Wenn der Bauch rebelliert, wird das Laufen zur Qual. Worauf Sportler*innen bei der Ernährung achten müssen und welche Lebensmittel Energie liefern, erklärt Uwe Schröder, Autor bei RUNNING – Das sportliche Laufmagazin.
Es gibt sie nicht, die eine, ideale Ernährungsweise für alle. Lebensmittel müssen zunächst individuell gut vertragen werden. Und sie müssen schmecken. Wenn der Genussaspekt nicht berücksichtigt wird, ist Essen und Trinken nur noch eine funktionale Nährstoffaufnahme ohne sinnliche und emotionale Komponente.
Mögliche Folgen eines nicht angepassten Ess- und Trinkverhaltens sind unter anderem erhöhte Infektanfälligkeit, Leistungseinbußen, Konzentrationsschwäche und Verdauungsprobleme. Das Risiko, an sogenannten “Zivilisationskrankheiten” zu erkranken, kann durch sportliche Aktivität in Kombination mit einem optimierten Ess- und Trinkverhalten gesenkt werden. Diabetes mellitus, hohe Blutfettwerte, Osteoporose und Übergewicht sind Beispiele jener Krankheiten, deren Entstehen sowie Verlauf beeinflusst werden.
Kochen zerstört Vitamine
Der Nährstoffbedarf von Läufer*innen wird von zahlreichen Faktoren wie Lebenssituation, Gesundheitszustand, Trainingsumfang, -intensität und -häufigkeit bestimmt. Die Nährstoffdichte beschreibt dabei das Verhältnis ausgewählter Vitamine und Mineralstoffe pro Energieanteil des Lebensmittels. Dieses Verhältnis bleibt bei der Verwendung von Gemüse, magerem Fleisch und Fisch günstig, wenn beim Kochen die Vitamine nicht zerstört und die Mineralstoffe durch das Kochwasser nicht ausgewaschen werden.
So enthält Broccoli aus dem Dampfgarer 50 Prozent mehr Vitamin C als gekochter Broccoli. Ein oft vernachlässigter, aber wichtigster Aspekt beim Essen und Trinken, ist die Deckung des Energiebedarfs. Gerade im Ausdauersport schränkt ein “Zuwenig” an Energie, sprich Kalorien, Gesundheitsstatus und Leistung drastisch ein.
Sportler*innen trinken bis zu fünf Liter täglich
Wer dennoch wenig isst, um abzunehmen oder seinen Körperfettanteil zu reduzieren, und dabei auf eine hohe Nährstoffdichte verzichtet, hat meist keine Chance, die für den Stoffwechsel notwendigen Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente in ausreichender Menge aufzunehmen. Dann sind Nahrungsergänzungsmittel empfehlenswert, damit Defizite ausgeglichen werden können.
Ob das individuelle Ess- und Trinkverhalten den Nährstoffbedarf deckt, kann nur per Labordiagnostik, Ernährungsanamnese sowie Befindlichkeits- und Leistungskontrollen geklärt werden. Ist die gewünschte Leistungsentwicklung vorhanden und kommt es nicht zu erhöhter Infekt- und Verletzungsanfälligkeit, deutet dies auf eine ausreichende Nährstoffversorgung hin.
Der Wasseranteil am Gesamtkörpergewicht beträgt rund 50 bis 70 Prozent und ist somit mengenmäßig der wichtigste Bestandteil des menschlichen Organismus. Die Muskulatur besteht zu 70 bis 75 Prozent aus Wasser, das Fettgewebe nur zu 10 bis 15 Prozent.
Der Wasserbedarf des Körpers liegt bei rund einem Milliliter pro Kilokalorie Energieverbrauch, ohne sportliche Aktivität somit bei rund 2 bis 2,5 Liter pro Tag. Bei sportlicher Aktivität kann der Wasserbedarf sogar auf vier bis fünf Liter pro Tag ansteigen, abhängig von der Art und Dauer der Belastung, der Umgebungstemperatur und Höhenlage sowie dem Trainingszustand. Da Wasser im Körper nur in geringem Umfang gespeichert werden kann, ist regelmäßiges, über den Tag verteiltes Trinken genauso wichtig wie die Gesamttrinkmenge.
Intensives Training fordert Kohlenhydrate
Kohlenhydrate sind die wichtigste Energiequelle für Sportler*innen, sowohl für körperliche als auch für mentale Leistungsanforderungen. Sie werden im Körper als langkettige Traubenzuckerverbindungen, das Glykogen, in der Leber und in den im Training beanspruchten Muskeln gespeichert.
Die Größe der Muskelglykogenspeicher kann durch Training in Verbindung mit kohlenhydratbetonten Lebensmitteln gesteigert werden und einer Energiemenge von 1.500 bis 2.500 Kilokalorien entsprechen.
Der Energieverbrauch in Ruhe wird bis zu 90 Prozent aus Fett und nur zu circa 10 Prozent aus Kohlenhydraten bestritten. Bei höherer Belastungsintensität verwertet der Körper immer mehr Kohlenhydrate. Bei intensiven Belastungen kann die Fettverbrennung in der arbeitenden Muskulatur auch nahezu völlig ausgeschaltet sein.
