrund. Menschen mögen einen fremden Körpergeruch besonders, wenn er sich vom eigenen Duft unterscheidet.
Warum ist das so?
Der fremde Geruch signalisiert, dass die Person auch ein unterschiedliches Immunsystem hat. Wenn diese beiden Menschen ein Kind bekommen, vermischen sich die verschiedenen Spektren der Immunsysteme und das Kind wird besonders abwehrstark gegen Viren, Bakterien und andere Keime.
Der Mensch gibt einen Liter Schweiß ab – in der Nacht
Unabhängig vom Sich-Riechen-Können: Ist Schweiß zu irgendwas zunutze?
Es ist wahnsinnig wichtig, dass wir schwitzen. Ohne Schweiß würden wir nach fünf Minuten Laufen einen Hitzeschlag bekommen und umfallen. Wenn man die Schweißtropfen auf der Haut lässt und sie dann verdunsten, wird der Körper gekühlt. Deswegen ist es Quatsch, sich den Schweiß sofort abzuwischen.
Wie viel Schweiß sondert ein Mensch durchschnittlich am Tag ab?
Während des Schlafs gibt er etwa einen Liter Schweiß ab – pro Nacht. Leute, die nackt schlafen, sollten also öfter mal die Bettwäsche wechseln.
Und beim Sport?
Fußballspieler sondern während eines Spiels vier bis fünf Liter Schweiß ab. Das ist definitiv weniger als bei einem untrainierten Menschen. Durch regelmäßige körperliche Betätigung stellt sich der Körper ein, weniger Flüssigkeit, Salze und Mineralstoffe abzugeben.
Die einzelnen Schweißdrüsen werden leistungsfähiger. Man kann also nicht nur schneller und länger laufen, sondern auch effizienter schwitzen.
Wir schwitzen beim Sport – warum aber schwitzen wir, wenn wir aufgeregt sind oder Angst haben?
Stresshormone wie Adrenalin oder Cortisol führen dazu, dass der Blutdruck und der Stoffwechsel sowie die Atemfrequenz und die Herz- und Pulsrate gesteigert werden. Anspannung verbraucht Energie. Energie erzeugt Wärme und deswegen schwitze ich.
Das ist eine interne Stressreaktion, die ähnlich wie bei einem Marathonlauf den Körper auf Touren bringt. Und dann muss er runterkühlen.
Schweiß reinigt nicht. Das ist Quatsch
Woran liegt es, dass Menschen mehr oder weniger schwitzen?
Zum einen an der Herkunft: Laut einer Studie haben Koreaner oder überhaupt Asiaten weniger als halb so viele Schweißdrüsen wie der durchschnittliche Europäer oder Nordamerikaner. Asiaten riechen deswegen tatsächlich weniger streng. Sie produzieren weniger Schweiß.
Schwitzen Frauen anders als Männer?
Frauen schwitzen gar nicht. Pferde schwitzen, Männer transpirieren, Frauen sind erhitzt (lacht). Tatsächlich ist die Anzahl der Schweißdrüsen bei beiden Geschlechtern relativ vergleichbar. Frauen haben im Vergleich zu Männern aber weniger Muskelmasse. Muskeln wiederum erzeugen Energie und damit Wärme. Deshalb frieren Frauen leichter und Männer schwitzen stärker.
Ist der Geruch abhängig von der Behaarung?
Die jungen Menschen heutzutage rasieren sich gerne an allen möglichen und unmöglichen Stellen. Das führt aber nicht dazu, dass man weniger schwitzt, sondern nur dazu, dass man häufiger Abszesse, Furunkel, Eiterbeulen und Ekzeme hat.
Wenn die Haare abrasiert sind, verstopfen sie womöglich die Schweißdrüsen und das führt zu Irritationen der Haut. Diese verhindern das Schwitzen auch nicht, sie übertünchen nur den Körpergeruch.
Dem Schweiß wird eine reinigende Funktion zugeschrieben.
Alles Psychohygiene – da gilt das Gleiche wie beim Entschlacken oder Fasten. Der Mensch scheint ein riesiges inneres Reinigungsbedürfnis zu haben und hält sich oft für eine gewaltige Sondermülldeponie, die ständig gesäubert werden muss. Von innen wie von außen. Das ist völliger Quatsch
Es ist sicher ein schönes Gefühl, sich beim Sport zu verausgaben und den Schweiß rinnen zu lassen. Aber es reinigt einen über diesen seelischen Effekt hinaus überhaupt nicht. Es werden keine obskuren Gifte mit ausgeschwitzt. Das ist alles ein Placebo-Effekt.
Schwitzen ist gar nicht gesund?
Per se nicht. Wir könnten ohne Schwitzen nicht überleben, weil wir es für die Temperaturregulation brauchen. Aber niemand ist gesünder, weil er mehr oder häufiger schwitzt.
Zur Person: Werner Bartens, Jahrgang 1966, hat als Arzt gearbeitet und ist leitender Redakteur im Wissenschaftsressort der Süddeutschen Zeitung. 2009 wurde Bartens zum “Wissenschaftsjournalisten des Jahres” gewählt.
*Um die Antworten des Interviewpartners nicht zu verfälschen, werden lediglich die Fragen “gegendert”.