Die Energiegewinnung aus Kohlenhydraten ist mehr als doppelt so schnell wie die aus Fett. Daraus folgt, dass sich Läufer*innen nur dann intensiveren Belastungen unterziehen können, wenn sie individuell angemessene Kohlenhydratmengen verzehrt haben.
Zucker und Bananen nur bei langen Wettkämpfen
Acht bis zehn Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht und Tag erscheinen für Spitzen-Athlet*innen angemessen. Wer allerdings nur gesundheitsorientiert läuft, wem Intervall- und Tempoläufe fremd sind, benötigt deutlich weniger Kohlenhydrate. Drei bis vier Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht und Tag sind hier völlig ausreichend. Je langsamer die Kohlenhydrate eines Lebensmittels den Blutzuckerspiegel erhöhen, umso besser.
Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, einige Obstsorten wie Äpfel, Birnen und Gemüse sind hochwertige Kohlenhydratlieferanten, die den Blutzuckerspiegel langsam, aber stetig stabilisieren. Nur bei hohen Trainingsbelastungen, bei langen Wettkämpfen und zur schnellen Regeneration sind mit Zucker gesüßte Produkte, vollreife Bananen und Weißmehlprodukte zweckmäßig.
Eiweiß ist für das Wachstum und die Entwicklung der Organe und Gewebe unentbehrlich. Umfangreiche Ausdauerleistungen sowie Kurzzeitbelastungen hoher Intensität führen zu einem Eiweiß-Mehrverbrauch. Dieser höhere Bedarf von Läufern*innen kann aufgrund des ebenfalls erhöhten Energiebedarfs mit einer üblichen Mischkost gedeckt werden.
Soll allerdings Gewicht reduziert werden oder besteht eine sehr einseitige Lebensmittelauswahl, kann es zu einer Eiweißunterversorgung kommen. Um diese zu vermeiden, ist der Einsatz von Eiweißpräparaten sinnvoll.
Fett ist eine wichtige Energiequelle für den Muskelmotor
In Abhängigkeit von der individuellen Belastungsintensität stellt Fett eine wichtige Energiequelle für den Muskelmotor dar. Selbst bei gut Trainierten mit niedrigem Körperfettanteil besitzt das Körperfett ein erhebliches Energiepotenzial. Im Rahmen einer läuferspezifischen Ernährung ist ein Fettverzehr von etwa 1,2 bis 1,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht sinnvoll.
In Phasen mit hohen Belastungsumfängen kann der Fettanteil auf bis zu 45 Prozent an der Gesamtenergie gesteigert werden. Empfehlenswert ist zudem ein Fettsäureverhältnis von mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu einfach ungesättigten Fettsäuren zu gesättigten Fettsäuren von 1:1:1.
Vitamine und Mineralstoffe regulieren und steuern den menschlichen Stoffwechsel: Eine regelmäßige Zufuhr mit der Nahrung ist für den Körper unverzichtbar. Der individuelle Vitamin- und Mineralstoffbedarf hängt von verschiedenen Faktoren wie Gewicht, Alter und Trainingsaktivität ab.
Wer den durch Sport bedingt erhöhten Energiebedarf durch eine sinnvolle Lebensmittelauswahl deckt, nimmt automatisch mehr Vitamine und Mineralstoffe auf. Eine Ergänzung ist deshalb im Allgemeinen nicht notwendig. Für einige Vitamine und Mineralstoffe existieren körpereigene Speicher, sodass sich kurzfristige Nährstoffunterversorgungen nicht sofort manifestieren, langfristig aber zu Störungen führen können.
Eine Lebensmittelauswahl mit viel Gemüse und Obst ist die Basis einer guten Vitaminversorgung. 250 Gramm Gemüse pro Tag können die empfohlenen Zufuhrbereiche bereits sichern, ein deutlich höherer Konsum ist allerdings erstrebenswert.
Fitnessorientierte Ernährung hat nichts mit Askese zu tun
Im Gegensatz zu den Vitaminen werden Mineralstoffe – in Abhängigkeit von der Schweiß- und Urinproduktion – in größeren Mengen vom Körper ausgeschieden. Ein zeitnaher Ausgleich der mit dem Schweiß verlorenen Mineralstoffe, vor allem von Kalzium und Magnesium, ist empfehlenswert. Kalorienfrei ist dies zum Beispiel über ein mineralstoffreiches Mineralwasser mit einem Kalzium-Magnesium-Verhältnis von 2:1 leicht zu bewerkstelligen.
Oft wird damit geworben, dass einzelne Substanzen, seien es Aminosäuren oder bestimmte Vitamine, zu Fitness und Gesundheit führen. Ein Trugschluss, denn wie bei einem Motor hilft es nicht, ein kleines Teil durch ein neues, größeres zu ersetzen. Die Teile müssen ineinander passen und aufeinander abgestimmt sein.
Nur die Aufnahme aller individuell benötigten Nährstoffe führt in der Summe zur optimalen Fitness. Sportgerecht zu essen und zu trinken, bedeutet, beste Voraussetzungen für Topleistungen zu schaffen sowie verloren gegangene Nährstoffe möglichst rasch zu ersetzen. Dabei muss auf eine an den individuellen Geschmackspräferenzen ausgerichtete Speisenauswahl nicht verzichtet werden, denn fitnessorientiertes Essen und Trinken hat nichts mit Askese zu tun.